Politik

Durch Martin Aufmuths Ein-Dollar-Brille können nicht nur Kinder in Malawi wieder sehen. (Foto: BSZ)

07.12.2018

Sozial und genial

Beim Bundeswettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ stammen zwölf der 100 Preisträger aus Bayern

Geschickt biegt Martin Aufmuth in Burkina Faso mit einer speziellen Biegemaschine den Draht zurecht. Anschließend knipst er zwei Kunststoffgläser in den Rahmen und zieht einen kleinen Schlauch darüber – fertig ist die Sehhilfe. Materialkosten: ein Dollar. „Wir versuchen, die rund 700 Millionen Fehlsichtigen auf dieser Welt mithilfe einer Brille wieder aktiv am Leben teilzunehmen zu lassen“, erklärt der 44-jährige Vereinsgründer. Was für Bewohner der Nordhalbkugel nach einer Selbstverständlichkeit klingt, ist für Menschen in Entwicklungsländern schlichtweg unbezahlbar. Dadurch können sie nicht lernen, arbeiten und für ihre Familie sorgen. Mit der Ein-Dollar-Brille möchte der Immenstädter dazu beitragen, den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen. Ziel ist eine kontinuierliche und finanziell unabhängige augenoptische Grundversorgung in Entwicklungsländern.

Für das Engagement wurde der Verein aus Erlangen vor Kurzem beim bundesweiten Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ prämiert. Ausgeschrieben hat den jährlich stattfindenden Wettbewerb die Bundesregierung. Unter dem Motto „Welten verbinden – Zusammenhalt stärken“ wurden 100 von 1500 eingereichten innovativen Projekten aus ganz Deutschland gewürdigt – darunter zwölf aus Bayern. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) lobte bei der Preisverleihung die genialen Ideen und den Mut derPreisträger, diese auch umzusetzen. „Sie sind Vorbild und Motivator für andere.“

Ein weiterer Preisträger ist Thriving Green aus Regensburg. 2016 sah der heutige Geschäftsführer Alexander Zacharuk eine Dokumentation über die Turkana-Region in Kenia. Das Land ist aufgrund von Hitze, Trockenheit und dem extrem salzigen Grundwasser landwirtschaftlich nicht nutzbar, viele Menschen leiden an Mangelernährung. „Es gibt doch Organismen, die unter den extremsten Bedingungen leben können“, dachte sich Zacharuk. „Warum also nicht auch dort?“ Gesagt, getan. Seitdem baut die Studierenden-Initiative gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort die Mikroalge Spirulina an. Sie gilt als Superfood. Damit schafft Thriving Green eine neue nachhaltige Lebensgrundlage für die Menschen, urteilte die Jury.

Doch das Wettbewerbs-Motto bezieht sich nicht nur auf Entwicklungsländer. So hat etwa das Augsburger Unternehmen GBS German Bionic Systems einen Assistenzroboter entwickelt. Das Mensch-Maschine-System kombiniert menschliche Intelligenz mit maschineller Kraft und verbindet so Welten. So sollen das Risiko von Erkrankungen durch Überlastungen und damit auch Arbeitsausfälle verhindert werden. „Wir wollen Menschen unterstützen – und nicht überflüssig machen“, betont ein Sprecher. Das Exoskelett ist bereits in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Einsatz. Vom neuen Büro in Tokio aus soll jetzt der asiatische Markt erobert werden.

Superfood in der Wüste

In München verbindet die soziale Zeitarbeitsfirma Social-Bee Arbeitgeber und Geflüchtete. Die Start-up-Gründerin Zarah Bruhn wollte nach der großen Willkommenskultur am Münchner Hauptbahnhof 2015 langfristig helfen. Da für sie die Integration über den Arbeitsmarkt der beste Weg zur Integration ist, stellen sie und ihr Team Flüchtlinge an, bilden sie sowohl fachlich als auch sprachlich weiter und vermitteln sie an Partnerunternehmen. Über 130 Menschen kamen so schon in Lohn und Brot, fast ein Drittel davon wurde in eine Direktanstellung übernommen oder konnte in langfristige Arbeitsverhältnisse vermittelt werden. Zukünftig sollen neben den Büros in München und Stuttgart weitere Standorte in ganz Deutschland eröffnet werden.

Gleich vier Welten miteinander verbinden die Forscher des Bayerisches Geoinstituts (BGI), das zur Uni Bayreuth gehört. Zum einen kombinieren sie zwei Wissenschaftszweige, die unterschiedlicher nicht sein können: die Hochdruckforschung und die kernmagnetische Resonanzspektroskopie. Zum anderen untersuchen sie einerseits den Druck im Erdinneren und andererseits Gesteinsproben aus dem All. Die innovative Forschungsmethode soll dazu beitragen, die Entstehung der Erde zu verstehen. Einfache Antworten darauf gibt es aber noch nicht. „Die Forschung dazu und die Ergebnisse füllen ganze Bibliotheksregale, etliche Forschergenerationen beschäftigen sich damit“, erklärt BGI-Mitarbeiter Thomas Meier.

Aus Schweinfurt kommt ein Werkzeug für Plagiatsjäger. Mithilfe einer App des Automobil- und Industriezulieferers Schaeffler kann die Echtheit von sicherheitsrelevanten Maschinenteilen überprüft werden. Dadurch soll Produkt- und Markenpiraterie ein Riegel vorgeschoben und Menschen vor schadhaften Erzeugnissen geschützt werden. Die OriginCheck App wird weltweit von Behörden, Händlern und Kunden genutzt. Zukünftig sollen nicht mehr die Etiketten mit einem Data-Matrix-Code versehen werden, sondern die Produkte direkt – „sofern dies technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist“, erklärt eine Sprecherin.

Ein weiterer Gewinner ist ParkHere aus München. Durch einen energieautarken Sensor erleichtert die Firma die Parkplatzsuche und entlastet dadurch den städtischen Verkehr. Das Konzept ist bereits jenseits der bayerischen Landesgrenze im Einsatz. Außerdem ausgezeichnet wurde GlobalMatch aus Gablingen. Über ein Online-Portal hilft der Verein, Tandempartner aus aller Welt zur Ideenverwirklichung zu finden – zum Beispiel in der HIV-Forschung. Die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg hat eine günstige Filtermethode entwickelt, damit Menschen in Afrika ihr eigenes Trinkwasser herstellen können. Die Münchner Firmen Userlane und rfrnz machen Software für Anwender verständlich beziehungsweise erleichtern Juristen die Vertragsprüfung. Und die Münchner Finanzierungsagentur FASE verbindet Sozialunternehmen und Investoren.

Alle Sieger haben übrigens eines gemeinsam: Sie erhalten kein Preisgeld, obwohl das Projekt eine Initiative der Bundesregierung mit Förderern aus der Wirtschaft ist. Schade eigentlich.
(David Lohmann)

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