Politik

19.12.2024

Soll eine Zuckersteuer eingeführt werden?

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) glaubt nicht, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit der Krankenhausreform die Gesundheitsversorgung verbessern kann. Mit der Einführung einer Zuckersteuer, wie es sie etwa in Großbritannien gibt, könnte man aus Sicht der BKG gesundheitspolitisch viel mehr bewirken. BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen erklärt seine Sicht. Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, ist da allerdings ganz anderer Meinung

JA

Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft

Im OECD-Vergleich ist die Lebenserwartung in Deutschland niedriger als in vergleichbaren Ländern, obwohl wir viel Geld für das Gesundheitswesen ausgeben und die Qualität der Versorgung anerkannt hoch ist. Noch mehr staatliche Strukturvorgaben machen die Versorgung nicht besser, sondern nur bürokratischer und teurer – ohne positiven Einfluss auf die Lebenserwartung. 

Neben einer besseren Patientensteuerung und einer wirksameren Prävention gehört auch eine gezielte Zuckersteuer zu den Maßnahmen, die die Lebenserwartung in Deutschland im internationalen Vergleich spürbar erhöhen können, ohne die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens zu überfordern. Durch die Einführung einer Zuckersteuer auf Softdrinks – wie in Großbritannien ab 5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter – könnten nach Expertenmeinung perspektivisch bis zu 160.000 Lebensjahre gewonnen werden. 

Leider hat der amtierende Bundesgesundheitsminister diese Themen ausgeklammert und will stattdessen mit seiner Krankenhausreform die Bürokratie noch weiter erhöhen in der Hoffnung, dass dadurch indirekt auch die Qualität steigt. Doch schon heute umfassen die verpflichtenden Qualitätsberichte der Krankenhäuser jährlich Hunderte Seiten und weisen gute Qualität auf. Wahrscheinlicher ist daher das Gegenteil: noch höhere Kosten ohne Gegenfinanzierung bei gleichzeitigem Fachkräfte-Engpass und Wartezeiten für Patientinnen und Patienten. Deshalb brauchen wir ein grundsätzliches Umdenken in der Gesundheits- und Präventionspolitik. 

Eine gezielte Zuckersteuer auf verarbeitete Produkte setzt Anreize für die Industrie, den Zuckergehalt zu reduzieren. Der Zuckerkonsum kann verringert und das Risiko für Übergewicht und chronische Krankheiten gesenkt werden. Eine Zuckersteuer mit begleitender Gesundheitsaufklärung kann positive Signale für gesündere Alternativen wie Obst und Gemüse setzen. Weniger verarbeiteter Zucker senkt die Raten von Diabetes und Karies. Eine Erhöhung der Staatseinnahmen sollte nicht das Ziel einer Zuckersteuer sein. 
 

NEIN

Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag

Wir essen gerne Süßes. Das ist erst einmal nichts Schlimmes. Vielmehr ist es evolutionär tief in uns verankert. Süß bedeutet Energie und Sicherheit. Gefährlich wird es nur, wenn Personen einen Energieüberschuss inkorporieren. Das passiert in unserer modernen Gesellschaft leider häufig. Die Gründe liegen in unserem oft bewegungsarmen Lebensstil oder im übermäßigen Konsum süßer und fettiger Produkte beziehungsweise überhaupt an zu viel.

Zumeist liegt der Grund allerdings nicht in einem strukturellen Defizit oder in einer gesellschaftlichen Verantwortung, sondern ganz allein in der Verantwortung des Einzelnen. Deswegen ist eine Zuckersteuer falsch, sie wäre zu einseitig und löst nicht die realen Probleme. Sie würde bedeuten, dass der Staat handeln muss, weil das Individuum der Gefahr durch Zucker schutzlos ausgeliefert ist. Das ist nicht der Fall.

Eine liberale Demokratie hat die Aufgabe, ihre Bürgerinnen und Bürger vor der Willkür des Staates zu schützen. Sie hat nicht die Aufgabe, bestimmte Lebensweisen vorzugeben oder Menschen zu ihrem gesundheitlichen Glück zu zwingen. Eine Zuckersteuer wäre ein paternalistischer Eingriff, der die Bürgerinnen und Bürger entmündigt und den Staat von seiner Pflicht zur Aufklärung und Überzeugung entbindet.

Um den Zuckerkonsum gesundheitsadäquat zu handhaben, braucht es Aufklärung und Überzeugung. Die Bürgerinnen und Bürger müssen ein Recht auf eine evidenzbasierte Gesundheitsbildung haben, die aufzeigt, dass es nicht reicht, weniger Zucker zu konsumieren, wenn man ein gesundes Leben führen will. 

Eine Zuckersteuer könnte möglicherweise dazu beitragen, den Zuckerkonsum in der gesamten Bevölkerung zu reduzieren. Allerdings würde sie wenig an den Gewohnheiten einzelner gefährdeter Personen ändern und hätte auch keinen Einfluss auf einen bewegungsarmen Lebensstil. Letztendlich wäre damit niemandem geholfen. 
 

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