Die bayerische Staatsregierung hat die Pläne für eine neue Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Impfung von Jugendlichen ab zwölf Jahren begrüßt. "Endlich!", schrieb Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag auf Twitter. "Die Stiko empfiehlt die Impfung für Schüler ab 12. Das ist für den Schulstart wichtig."
Söder kritisierte allerdings, dass die Entscheidung nicht früher gefallen sei. "Leider haben wir viel Zeit verloren", betonte er. "Umso schneller sollte jetzt das Impfangebot erfolgen."
Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) rief Eltern und Jugendliche auf: "Lassen Sie sich und Ihre Kinder jetzt impfen". Es stehe genügend Impfstoff zur Verfügung. "Umso mehr Kinder und Jugendliche geimpft sind, umso sicherer können wir auch in das kommende Schuljahr starten", sagte er.
Die Stiko hatte sich am Montag dafür ausgesprochen, eine Corona-Impfung nun auch für alle Kinder und Jugendlichen von zwölf Jahren an aufwärts zu empfehlen. Die Auswertung neuer wissenschaftlicher Daten habe ergeben, dass der Nutzen einer Impfung die Risiken deutlich übersteige. Dazu Fragen und Antworten:
Warum kommt die Empfehlung so lange nach der Impfstoff-Zulassung?
Dass ein Impfstoff zugelassen ist, muss nicht bedeuten, dass er auch für Jedermann an jedem Ort von Nutzen ist. Da Kinder und Jugendliche ein relativ geringes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben, wollte die Stiko mögliche Risiken genau prüfen, wie Mitglieder wiederholt erklärten. Die Fachleute aus verschiedenen Disziplinen sahen auch nach der Zulassung noch Wissenslücken, weil zunächst relativ wenige junge Probanden geimpft worden waren. Etwaige seltene Nebenwirkungen der neuen mRNA-Impfstoffe hätten da kaum auffallen können. Auch mit der kurzen Nachbeobachtungszeit argumentierten die Fachleute.
Was ist jetzt anders?
Mehrere Dinge: Mit der nun auch in Deutschland vorherrschenden Delta-Variante des Virus sei laut Modellierungen von einem "deutlich höheren Risiko" einer Corona-Ansteckung auszugehen, schreibt die Stiko. Hinzu kommt, dass es viel mehr Erfahrungen mit der Impfung gibt, im amerikanischen Impfprogramm etwa seien nahezu zehn Millionen Kinder und Jugendliche immunisiert worden. Die Beobachtungen und Daten hat die Stiko ausgewertet. Sie kommt nun zu dem Schluss, dass die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von "sehr seltenen Impfnebenwirkungen" überwiegen.
Um welche Nebenwirkungen geht es?
Um Herzmuskelentzündungen, die vor allem bei geimpften Jungen auftreten. Dies müsse als Impfnebenwirkung gewertet werden, erklärte die Stiko. Die Mehrzahl der Betroffenen sei im Krankenhaus behandelt worden, habe aber einen unkomplizierten Verlauf gehabt. Kinderarzt und Stiko-Mitglied Martin Terhardt sprach vergangene Woche davon, dass Jungs nach der Zweitimpfung das höchste Risiko von 1 zu 16 000 hätten. Aber auch Covid-19 könne das Herz in Mitleidenschaft ziehen. Laut Stiko traten bisher keine Signale für weitere schwere Nebenwirkungen auf.
Wie stark fallen Impfreaktionen bei Minderjährigen aus?
Beschwerden nach dem Piks ähneln bei den für die Altersgruppe zugelassenen mRNA-Impfstoffen (Pfizer/Biontech und Moderna) denen von Erwachsenen: Erfasst wurden zum Beispiel Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen, Fieber. Die Schwere wurde bei der Zulassung als mild bis moderat beschrieben. Die Beschwerden bessern sich demnach binnen weniger Tage.
Welche Bedeutung hat die angekündigte Aktualisierung?
Am Montag machte die Stiko zunächst Kernpunkte des Beschlussentwurfs bekannt, Bundesländer und Fachkreise können nun noch Hinweise einbringen. Die offizielle Empfehlung, die in der Regel eine ausführliche Begründung enthält, könnte noch diese Woche erscheinen. Daran orientieren sich insbesondere Ärztinnen und Ärzte, manche impfen streng nach Stiko-Rat. Auch ein großer Teil der Eltern dürfte sich laut einer aktuellen Umfrage danach richten.
Ist die Stiko vor der Politik eingeknickt?
Wochenlang hat sich das Gremium gegen Kritik und offene Mahnungen von Politikern gewehrt, denen es mit einer allgemeinen Impfempfehlung nicht schnell genug ging. "Es wird viele geben, die nun glauben, dass die Änderungen in der Empfehlung mit dem politischen Druck auf die Stiko zusammenhängen. Das ist objektiv Unsinn", sagte Stiko-Chef Thomas Mertens den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Was bedeutet das Votum der Stiko für die Impfkampagne?
Die Impfungen könnten jetzt stärker Fahrt aufnehmen - in einer Altersgruppe mit aktuell hohem Infektionsgeschehen. Mehr als eine Million Kinder zwischen 12 und 17 Jahren sind allerdings ohnehin schon mindestens einmal geimpft, rund 24 Prozent dieser Altersgruppe. Vollständig geimpft sind rund 15 Prozent. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) machte umgehend klar: "Wenn gewünscht, kann eine Impfung diese Woche noch stattfinden." Impfstoff für alle ist laut Bund da, leicht buchbare Termine soll es ebenfalls geben.
Was bedeutet die Entscheidung für die Schulen?
Bund und Länder haben natürlich auch den Schulstart nach den großen Ferien im Blick. Kindern soll nach den vielen Einschränkungen in der Pandemie möglichst ungeschmälert Unterricht ermöglicht werden. Zumindest für einige kommt die neue Position der Stiko nun recht spät: In drei Ländern läuft der Unterricht schon wieder, im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen enden die Ferien an diesem Dienstag. Die Bundesregierung machte erneut klar, dass es um ein Angebot gehe und Impfen nicht Bedingung für den Schulbesuch sei. Auch die Stiko sprach sich ausdrücklich dagegen aus, eine Impfung bei Kindern und Jugendlichen zur Voraussetzung für soziale Teilhabe zu machen. Allerdings können geimpfte Kinder zum Beispiel von der Testpflicht an Schulen ausgenommen sein.
Werden die Kinder-Impfungen zum Erreichen von Herdenimmunität gebraucht?
Die Hoffnung auf Herdenimmunität hat sich wegen der deutlich ansteckenderen Delta-Variante ziemlich zerschlagen. Es geht beim Impfen mittlerweile vor allem um den Schutz des Einzelnen vor schwerem Verlauf und Tod - und bei Kindern auch vor den offenkundigen Pandemie-Belastungen: Die Stiko schreibt explizit, die Empfehlung ziele in erster Linie auf den direkten Schutz der geimpften Kinder und Jugendlichen vor Covid-19 und den damit verbundenen "psychosozialen Folgeerscheinungen" ab.
(dpa)
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