JA
Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat
Die anhaltende Kritik von Zivilgesellschaft, Ärzt*innen, Wissenschaftler*innen und Jurist*innen untermauert unsere Forderung nach umgehender Abschaffung der Ankerzentren. Die beschleunigten Verfahren sind, auch wegen des erschwerten Zugangs zu Beratung und anwaltlicher Vertretung extrem fehlerhaft. Dies führt zu einer höheren Zahl an Klageverfahren. Die Folge: Die Verfahren dauern oft länger statt kürzer. Die Staatsregierung kann ihr Versprechen auf schnelle Verfahren nicht halten.
Das Konzept Ankerzentren mit der veranschlagten Aufenthaltsdauer von 18 Monaten geht damit völlig an der Realität des Asylverfahrens und den dafür geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen vorbei. Die Behandlung der Bewohner*innen geht auf Kosten von Humanität und Menschenrechten. Isolation, Entrechtung und menschliches Leid sind das Merkmal der Ankerzentren.
Es gibt kaum Rückzugsmöglichkeiten. Nächtliche Ruhestörungen, auch durch Abschiebeversuche, sind die Regel, Schlafstörungen sind die Folge. Die eingeengten Lebensbedingungen, die Perspektivlosigkeit sowie das Unterbinden jeder Form sinnvoller Beschäftigung in den Ankerzentren fördern das Auftreten von psychischen Leiden. Die schlechten hygienischen Bedingungen und die eingeschränkte ärztliche Versorgung begünstigen Erkrankungen – die Leidtragenden sind hier vor allem die Kinder. Ärzt*innen warnen vor nicht absehbaren Folgeschäden und Entwicklungsstörungen. Das vorrangig verfolgte Sachleistungsprinzip und die Abhängigkeit von Kantinenessen beschneidet die Selbstbestimmung der Personen und entmündigt sie. Die Geldleistungen betragen rund 80 bis 120 Euro. Damit kann kein Anwalt bezahlt werden. Schikanen oder Übergriffe durch die Security werden meist nicht verfolgt. Es herrscht vielerorts eine Atmosphäre der Angst und der Einschüchterung. Wer hier schließlich rauskommt, ist oft gebrochen und demoralisiert. Keine gute Voraussetzung für eine gelingende Integration.
NEIN
Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister
Nein, die Ankerzentren wieder abzuschaffen wäre der völlig falsche Weg! Gut ein Jahr nach der Umwandlung der Erstaufnahmeeinrichtungen in Anker-Einrichtungen können wir vielmehr sagen: Die Anker-Einrichtungen haben sich hervorragend bewährt. Asylverfahren sind im Freistaat schneller und effizienter geworden. Am erfolgreichen Anker-Konzept halten wir daher fest.
Schnelle Asylverfahren sind wichtig, so erhalten die Betroffenen schnell Klarheit über ihre Bleibeperspektive. Eine Beschleunigung haben wir erreicht durch die Bündelung aller maßgeblichen Akteure (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Verwaltungsgerichte, Ausländerbehörden und der Bundesagentur für Arbeit) in den Anker-Einrichtungen. Bei Neuverfahren im Anker-System liegt die durchschnittliche Asylverfahrensdauer mittlerweile bei durchschnittlich zwei Monaten.
Für knapp ein Drittel aller Asylantragsteller – und zwar jene mit positivem Bescheid – ist das Verfahren im Schnitt sogar unter zwei Monaten positiv beendet. Diese Menschen dürfen die Anker-Einrichtung sofort verlassen. So können wir bei diesen Anerkannten schneller die Weichen in Richtung Integration stellen.
Wen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dagegen ablehnt, wollen wir möglichst direkt aus den Anker-Einrichtungen in seine Heimat zurückführen. So oder so: Eine schnelle Entscheidung ist immer von Vorteil.
Entgegen falscher Vorurteile leistet der Freistaat Bayern auch sehr viel für eine humane Unterbringung der Menschen in den Anker-Einrichtungen. Unser spezieller Fokus liegt dabei auf den Kindern und besonders Schutzbedürftigen. Großen Wert lege ich auch auf die Sicherheit in und um die Anker-Einrichtungen. Aus diesem Grund haben wir die dortigen Sicherheitsdienste kräftig aufgestockt, seit 2018 von knapp 400 auf derzeit über 500 Mitarbeiter.
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