Politik

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei seiner Regierungserklärung im bayerischen Landtag. (Foto: dpa/Christoph Trost)

29.11.2024

Streit statt Debatte

In seiner Regierungserklärung arbeitete sich Hubert Aiwanger (Freie Wähler) an den Fehlern der Ampel ab. Die Opposition beklagt mangelnde konkrete Vorschläge des Wirtschaftsministers für Bayern

Die Landtagsdebatte zur Regierungserklärung des zuständigen Ministers über die Wirtschaftspolitik lief schon eine ganze Weile, da stellte der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn die entscheidende Frage: „Was waren die konkreten Vorschläge von Hubert Aiwanger?“ Wissen wollte er das vom Fraktionschef der Freien Wähler, Florian Streibl, der die Ausführungen Aiwangers gerade zum allgemeinen Erstaunen als „historischen Meilenstein“ gewürdigt hatte. Für seine Antwort nutzte Streibl dann aber nicht einmal die eine Minute aus, die ihm die Geschäftsordnung dafür gewährt hätte. Was hätte er auch groß sagen sollen?

Eine knappe Stunde hatte Aiwanger geredet. Er beklagte einmal mehr die schlechte Wirtschaftspolitik der verblichenen Ampel und deren Auswirkungen auf Unternehmen, Arbeitsplätze und Wohlstand, verwies auf die wachsende Konkurrenz aus China und den Protektionismus der USA und kam zu dem Fazit: „Die Großwetterlage ist alles andere als rosig, gleichzeitig erlaubt sich Deutschland, keine Lösungen für die Herausforderungen anzubieten.“ Wer nun ein Feuerwerk der Ideen zur Unterstützung wenigstens der bayerischen Wirtschaft erwartet hatte, wurde enttäuscht. Oder wie SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer später sagte: „Eine klare Wirtschaftsstrategie für Bayern habe ich in der Regierungserklärung vermisst.“

Ganz blank war Aiwanger natürlich nicht. Er zählte den jüngst beschlossenen Transformationsfonds für die Autobranche auf, die verbesserte Unterstützung für junge Unternehmensgründer, die Initiative zum Bürokratieabbau und den neuen Schwung beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Neu war daran nichts. Stattdessen benannte er noch einmal alle echten und vermeintlichen Ampel-Fehler und arbeitete sich am grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ab. Es schien, als übe Aiwanger schon für den Bundestag, in den er mit seinen Freien Wählern nach den Neuwahlen im Februar einziehen möchte.

Konkret wetterte Aiwanger gegen die Fehlanreize beim Bürgergeld, das geplante Verbrenner-Aus und den lähmenden Vorschriftenwust für Unternehmen, der Investitionen behindere. „Bis bei uns ein Unternehmen das Haselmausgutachten für seinen Erweiterungsbau vorliegen hat, ist in China die Fabrik längst gebaut“, führte Aiwanger ebenso exemplarisch wie treffend aus.

Unfreiwillig komisch geriet seine Passage über die Energiepolitik. Beim Ausbau der Erneuerbaren habe Bayern inzwischen ein „Luxusproblem“, weil der viele Wind- und Sonnenstrom mangels Netzausbau kaum mehr eingespeist werden könne. Dabei hatte Aiwanger selbst noch vor zehn Jahren an vorderster Front gegen „Monstertrassen“ gekämpft und Leitungsausbau für unnötig gehalten, was ihm Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze genüsslich unter die Nase rieb.

„Bis bei uns alle Gutachten vorliegen, hat China die Fabrik längst gebaut“

Im Wahlkampfstil verlief auch die Debatte zur Aiwanger-Rede. Das begann mit Ingo Hahn (AfD), der jeglichen Wirtschaftsbezug unterließ und lieber über Wassercent und Bürgerbegehren redete. Was ihn aber nicht davon abhielt, Aiwanger für dessen Inhaltsleere zu kritisieren. Die Grüne Schulze sagte, Populismus und Schimpfen auf die Ampel sei noch keine Wirtschaftspolitik. Dann verwendete sie einige Redezeit dafür, den grünen Kanzlerkandidaten Habeck zu loben und zu verteidigen.

Am nächsten beim Thema war SPD-Fraktionschef Grießhammer. Womöglich lag das daran, dass er als Handwerksmeister einschlägige Wirtschaftserfahrungen vorweisen kann. Immerhin legte er sechs Punkte vor, wie der Wirtschaft in Bayern auf die Beine geholfen werden könne. Zum Beispiel mit höheren Hilfen für die anstehende Transformation, der Beschleunigung von Energiewende und Netzausbau, der Stärkung von Aus- und Weiterbildung und einer temporären Lockerung der Schuldenbremse, um dringend erforderliche Infrastrukturinvestitionen anzuschieben. Und es brauche einen Minister, der nicht nur auf Berlin schimpfe, sondern sich aktiv um die bayerische Wirtschaft und ihre Unternehmen kümmere.

Zumindest Letzteres deutete auch CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek an, als er seine Bemühungen um den Erhalt der Arbeitsplätze beim Brillenglashersteller Rodenstock in Regen thematisierte. Aiwanger hatte im Sommer die Verlagerungspläne des Unternehmens nach Tschechien zunächst nur achselzuckend zur Kenntnis genommen. Zudem benannte Holetschek explizit eigene Handlungsmöglichkeiten des Freistaats bei Bürokratieabbau und Energiewende. In diesem Kontext schlug er die Einrichtung von Pilotregionen vor, in denen der weitreichende Abbau von Vorschriften per Feldversuch auf Praxistauglichkeit getestet werden könnte. Auch kein Meilenstein, aber zumindest ein mögliches Meilensteinchen. (Jürgen Umlauft)

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