Wir haben in Bayern eine neue, sehr dynamische und gute Kultusministerin, die große Hoffnungen und einen sehr guten Eindruck macht.“ Das Lob über Anna Stolz (Freie Wähler) äußerte Ministerpräsident Markus Söder auf der Winterklausur der CSU-Fraktion. Wie dynamisch die Ministerin sein kann, spürte Söder eine Woche später, als Stolz ihre Pisa-Offensive vorstellte und dabei weit über Vorschläge Söders hinausging. Noch mehr Deutsch und Mathe für die Grundschule, eine Reform von Lehrplan und Stundentafel – wobei Stolz Sport zum Tabu erklärte und Religion ausdrücklich nicht. Auf empörte Zwischenrufe aus der CSU reagierte Stolz selbstbewusst – leider vergeblich. Dass sie Lehrer- und Elternverbände stets frühzeitig in ihre Pläne einbezieht, kommt in der Schulfamilie gut an.
Wahrscheinlich kann man Florian Herrmann (CSU) auch nachts um drei aus dem Tiefschlaf holen und er hat diesen Satz ruckelfrei drauf: „Ein herzliches Grüß Gott zur Pressekonferenz nach der Sitzung des Bayerischen Ministerrats, die wie immer unter der Leitung von Ministerpräsident Dr. Markus Söder im Ministerratssaal der Bayerischen Staatskanzlei stattgefunden hat.“
Staatskanzleiminister Herrmann ist der wöchentliche Verkünder regierungsamtlicher Beschlüsse, nebenbei dient er zuletzt immer häufiger als emotionsgebremstes Alter Ego Söders, wenn der mal wieder von einem Auftritt seines Stellvertreters Hubert Aiwanger (FW) genervt ist und das staatstragend zum Ausdruck gebracht werden soll. Gelegenheit dazu gab es während der ersten 100 Tage reichlich.
Umweltminister Thorsten Glauber (FW) ist so etwas wie der Underperformer der vergangenen Monate. Auf seiner Terminliste standen: der Besuch des Landesgartenschaugeländes in Furth im Wald, die Ehrung der Gewinner im Wettbewerb „Natur im Fokus“, die Auszeichnung der „ÖkoKids“-Kitas oder der Startschuss für ein Hochwasserschutzprojekt an der Amper. Gut, Umweltthemen sind trotz Klimawandel und Nitratbelastung des Grundwassers gerade nicht so en vogue, alles wird von Wirtschaftsfragen überlagert. Aber genau das könnte ja die Stunde eines Umwelt-Mahners sein. Und die Zuständigkeit für die Veterinäraufsicht in Bayerns Ställen hat sich Glauber auch ziemlich lautlos nehmen lassen.
Demo-Hopping
Die Veterinäraufsicht liegt jetzt bei Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die sich außerdem den Bereich Tourismus gesichert hat, die Staatsforsten samt Jagd aber an Hubert Aiwanger abgeben musste. Der hatte es bei den Bauerndemos im Januar bestens verstanden, in Kanibers Revier zu wildern und sich als großer Bauernversteher zu gerieren. Die couragierte und bei den Landwirten angesehene Kaniber lästerte genervt über Aiwangers „Demo-Hopping“, wird aber wohl damit leben müssen, dass der Agrarbereich weiterhin auch von ihm bespielt wird.
Es hat schon mal mehr Spaß gemacht, bayerischer Finanzminister zu sein. Diesen Umstand kann Amtsinhaber Albert Füracker (CSU) nicht immer verbergen. Die Steuerquellen sprudeln nicht mehr, dafür steigen die Ausgaben an allen Ecken und Enden. Geräuschlos und in mühevoller Kleinarbeit hat Füracker den Doppelhaushalt 2024/25 gezimmert, der noch einmal ohne neue Schulden und tiefere Einschnitte auskommt. Als gelernter Landwirt weiß Füracker, dass es einem nach einer langen Schönwetterperiode auch mal ziemlich nass reingehen kann. Er kann damit umgehen. Wie man so hört, war das in den Haushaltsgesprächen nicht bei allen Ministerkolleg*innen so ausgeprägt. Seinen trockenen Humor hat Füracker trotzdem nicht verloren.
