Politik

Bühne in der Bayerischen Staatsoper. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

24.09.2021

Theater im Pandemie-Stress

2G für freie Kunstschaffende, 3G für den Rest: Wie die Corona-Politik das Kulturleben in Bayern spaltet

Die neue Intendanz von Serge Dorny an der Bayerischen Staatsoper hat gerade erst begonnen, schon gibt es erste Konfliktpotenziale. Wie jetzt durchgesickert ist, gilt dort ab sofort für freie, externe Mitarbeiter*innen eine interne 2G-Regel. Sie müssen demnach genesen oder geimpft sein, um engagiert zu werden. Testungen reichen nicht mehr aus. Für fest angestellte Mitarbeiter*innen sowie für das Publikum gilt hingegen weiterhin das 3G-Prinzip.

Auf Nachfrage wurde dies von Michael Wuerges, dem neuen Direktor für Strategische Kommunikation und Presse am Haus, bestätigt. Demnach gilt die 2G-Regel für alle freien, externen Kräfte: am Staatsballett, der Staatsoper und dem Staatsorchester. Diese Regel sei bereits in Anwendung. Es gehe darum, so wird argumentiert, die Gesundheit der festen Belegschaft und des Publikums zu schützen. Wie viele andere Häuser bemerke man, dass das Stammpublikum noch sehr zögerlich sei. Aus diesem Grund sei man im Augenblick etwas strenger als gefordert.

Gleichzeitig betont Wuerges, dass diese Entscheidung nicht vom Intendanten allein gefällt wurde, sondern gemeinschaftlich: von der internen Corona-Taskforce sowie den Abteilungen im Haus. Dabei wird auch auf andere Häuser verwiesen, konkret auf die Wiener Staatsoper. Die jetzige 2G-Regel für Freie sei geprüft und an die Stadt München wie auch an das Kunstministerium gemeldet worden. Einwände habe es nicht gegeben.

Auf Nachfrage stellt das Kunstministerium fest, dass es diese 2G-Regel nicht angeordnet hat. „Nachgeordnete Behörden wie die Bayerische Staatsoper treffen die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Entscheidungen grundsätzlich in eigener Verantwortung“, heißt es. „Regelungen zum Arbeitsschutz fallen in den Verantwortungsbereich der Staatstheater und müssen demnach nicht vom Ministerium freigegeben werden.“

Ganz anders verhält sich das Gärtnerplatztheater: Alle werden gleich behandelt

Die Frage, warum auch keine Einwände geäußert wurden, lässt das Ministerium unbeantwortet. Genau das macht die Sache politisch brisant. Als Teil der Staatsregierung sind nämlich die Freien Wähler strikt gegen eine 2G-Regel. Im Freistaat gilt bislang das 3G-Prinzip.

Die interne Regelung an der Staatsoper kommt zum jetzigen Zeitpunkt, wenige Tage vor der Bundestagswahl, denkbar ungelegen.

In den vergangenen Wochen war das Kunstministerium bemüht, die Wogen in der Corona-Kulturpolitik zu glätten. So können kulturelle Einrichtungen nun selbst entscheiden, ob ihr Publikum mit Abstand von 1,5 Metern platziert wird oder Mindestabstände ganz wegfallen. Im ersten Fall fällt die Maskenpflicht für die Gäste weg, im zweiten müssen Masken getragen werden. „Wir geben damit ein großes Stück Entscheidungshoheit wieder zurück an die Veranstaltungsexperten vor Ort“, erklärt Kunstminister Bernd Sibler (CSU). „Sie wissen am besten, wie sie ihre Veranstaltungen zum Erfolg führen. Damit kommen wir der Normalität wieder deutlich näher, was mich sehr freut.“

Gleichzeitig hält das Kunstministerium an dem 3G-Prinzip für die Gäste fest. Diese Maßnahmen gelten laut Ministerium im gesamten Freistaat. Ausnahmen können bei den zuständigen Kreisverwaltungsbehörden beantragt werden.

Ob es zu einem neuerlichen Kultur-Lockdown kommt? Antwort des Kunstministeriums: „Solange der Impfstoff selbst bei neuen Virusmutationen wirkt, soll es keine dauerhaften Schließungen mehr geben.“ Ausdrücklich verweist man hier auf gleichlautende Aussagen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Mitgliedern der Bundesregierung.

Derweil diskutiert man im deutschen Kulturleben bereits eifrig darüber, ob nach der Wahl im Herbst eine allgemeine 2G-Pflicht für alle kommen könnte.

Die faktische Ungleichheit zwischen festen und freien Kunstschaffenden an der Staatsoper durch die partielle 2G-Regel wird von Jurist*innen indessen kontrovers diskutiert. Für Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), steht fest: „Die künstlerischen Betriebe stehen hier intern vor einer Zerreißprobe.“ Im Falle der Staatsoper wäre diese Zerreißprobe vermeidbar gewesen, denn: Man hätte zumindest genauso den freien, externen Kräften Testungen ermöglichen können, die sie allerdings selbst bezahlen müssten.

Die Freien Wähler toben

Der jetzige 2G-Zwang einzig für Freie hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Der Koalitionspartner Freie Wähler zeigt sich entsetzt. Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der FW-Landtagsfraktion, erklärt: „Menschen, die sich nicht impfen lassen können oder wollen, von ihrer Berufsausübung in staatlichen Einrichtungen auszuschließen, steht in krassem Widerspruch zur demokratisch festgelegten Linie im Freistaat und ist in meinen Augen ein absolutes Unding.“ Fraglos wird hier auf die Schwächsten gewaltiger Druck ausgeübt, obwohl gerade freie Kunstschaffende von der Pandemie besonders hart betroffen waren und sind.

Auch passt diese diskriminierende Praxis nicht zum freiheitlichen Menschenbild, für das Dorny künstlerisch eigentlich steht. Am benachbarten Gärtnerplatztheater gilt übrigens weiterhin für alle Kunstschaffenden die 3G-Regel. Eine derartige Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten käme hier nicht infrage, verlautet aus dem Theater. (Marco Frei)

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