Politik

30.01.2025

Soll es eine Arbeitspflicht für alle Bürgergeldempfänger geben?

CDU und FDP fordern bundesweit eine Arbeitspflicht für Empfänger und Empfängerinnen von Bürgergeld. René Domke, Vorsitzender der ​​​​​​​FDP-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, befürwortet das. Luke Hoß, Kreisvorsitzender der Linken in Passau, ist dagegen

JA

René Domke, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin sollen Bezieher und Bezieherinnen von Bürgergeld künftig arbeiten, um die vollen Leistungen zu erhalten. Die FDP begrüßt diesen ersten Schritt, Arbeitskräfte zu aktivieren und Anreize zu setzen.

Für uns Freie Demokraten war die Einführung des Bürgergelds stets eine Balance aus Fördern und Fordern. Leider ist der Aspekt des Forderns dabei weit in den Hintergrund geraten. In einer Gesellschaft, die von akutem Arbeitskräftemangel und den Herausforderungen des demografischen Wandels geprägt ist, können wir es uns nicht leisten, erwerbsfähige Menschen bedingungslos zu alimentieren.

Gleichzeitig verschließen wir nicht die Augen vor denjenigen, die keine oder nur eingeschränkte Arbeitsleistungen erbringen können. Diese Menschen sollen weiterhin auf die Solidarität unserer Gesellschaft vertrauen dürfen. Doch von allen erwerbsfähigen Bürgerinnen und Bürgern erwarten wir einen Beitrag zum Gemeinwesen, sei er auch noch so klein.

Solche Beiträge stärken nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das Selbstwertgefühl der Bürgergeldempfänger, indem sie erleben, dass ihre Arbeit von Wert ist.

Eine erfolgreiche Sozialpolitik muss erwerbsfähige Bürger motivieren und verpflichten, ihre Hilfsbedürftigkeit aktiv durch Arbeit und Qualifizierung zu überwinden. Arbeitspflichten sowie attraktivere Hinzuverdienstmöglichkeiten sind aus unserer Sicht entscheidende Maßnahmen, um Menschen aus der Abhängigkeit zu befreien und ihnen echte Perspektiven zu eröffnen.

Es muss der Grundsatz gelten, wer staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, sollte auch einen Beitrag leisten. Das ist eine Frage der Fairness gegenüber all den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, die tagtäglich hart arbeiten.
Die Arbeitspflicht muss jedoch auch mit Bedacht ausgestaltet sein. Wir dürfen keinen unlauteren Wettbewerb zu regulären Arbeitsverhältnissen schaffen.

NEIN

Luke Hoß, Kreisvorsitzender der Linken in Passau

Wer es ernst mit dem Grundgesetz meint, kann nur zum Schluss kommen, dass diese Forderung strikt abzulehnen ist. Es handelt sich nicht nur um eine Scheindebatte: Gerade einmal 0,4 Prozent der Bürgergeldempfänger*innen haben im vergangenen Jahr ein Arbeitsangebot abgelehnt. Der Rest steht dem Arbeitsmarkt entweder nicht zur Verfügung (Minderjährige, pflegende Angehörige et cetera) oder muss Niedriglöhne aufstocken. Vielmehr wäre ein solches Vorhaben, wie auch schärfere Sanktionen, verfassungswidrig.

Menschen zu Arbeit zu zwingen, erinnert an dunkle Zeiten. Was stimmt: Das Bürgergeld muss reformiert werden. Der aktuelle Regelsatz wird nicht einmal der Mindestsicherung gerecht: Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands zeigen, dass dieser bei mindestens 813 Euro (aktuell 563 Euro) liegen müsste. Wir kämpfen für das Recht auf Existenzsicherung ohne Gängelung und Strafen. Denn Armut und Erwerbslosigkeit sind nicht selbst verschuldet. Sie haben vielmehr strukturelle Ursachen. Wir wollen das Bürgergeld zu einer sanktionsfreien individuellen Mindestsicherung umbauen. Anspruch haben alle, die unterhalb der sogenannten Armutsgefährdungsgrenze (aktuell ungefähr 1400 Euro) leben. Die Debatte lenkt vom eigentlichen Problem ab. Die Menschen haben zu Recht das Gefühl, dass es in unserer Gesellschaft ungerecht zugeht und überall das Geld „fehlt“.

Statt Sündenböcke vorzuschieben und Erwerbslose gegen Lohnarbeiter*innen auszuspielen, muss es Umverteilung von oben nach unten geben. Konzerne und Vermögende müssen in die Verantwortung genommen werden. Arbeit muss sich lohnen: Steigen die Löhne, sinkt die Zahl derer, die auf Bürgergeld angewiesen sind. Schluss damit, dass Arbeitgeber Profite stets einer fairen Bezahlung der Belegschaft vorziehen. Es bleibt ein gut gemeinter Rat an die Union: Grundrechte sind keine Verfügungsmasse im Wahlkampf. Löhne und Menschenwürde rauf, Populismus runter. 
 

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