JA
Katja Hessel (FDP), Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Finanzen
In vielen Bereichen fehlen in Deutschland derzeit Fachkräfte. Dies gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland. Für viele hoch qualifizierte Fachkräfte ist Deutschland nicht attraktiv genug – was nicht zuletzt auch an der hohen Belastung durch die Einkommensteuer liegt.
Im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte greift eine Vielzahl europäischer Länder schon seit Jahren auf spezielle Vergünstigungen in der Besteuerung von Einkommen zurück. Dort werden regelmäßig – teilweise befristet – entweder Teile des Arbeitslohns steuerfrei gestellt oder es werden verminderte Steuertarife gewährt.
Derartige Regelungen sieht das deutsche Einkommensteuerrecht bislang nicht vor, was zu einem Standortnachteil führt. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa sollten daher gleichgelagerte Steueranreizmodelle auch in Deutschland etabliert werden.
Durch die Schaffung steuerlicher Anreize könnte ausländischen Fachkräften die Entscheidung für den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt leichter und attraktiver gemacht werden. Das würde dann auch dem allseits beklagten Fachkräftemangel entgegenwirken.
Das könnte beispielsweise eine auf einige Jahre befristete reduzierte Einkommensteuerlast für qualifizierte Fachkräfte sein, die einen Arbeitsplatz in Deutschland aufnehmen. So läuft es zum Beispiel in den Niederlanden oder in Österreich – und das tatsächlich ziemlich erfolgreich.
Eine zeitlich befristete und in ihrer Höhe beschränkte Regelung wäre ein wichtiges Signal für alle Fachkräfte, die gerne nach Deutschland kommen würden. Das Gleiche gilt für die Wirtschaft, die überall händeringend nach Fachkräften sucht.
Die konkrete Ausgestaltung einer solchen Vorschrift müsste selbstverständlich mit Augenmaß und im Rahmen der verfassungs- und steuersystematischen Vorgaben erfolgen.
NEIN
Susanne Ferschl, gewerkschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag
Der Vorschlag der FDP, ausländische Fachkräfte bei der Einkommensteuer zu begünstigen, ist ideologischer Schwachsinn. Zwei vergleichbare Beschäftigte, die im selben Betrieb dieselbe Arbeit verrichten, aber aufgrund ihrer Herkunft unterschiedlich Steuern zahlen – das schafft Konkurrenzen, schadet der Solidarität in der Belegschaft und widerspricht dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Gleichheit.
Was wir stattdessen brauchen, ist eine ehrliche Steuerreform. Das Steuerkonzept der Linken sieht vor, den Steuerfreibetrag zu erhöhen und Bruttoeinkommen bis 6500 Euro im Monat zu entlasten, während Millionäre deutlich stärker zur Kasse gebeten werden. Die wichtigste Maßnahme, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist und bleibt, für attraktive Arbeitsbedingungen zu sorgen. Dafür muss die Tarifbindung gesteigert werden, denn ein starkes Tarifsystem ist die Grundlage für faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. Allerdings arbeitet nur noch rund die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland in einem Betrieb mit Tarifvertrag.
Es ist höchste Zeit, dass die FDP ihre Blockadehaltung in der Bundesregierung aufgibt, damit das lange versprochene Tariftreuegesetz verabschiedet und wirksame Maßnahmen vorangebracht werden können, um die weitverbreitete Tarifflucht zu stoppen. Außerdem muss die Bundesregierung ausbeuterische Arbeitsmodelle wie Leiharbeit, Werkverträge und Minijobs verbieten und Verstöße der Arbeitgeber gegen geltendes Recht konsequenter verfolgen.
Gute Arbeitsbedingungen und gerechte Besteuerung – das hält inländische Fachkräfte in ihren Jobs und sorgt dafür, dass wir gut auf den Fachkräftemangel vorbereitet sind, wenn er mit dem Renteneintritt der Boomer in den kommenden Jahren tatsächlich kommt. Denn welche ausländische Fachkraft möchte schon gerne in einem Land arbeiten, das für schlechte Arbeitsbedingungen und ein ungerechtes Steuersystem bekannt ist?
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