Politik

09.01.2025

Soll die Polizei KI-gestützte Erkennungssoftware einsetzen?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert für die Polizei Erkennungssoftware, die mit künstlicher Intelligenz arbeitet. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, befürwortet das. Benjamin Adjei, digitalpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, hält davon nichts

JA

Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft

Zukunftsforscher werden schon über die Fragestellung verwundert den Kopf schütteln. In einer Zeit, in der die weltweite Bedrohungslage für die Menschen ständig komplexer und größer wird, diskutieren wir ernsthaft darüber, ob der Polizei ein wirksames Instrument zur Verbrechensbekämpfung und Gefahrenabwehr gestattet werden soll oder nicht.

Man muss schon ein ausgesprochen gestörtes Verhältnis zu unseren Sicherheitsbehörden haben, wenn man ihnen ernsthaft eine Technologie verweigern will, mit deren Unterstützung sie gefährliche Terroristen, Kriegsverbrecher, Mörder, Totschläger und Vergewaltiger aus dem Verkehr ziehen könnten. Völlig absurd ist es, wenn dies auch noch als Position zum Schutz der Freiheit gelten soll. Dabei schützt man damit nur die Freiheit der Täter, die unseren Schutz allerdings nicht verdient haben.

Dies gilt umso mehr, weil selbst lernende KI in der Lage ist, Fehler und Irrtümer zu minimieren, die Menschen nun einmal machen, wenn sie ohne technische Unterstützung arbeiten. Die „Eingriffstiefe“ in unsere Grundrechte sinkt mit künstlicher Intelligenz und sollte schon deshalb angewendet werden dürfen. 

Alle Menschen können KI-Programme nutzen, um beispielsweise in den sozialen Netzwerken nach Personen zu suchen. Journalisten zeigen uns gelegentlich, wie es geht. Und nur die Polizei soll das nicht dürfen? Der Staat hält sich künstlich dumm und verweigert den Menschen in unserem Land den Schutz, zu dem er nach unserer Verfassung verpflichtet ist?

Unser Leben und unsere Demokratie sind bedrohter denn je, mächtige Feinde treten täglich an, unsere Freiheit und Sicherheit zu zerstören. Wer glaubt, die Polizei ausstatten zu können, wie in der gemütlichen Welt der 70er-Jahre, wird dem Schutzauftrag des Grundgesetzes nicht gerecht werden. Und wer den Sicherheitsbehörden ständig nur misstraut, statt ihnen nach mehr als 70-jähriger demokratischer und rechtsstaatlicher Tradition auch Vertrauen schenken zu können, wird den Herausforderungen der inneren Sicherheit nicht gerecht. 

NEIN

Benjamin Adjei, digitalpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag

Als Grünen-Landtagsfraktion in Bayern stehen wir für eine konsequente Terrorismusabwehr. Dennoch wenden wir uns entschieden gegen die Verwendung biometrischer Daten zu Überwachungszwecken im öffentlichen Raum. Ein solcher Einsatz stellt einen tiefen Grundrechtseingriff in die Freiheit aller Bürger*innen dar.

Die Freiheit, sich vom Staat unbeobachtet und unüberwacht im öffentlichen Raum zu bewegen, ist ein Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft. Eine flächendeckende biometrische Überwachung würde dieses Grundrecht massiv einschränken und ein Klima des Misstrauens schaffen. Darüber hinaus halte ich insbesondere den Abgleich mit Echtzeitbilddaten, wie beispielsweise Livestreams, für verfassungsrechtlich hochproblematisch. Die Möglichkeit, jede Bewegung und jedes Gesicht in Echtzeit zu analysieren, öffnet Tür und Tor für Missbrauch und Fehlinterpretationen. Es besteht die Gefahr, dass Unschuldige zu Unrecht verdächtigt und überwacht werden, was das Vertrauen in staatliche Institutionen erheblich beschädigen kann.

Die biometrische Überwachung des öffentlichen Raumes ist zudem unverhältnismäßig. Wenn biometrische Daten von Menschen abgeglichen werden, die sich zufällig an öffentlichen Orten befinden, ohne selbst Anlass zu einer solchen Überprüfung zu geben, wird das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Überwachung Unbeteiligter ist nicht nur ineffektiv, sondern auch ein ungerechtfertigter Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte.

Wir Grüne setzen uns daher für alternative Maßnahmen ein, die sowohl die Sicherheit der Bürger*innen gewährleisten als auch ihre Grundrechte respektieren. Präventive Polizeiarbeit, der konsequente Vollzug bestehender Gesetze, bessere föderale und internationale Vernetzung und der Einsatz von Technologie im Einklang mit den Grundrechten sind der richtige Weg, um Sicherheit und Freiheit in unserer Gesellschaft zu bewahren. 
 

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