Politik

20.04.2023

Soll der Zugang zur Notaufnahme erschwert werden?

Der Überlastung der Notaufnahmen will Andreas Gassen, der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, mit einer Reform begegnen: Wer ohne Anmeldung erscheint, soll eine Gebühr zahlen. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, fände das dagegen nicht gut

JA

Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Unbestritten besteht bundesweit Konsens: Es ist höchste Zeit für eine Reform der Notfallversorgung. Denn es ist offensichtlich, dass die Personalressourcen in den Krankenhäusern teilweise dramatisch knapp sind – sowohl in der Pflege als auch im ärztlichen Bereich. Vor diesem Hintergrund ist es unabdingbar, knappe Ressourcen zu bündeln, gezielt anzubieten und einzusetzen.

Um sicherzustellen, dass Menschen, die akut medizinische Hilfe benötigen, in die richtige Behandlungsebene vermittelt werden, ist ein vorgeschaltetes, verpflichtendes, einheitliches und validiertes Ersteinschätzungsverfahren substanziell.

Schon heute steht die rund um die Uhr erreichbare Bereitschaftsdienstnummer 116117 als erste Anlaufstelle per Telefon, Website sowie App zur Verfügung, um Patientinnen und Patienten schnellstmöglich und zuverlässig in die richtige Versorgungsebene zu navigieren – ins Krankenhaus, an den ärztlichen Bereitschaftsdienst oder in eine Praxis. Es wäre sinnvoll, das System der 116117 und der 112 digital zu verknüpfen. In lebensbedrohlichen Situationen könnte dann sofort von der Nummer des Kassenärztlichen Notdienstes zur Rettungsleitstelle durchgestellt werden. Auf diese Weise lässt sich auch eine unnötige Inanspruchnahme überlasteter Notaufnahmen begrenzen. Wer die Notaufnahme dennoch wider besseres Wissen aufsucht, ohne vorher eine Leitstelle anzurufen, sollte dafür eine Gebühr zahlen.

Um ganz klar festzuhalten: Es geht dabei um keine generelle Gebühr für alle Patientinnen und Patienten. Niemand möchte echte medizinische Notfälle mit einer Gebühr belasten. Sie soll auch keine Menschen abschrecken, im Notfall medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, oder sozial Schwächere diskriminieren.

Aber wenn sich jemand mit einem eingewachsenen Zehennagel in die Notaufnahme begibt, wäre eine Gebühr durchaus zweckmäßig. Denn ein solches Verhalten bindet unnötig ohnehin schon knappe medizinische Ressourcen und kostet die Solidargemeinschaft letztlich mehr Geld.

NEIN

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz

Von einem massenhaften Missbrauch der Notaufnahmen in deutschen Krankenhäusern kann nicht geredet werden. Deshalb ist die Forderung nach einer Strafgebühr reine Polemik und lenkt nur von den hausgemachten Problemen der Kassenärzte ab.

Viele Patientinnen und Patienten würden bei Beschwerden liebend gerne Kontakt mit den niedergelassenen Praxen aufnehmen. Doch praktisch bleibt das ein schwieriges Unterfangen. Denn viel zu oft werden Hilfesuchende direkt von automatisierten Telefonansagen abgefangen. Anschließend landen sie dann in gefühlt endlosen Warteschleifen, ohne überhaupt mit jemandem zu sprechen. Noch schlimmer ist es, dauerhaft ein Besetztzeichen zu hören.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Mitglieder sind nicht in der Lage, hier ein Controlling und ein Qualitätsmanagement aufzubauen geschweige denn durchzusetzen.

Ebenso fehlt eine wissenschaftliche Auswertung dieses Schnittstellenproblems. Der Bundesgesundheitsminister muss somit ein Berichtswesen von den Kassenärztlichen Vereinigungen einfordern. Zudem nimmt die Bereitschaft spürbar ab, Hausbesuche anzubieten. Ein Rückgang von mehr als 25 Prozent innerhalb von zehn Jahren spricht eine deutliche Sprache.

Die Versorgungssituation für die Kranken verschärft sich besonders am Abend, in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen. Daher ist der ärztliche Bereitschaftsdienst auf jeden Fall eine sinnvolle Einrichtung. Aber es wird zusehends mühsamer, Mediziner freiwillig zum Mitmachen zu bewegen.

Ebenso müssen Menschen in einigen Landesteilen immer längere Strecken auf sich nehmen, um die Praxen des medizinischen Notdienstes zu erreichen. Die Patientenorientierung wird hierzulande weiter in Mitleidenschaft gezogen. Die Digitalisierung könnte helfen, steckt aber noch in den Kinderschuhen. Auch dafür sind die Patienten nicht verantwortlich.
 

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