Politik

22.02.2024

Soll Forschung immer auch für militärische Zwecke genutzt werden dürfen?

Florian Herrmann (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, ist dafür. Verena Osgyan, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, spricht sich dagegen aus.

JA

Florian Herrmann (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei

Natürlich! Dabei geht es nicht um Aufrüstung, sondern um die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr. Unsere Sicherheitslage hat sich seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine erheblich verschärft. Europa ist mit einer ernsten und langfristigen Bedrohung konfrontiert. Deshalb müssen wir unsere militärischen Fähigkeiten schnell ausbauen und modernisieren. Auch im Landesrecht sind Änderungen nötig, damit Verteidigung Vorrang bekommt. Bayern hat deshalb als erstes Land ein „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“ auf den Weg gebracht.
Auch Bundesregierung und EU sehen inzwischen Handlungsbedarf. Dabei ist die Stärkung der Forschung eine zentrale Stellschraube.

Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie wichtig zum Beispiel modernste Flugabwehrsysteme sind. Russland setzt in seinem Krieg gegen die Ukraine auf die rücksichtslose Vernichtung von Leben durch Hunderttausende anstürmende Soldaten und ein Dauerfeuer an Geschossen, Raketen und Drohnen – auch gegen Zivilisten. Dem kann und muss Europa nicht mit Masse, sondern mit Klasse und technologischer Überlegenheit entgegentreten. Angesichts immer größerer Fortschritte russischer Rüstung muss jetzt bei uns die Forschung an Technologien wie KI, Robotik, Drohnen und Cyberwaffen forciert werden.

Dafür ist es essenziell, dass Hochschulen und Bundeswehr eng zusammenarbeiten. Das schulden wir unseren Soldatinnen und Soldaten, die im Rahmen der Nato Frieden und Freiheit in Europa schützen. Und wir schulden es den Menschen in unserem Land, die nicht in Angst vor Angriffen auf Städte, Kraftwerke oder Verkehrsadern leben möchten. Natürlich soll es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch in Zukunft freistehen, aus Gewissensgründen nicht an militärischen oder Dual-Use-Forschungsprojekten mitzuarbeiten. Der Zugang zu Forschung, die für unsere Sicherheit wichtig ist, muss aber gewährleistet sein – besonders dann, wenn sie mit Steuergeld finanziert wird.

NEIN

Verena Osgyan, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag

Der Vorschlag der CSU zu einem Kooperationszwang für Hochschulen mit Bundeswehr und Rüstungsindustrie ist abwegig. Bereits heute gibt es genug Möglichkeiten zur Nutzung von Forschungsergebnissen und auch für eine zivil-militärischen Zusammenarbeit. Hochschulen und Forschende jedoch dazu zu zwingen, für militärische Zwecke zu forschen, ist meiner Auffassung nach mit der Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar. Wie eine verfassungskonforme Umsetzung aussehen soll, ist für mich völlig schleierhaft.

Im Bayerischen Landtag setze ich mich seit Langem für eine obligatorische Open-Access-Zweitveröffentlichung solcher Forschungsergebnisse ein, die aus Steuergeldern bezahlt wurden. Mit diesen frei zugänglichen Forschungsergebnissen, könnte die Bundeswehr genauso arbeiten wie die interessierte Bevölkerung. Die Staatsregierung lehnt eine solche Veröffentlichungsregelung aber bisher ab.

Umgekehrt sollten wir aber auch die Hochschulautonomie respektieren, die es Hochschulen und Forschungseinrichtungen erlaubt, sich selbst Zivilklauseln zu geben. Wissenschaftseinrichtungen, die nach gründlicher Diskussion eine Zusammenarbeit im Militär- und Rüstungsbereich ablehnen, wollen wir nicht dazu zwingen. Bereits jetzt gibt es Möglichkeiten für die Bundeswehr, Forschung zu betreiben und anzustoßen, und andererseits für Forschende, mit der Bundeswehr zu kooperieren.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine verlangt uns ein Umdenken und eine Zeitenwende ab. Gleichzeitig ist Hochschulautonomie ein wichtiges Gut mit Verfassungsrang, das uns von autokratischen Staaten unterscheidet. Statt eines Kooperationszwangs braucht es ein Ermöglichungsprogramm, das Forschenden eine Zusammenarbeit leichter macht. Unsere Vorschläge für einen einfacheren Zugang zu Forschungsergebnissen werden seit Jahren von CSU und Staatsregierung abgeblockt. Anstatt also Kooperationszwänge zu verhängen, sollte man diese Maßnahmen angehen.

 

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