Politik

04.07.2024

Sollen ukrainische Flüchtlinge, die Arbeit ablehnen, ausgewiesen werden?

Die Forderung, nach Deutschland geflüchtete Menschen aus der Ukraine wieder auszuweisen, wenn sie sich weigern, Arbeit anzunehmen, hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt viel Kritik eingebracht. Tobias Matthias Peterka, rechtspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, gibt Dobrindt in dem Punkt recht, wenn er auch generell die Asylpolitik der CSU kritisiert. Jamila Schäfer, Vorsitzende der bayerischen Grünen-Landesgruppe im Bund, hält dagegen gar nichts von dem Vorstoß

JA

Tobias Matthias Peterka, rechtspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag

Die AfD hat als einzige Fraktion im Bundestag sowohl das Bürgergeld-Gesetz als auch den sogenannten Rechtskreiswechsel, mit dem Ukrainer sofort als schutzberechtigt gelten und damit von Anfang an Anspruch auf Bürgergeld oder Sozialhilfe haben, abgelehnt. Die Forderung von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nach einer Ausweisung von Ukrainern bei Weigerung, eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen, ist scheinheiliger Populismus, wenn man selbst wie die Union hinter dem Urproblem der Massenmigration steckt.

Richtigerweise müsste man den Rechtskreiswechsel und das Bürgergeld-Gesetz rigoros zusammenstreichen. Wir fordern eine aktivierende Grundsicherung in Form sogenannter Bürgerarbeit sowie eine grundlegende Reform der Mindestsicherungssysteme (SGB II und SGB XII).

Letzteres hat die AfD-Fraktion in ihren Anträgen zur Drucksache 20/10609 (Soziale Mindestsicherung effektiv organisieren – Bürgergeld auf Arbeitsvermittlung fokussieren) vom 12. März 2024 und zur Drucksache 20/3943 (Aktivierende Grundsicherung statt bedingungslosem Grundeinkommen – Einführung von Bürgerarbeit) vom 12. Oktober 2022 vorgeschlagen. Langfristige Transferbezüge müssen vermieden werden und nicht durch ideologische Rechtsetzung noch gefördert werden.

Tatsache ist, dass eine deutliche Mehrheit der Bürgergeld-Bezieher in Deutschland über einen Migrationshintergrund verfügt, so die Bundesagentur für Arbeit. Bundesweit liegt ihr Anteil an allen Beziehern bei 63,1 Prozent. Das Bürgergeld hat eine fatale Anreizwirkung und stellt eine Diskriminierung aller Erwerbstätigen dar. Die gesamtgesellschaftliche Leistung all jener, die arbeiten, wird herabgewürdigt.

Fortgesetzte Verstöße hiergegen müssen in einem wehrhaften Staat auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben. Es ist nun aber an der Regierung, eine Rechtslage zu schaffen, die Arbeitsleistung belohnt und Arbeitsverweigerung auf Kosten der Allgemeinheit unterbindet.
 

NEIN

Jamila Schäfer, Vorsitzende der bayerischen Grünen-Landesgruppe im Bund

Alexander Dobrindt erzeugt den Eindruck, ukrainische Geflüchtete seien Sozialschmarotzer, die lieber auf der faulen Haut liegen. Das ist gefährliche Desinformation, die kein praktisches Integrationsproblem löst. Die „Bösen“ sind in Dobrindts Narrativ nicht mehr russische Kriegsverbrecher, sondern vermeintliche ukrainische Sozialschmarotzer. Wem könnte das mehr gefallen als dem Putin-Regime, das durch seine hybride Kriegsführung jeden Tag versucht, die Solidarität des Westens mit der Ukraine zu brechen?

Es ist richtig, dass die Arbeitsmarktintegration von ukrainischen Geflüchteten in anderen europäischen Ländern besser funktioniert. Das ist sowohl bei Ländern mit höheren Sozialleistungen als in Deutschland der Fall (Dänemark), als auch in Ländern mit weniger hohen Sozialleistungen als in Deutschland (Polen). Was Länder wie Dänemark und Polen gemeinsam haben: Sie bringen ukrainische Geflüchtete schneller in Arbeit durch eine unbürokratische Arbeitsmarktintegration. In Deutschland müssen Geflüchtete aus der Ukraine dagegen viel mehr bürokratische Hürden überwinden, um einen Job annehmen zu können. Sie müssen teils monatelang auf einen Platz in einem Integrations- und Sprachkurs und auf die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse warten, bis sie sich auf einen Job bewerben können. 

Insbesondere Frauen mit kleinen Kindern haben dabei noch zusätzliche Schwierigkeiten, weil der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen und digitalen Kursangeboten zu noch längeren Wartezeiten beim Absolvieren von Sprach- und Integrationskursen führt. 80 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge sind Frauen mit Kindern. 70 Prozent von ihnen sind Alleinerziehende.

Statt also Putins Narrative zu bedienen, sollten wir Politiker praktische Probleme lösen und die Arbeitsmarktintegration digitalisieren und entbürokratisieren. Gerade in Bayern könnte die CSU viel tun für die schnellere Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Das würde unsere Sozialsysteme wirklich entlasten und die Wirtschaft stärken. 
 

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