Politik

20.06.2024

Soll der Mindestlohn auf 15 Euro erhöht werden?

Bundeskanzler Olaf Scholz hält eine schrittweise Steigerung des Mindestlohns auf 15 Euro für nötig. Diese Forderung unterstützt auch Luise Klemens, die Landesbezirksleiterin der Gewerkschaft Verdi in Bayern. Hermann E. Hein, Vorsitzender der Mittelstandsunion des Kreisverbands Fürth Stadt und Land, lehnt das ab und kritisiert gleichzeitig, dass sich die Politik überhaupt in die Lohnfindung einmischt

JA

Luise Klemens, Landesbezirksleiterin der Gewerkschaft Verdi in Bayern

Die Gewerkschaft Verdi in Bayern fordert eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde. Denn der aktuelle Mindestlohn von 12,41 Euro reicht bei Weitem nicht aus, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu decken und eine Existenz ohne Armut zu sichern.

Die EU-Mindestlohnrichtlinie verlangt, dass der Mindestlohn mindestens 60 Prozent des Medianlohns betragen soll. In Deutschland entspräche das in etwa 14 Euro pro Stunde.

Doch mit der jüngsten Erhöhung um 41 Cent wird der Bedarf der Arbeitnehmer*innen nicht ausreichend abgedeckt. Vor allem Beschäftigte in unteren Lohngruppen oder prekärer Beschäftigung sind davon stark betroffen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Richtlinie konsequent in nationales Recht umzusetzen. Wir unterstützen dabei den Vorschlag des Kanzlers, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben.

Damit würde das Einkommen vieler Menschen näher an die realen Lebenshaltungskosten in unserem Land angepasst werden. Für die soziale Gerechtigkeit und demokratische Stabilität in Deutschland braucht es Einkommen, die vor Armut schützen.

Vor allem Frauen würden von einer deutlichen Mindestlohnerhöhung profitieren. Denn sie sind es, die häufig prekär oder in Teilzeit arbeiten und am schwersten von drohender Altersarmut betroffen sind.

Ein Mindestlohn von 15 Euro ist daher unerlässlich, um eine angemessene Lebensführung zu ermöglichen – gerade im Freistaat Bayern, wo die Lebenshaltungskosten deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt liegen.
Wir von Verdi rufen die Landespolitik und Arbeitgeber dazu auf, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam für einen höheren Mindestlohn einzutreten. Es ist an der Zeit, die Lebensrealitäten der Arbeitnehmer*innen anzuerkennen und den Mindestlohn auf ein existenzsicherndes Niveau anzuheben.

NEIN

Hermann E. Hein, Vorsitzender der Mittelstandsunion des Kreisverbands Fürth Stadt und Land

Für ein Land wie Deutschland mit dem vierthöchsten Mindestlohn in der EU darf es keinen politischen Überbietungswettbewerb beim Mindestlohn geben und konkret keine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde, wie sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür ausgesprochen hat. 

Die Lohnfindung gehört nicht in die Politik oder auf Wahlplakate. Bei der Einführung des Mindestlohns waren sich alle Parteien einig, dass der Mindestlohn nicht zum politischen Spielball werden darf. Dafür wurde die Mindestlohnkommission ins Leben gerufen. Diesen Konsens bricht Olaf Scholz jetzt auf – schon zum zweiten Mal nach 2022. Sein Wortbruch ist ganz offenkundig die Antwort auf schlechte Umfragen und das Ergebnis der Europawahl.

Wenn Olaf Scholz etwas für die arbeitende Bevölkerung tun will, dann sollte er die Steuer- und Abgabenlast senken. Wenn der Mindestlohn von 12,41 Euro auf 15 Euro steigt, müssten Beschäftigte 62 Prozent mehr Lohnsteuer zahlen.

Das zeigt: Von einer Mindestlohnerhöhung profitiert in erster Linie der Staat. Die Mindestlohnkommission muss bei ihrer Entscheidung eine Gesamtabwägung treffen. Dazu gehören neben der Tarifentwicklung auch die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und die Sicherung von Arbeitsplätzen.

Hier ist die Tarifautonomie in Gefahr. Diese sieht vor, dass die Löhne von den Sozialpartnern und nicht vom Staat festgelegt werden. Durch die jüngsten Forderungen aus der SPD an die Mindestlohnkommission ist die Kritik nicht leiser geworden.

Ebenfalls ist zu befürchten, dass eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns vor allem kleine und mittelständische Unternehmen in Schwierigkeiten bringen könnte – und sich letztlich in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen würde, etwa wenn Gastronomen die gestiegenen Personalkosten an die Kunden weitergeben. 
 

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