Politik

21.11.2024

Soll die Schuldenbremse gelockert werden?

Das Festhalten von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an der Schuldenbremse war eines der großen Streitthemen der Ampel-Koalition. Wird die Schuldenbremse bald gelockert? Andreas Schwarz, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, wäre dafür. Widerspruch kommt von Katja Hessel, Mitglied der FDP-Fraktion im Bundestag und Landesvorsitzende der FDP Bayern 

JA

Andreas Schwarz, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag

Angesichts der dringend notwendigen Investitionen in die Infrastruktur, in die Digitalisierung, in den klimagerechten Umbau, in den Ausbau der Kinderbetreuung, in Bildung und Forschung und vor allem in Investitionen für unsere Sicherheit und Verteidigung muss in der aktuellen Notlage die Schuldenbremse zumindest für einen befristeten Zeitraum gelockert werden.

Die Regelungen der Schuldenbremse aus dem Jahr 2009 können der gegenwärtigen Notlage keine Genugtuung bieten, mehr noch, sie wirken hinderlich, gar blockierend. Frieden und Demokratie brauchen gerade heute vollen Einsatz. So ist die weitere finanzielle und militärische Hilfe für die Ukraine elementar für unsere Freiheit in Deutschland und Europa. 

Und, was tun wir, sollte Russland das Baltikum angreifen? Nur die Sprache einer wirksamen militärischen Abschreckung und eines starken Staates versteht Putin. Leider gilt: „Wer schwach ist, wird zur Beute.“

Dazu braucht unser Land Zukunftsinvestitionen, um unseren transatlantischen und europäischen Partnern ein eindeutiges Signal zu senden: Wir übernehmen Verantwortung.

Verantwortung tragen wir auch gegenüber unseren nachfolgenden Generationen. Eine allumfassende Aufhebung der Schuldenbremse wird keiner Generationensolidarität gerecht. Und dies beinhaltet das Aufnehmen von Schulden ohne triftige Begründung.

Hier möchte ich ausdrücklich betonen: Die Überschreitung der Schuldengrenze aufgrund einer Notlage ist zulässig, gar notwendig. Klimawandel, Wirtschaftskrise und der Krieg in der Ukraine sind Notlagen sowohl im Jahr 2024 als auch in der Zeit darüber hinaus. 

Es darf keine Abwägung zwischen innerer und äußerer Sicherheit sowie sozialer Sicherheit stattfinden. Momentan bedarf es zwingend einer Reform der Schuldenbremse, ganz ohne Denkverbote. Die Schuldenbremse darf vor allem im Rahmen der Zeitenwende kein Hindernis für den Fortschritt sein. 

NEIN

Katja Hessel, Mitglied der FDP-Fraktion im Bundestag und Landesvorsitzende der FDP Bayern 

Es ist ein Trugschluss linker Politiker, man müsse nur den Geldhahn aufdrehen, und alle Probleme seien gelöst. Um diesem Trugschluss entgegenzuwirken, steht die Schuldenbremse seit 2011 im Grundgesetz. Sie ist ein Instrument, um solide Finanzen in Deutschland zu sichern, und bremst etwa auch die Preissteigerung. 

Dabei erlaubt sie ausdrücklich jedes Jahr neue Schulden – nur begrenzt sie sie auf in der Regel 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zudem sieht die Schuldenbremse für den zulässigen Verschuldungsspielraum eine Konjunkturkomponente vor: Bei guter wirtschaftlicher Entwicklung reduziert sich die zulässige Verschuldung, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird sie erhöht. Die Schuldenbremse ist viel flexibler und praxistauglicher, als ihre Kritiker sie darstellen. 

Generell lohnt ein Blick in seriöse ökonomische Fachliteratur: Schuldenregeln wirken sich nicht negativ auf das Wachstum aus. Im Gegenteil: Länder mit in der Verfassung verankerten Fiskalregeln wachsen schneller als Länder ohne Schuldenbremse. 

Gerade die Schuldenbremse ermöglicht, in der Krise aus dem Vollen zu schöpfen. So war zum Beispiel in der Corona-Notlage die wirtschaftliche Tragfähigkeit massiver neuer Schulden gewährleistet.

Sozialdemokraten weisen gerne auf Deutschlands niedrige Gesamtschuldenlast hin: 63,6 Prozent des BIP. Mitdenken muss man hier indes dreierlei: Erstens die oft kurzen Laufzeiten unserer Kredite mit dem Risiko höherer Zinslast bei Umschuldung. Zweitens unsere alternde Bevölkerung samt den immer weiter steigenden impliziten Schulden der Sozialsysteme. Drittens die EU-Verschuldung.

Völlig richtig: Es sind gehörige Investitionen nötig, um etwa Deutschlands Infrastruktur zu modernisieren und die Bundeswehr wieder verteidigungsfähig auszurüsten. All dies geht auch mit Schuldenbremse. Sie bewahrt Regierungen jedoch vor der steten Verlockung, Wahlgeschenke auf Kosten der Zukunft zu machen. 
 

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