Politik

An vielen Bahnhöfen auch in Bayern ist die Zahl der Gewaltdelikte in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. (Foto: dpa/Jens Büttner)

11.10.2024

Tatort Bahnhof

Die Kriminalität explodiert - Ermittler sind schockiert von der Brutalität

Das Opfer hatte Glück im Unglück. Vier Männer attackierten im September einen 25-Jährigen im S-Bahngeschoss des Münchner Hauptbahnhofs, schlugen mit einem Klappstuhl aus Metall auf ihn ein. Nur weil ein 22-jähriger Schondorfer beherzt dazwischenging, kam der 25-Jährige mit leichteren Blessuren davon.

Gewalttaten häufen sich am Münchner Hauptbahnhof. Diese Woche überfiel dort ein Mann einen Laden. Auf seiner Flucht streckte der Räuber einen Mitarbeiter mit einem Faustschlag nieder. Verzeichnete die Bundespolizei 2019 am Hauptbahnhof noch 1610 Straftaten, waren es im vergangenen Jahr mit 3540 mehr als doppelt so viele. Alarmierend: Die Zahl der Gewaltdelikte zog in dem Bahnhof in nur vier Jahren von 361 auf 568 um 57 Prozent an.

Besonders krasser Anstieg der Deliktzahlen in Regensburg

Die Staatszeitung fragte auch die Deliktzahlen der Hauptbahnhöfe in Nürnberg, Regensburg und Augsburg ab. Überall gab es Anstiege, teils dramatische. In Augsburg verzeichnete die Bundespolizei in nur vier Jahren ein Plus von 38 Prozent an Straftaten, in Nürnberg betrug der Zuwachs ein Drittel.

Eine enorme Steigerung registrierten die Sicherheitsbehörden am Regensburger Hauptbahnhof. Die Zahl der Straftaten legte dort innerhalb von vier Jahren um 165 Prozent auf 1175 zu, und die Zahl der Gewaltdelikte verdoppelte sich im gleichen Zeitraum von 78 auf 155. Daten für die Zeit vor 2019 sind wegen einer Umstellung bei deren Erfassung nach Angaben der Bundespolizei „nicht auswertbar“. Sogenannte Massendelikte wie Schwarzfahren sind laut Polizeisprecher in der aktuellen Statistik nicht eingerechnet.

Ermittler schockiert die zunehmende Brutalität. „Da wird nicht aufgehört, wenn einer am Boden liegt“, sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Immer öfter würden auch Polizisten attackiert, berichtet deren Landeschef Jürgen Köhnlein Er spricht von einer „Verrohung in Teilen der Gesellschaft“.

Münchens OB warnt vor „Verwahrlosungstendenzen“

Woran liegt der Kriminalitätsanstieg? Ein Sprecher der Bundespolizei sagt, dies könne „je nach Bahnhof verschiedene Ursachen haben“. In Regensburg etwa spielten „Ladendiebstähle durch nordafrikanische Migranten eine große Rolle“. Auf die Frage, ob Zugewanderte an anderen Bahnhöfen mitverantwortlich für den Anstieg seien, wollte er sich nicht äußern. Eine Anfrage zum Ausländeranteil an den Delikten sowie dem Anteil an Straftätern aus den Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen blieb zunächst unbeantwortet.

Zumindest Gewerkschaftsmann Wendt ist überzeugt, dass „der Anstieg im Wesentlichen auf Zuwanderer zurückgeht“. Flüchtlinge seien in der Kriminalstatistik deutlich überrepräsentiert. Die Polizei habe es an den Bahnhöfen oft mit einer Klientel zu tun, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecke. „Und es wird noch schlimmer werden.“

Klar ist: Auch das Umfeld der großen bayerischen Bahnhöfe ist oft ein Kriminalitäts-Hotspot. Münchens Rathauschef Dieter Reiter (SPD) warnte angesichts gestiegener Deliktzahlen vor „Verwahrlosungstendenzen“ rund um den Hauptbahnhof. Viele Menschen meiden mittlerweile den Alten Botanischen Garten in der Nähe des Bahnhofs. Ende September verprügelte ein 30-Jähriger dort einen 57-Jährigen; das Opfer starb.

Auch in Nürnberg oder Regensburg seien die Bahnhofsviertel Brennpunkte, so Gewerkschaftschef Köhnlein. In Regensburg drangsalierten tunesische Banden Geschäfte und klauten massenhaft Waren (BSZ berichtete).

Außerhalb des Freistaats ist die Situation oft noch schlimmer. So nannte eine britische Zeitung das Frankfurter Bahnhofsviertel unlängst den „gefährlichsten Slum Deutschlands“.
Die Politik ist alarmiert. Christiane Feichtmeier, Innenexpertin der SPD-Landtagsfraktion, fordert den Freistaat auf, mehr Polizisten auszubilden. „Bis diese einsatzfähig sind, sollte unser Ziel sein, das vorhandene Personal in der Arbeit am Schreibtisch zu entlasten.“ Sie wünscht sich mehr Prävention, etwa den Einsatz von Streetworkern.

Zudem könne es helfen, Vorplätze oder umliegende Parkanlagen anders zu gestalten. Ein Sprecher des CSU-geführten bayerischen Innenministeriums sagt: „Unsere Polizeipräsidien haben die Kriminalitätslage im Umfeld von Bahnhöfen sehr genau im Blick.“ Dabei arbeite die Landespolizei eng mit der Bundespolizei zusammen, die für die Sicherheit in den Bahnhöfen selbst zuständig ist. „Wo notwendig, wird die Bayerische Polizei die Präsenz erhöhen.“

Der Freistaat hat laut Innenministerium zwischen 2008 und 2023 rund 8000 zusätzliche Polizeistellen geschaffen. Bis 2028 sollen 2000 weitere hinzukommen. Das lobt auch Rainer Wendt. Doch er sieht Handlungsbedarf im Bund. „Die Bundespolizei benötigt dringend mehr Personal.“ Zudem brauche es eine bessere Videoüberwachung und mehr Abschiebungen. Immerhin: Mehrere tunesische Intensivtäter aus Regensburg wurden jetzt tatsächlich abgeschoben.
(Tobias Lill)

 

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