Joachim Herrmann (CSU) ist als dienstältester Landesinnenminister Deutschlands eine anerkannte Größe im Kabinett. Der 67-Jährige hat den Freistaat sicherheitspolitisch im Griff; laut Kriminalstatistik ist Bayern noch immer das sicherste Bundesland. Auch umstrittene Großveranstaltungen wie die kürzliche Sicherheitskonferenz in der Münchner Innenstadt laufen störungsfrei ab.
Markus Söder hatte Ulrike Scharf schon im Wahlkampf den Verbleib im Kabinett versprochen. Die CSU-Frau blieb Sozialministerin und rückte überraschend sogar zur Vizeministerpräsidentin auf, als zweite Stellvertreterin Söders nach Hubert Aiwanger (FW). Große inhaltliche Akzente hat sie bisher nicht gesetzt, dafür fällt die 56-Jährige mit regelmäßigen Verbalattacken gegen die Bundesregierung auf, etwa wegen des Bürgergelds.
Dass Christian Bernreiter (CSU) als Bauminister weitermachen durfte, war keine Überraschung. Es braucht Kontinuität an der Spitze dieses wichtigen Ministeriums, das seit seiner Gründung 2018 schon von vier verschiedenen Männern und Frauen geleitet wurde. Bernreiters Bilanz ist indes alles andere als berauschend. Nach wie vor ist nur ein kleiner Prozentsatz der einst versprochenen 10.000 neuen Wohnungen der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft Bayernheim gebaut.
Für Aiwanger bleibt’s heikel
Normalerweise gerät ein bayerischer Justizminister vor allem in den Fokus, wenn etwas schiefläuft. Das war vor der Landtagswahl einmal der Fall, nachdem gleich zwei Straftäter aus bayerischen Gerichten getürmt waren – und Georg Eisenreich (CSU) erklären musste, wie es dazu kommen konnte. Nach der Wahl sah sich der 53-Jährige erneut Kritik ausgesetzt, und zwar nach Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der Letzten Generation und einem falschen Warnhinweis der Staatsanwaltschaft auf der Internetseite der Vereinigung. Eisenreich kam dennoch wieder ins Kabinett, wo er in verschiedenen Funktionen schon seit 2013 sitzt.
Eric Beißwenger ist eines der wenigen neuen Gesichter im Kabinett. Doch der CSU-Politiker aus dem Allgäu agierte von Beginn an so in seinem neuen Amt, als wäre er schon jahrelang Europaminister. Als Biobauer kennt er natürlich auch bereits mehr EU-Verordnungen, als ihm lieb sein dürfte. Er kündigte gleich an, mehr Präsenz in Brüssel zu zeigen – was man auch als Kritik an seiner Vorgängerin Melanie Huml auffassen darf.
Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte gewiss den nervenaufreibendsten Wahlkampf aller Regierungsmitglieder hinter sich, als er nach der Vereidigung in seine zweite Runde als Wirtschaftsminister ging. Tatsächlich hatte die Flugblattaffäre dem FW-Chef mit Blick auf das Wahlergebnis keineswegs geschadet, im Gegenteil. Doch der Wind blies ihm weiterhin heftig ins Gesicht – aus Richtung Medien, Opposition und CSU. Die CSU war wütend, weil Aiwanger zwar auf vielen Bauerndemos, nicht aber im Landkreis Altötting zugange war, wo ein Streit über einen Windpark getobt hatte. Und ein Bürgerentscheid das Aus für einen Teil der Windräder erbrachte. Beim Politischen Aschermittwoch hielt sich Aiwanger auffallend bedeckt. Fürs Koalitionsklima mag das vorteilhaft sein, doch Bravsein ist so ziemlich das Letzte, was seine Fans von Aiwanger erwarten. Für ihn bleibt’s also schwierig.
Ressourcen geschickt eingesetzt
Der neue Digitalminister Fabian Mehring (FW) hat das kleinste Ressort mit den wenigsten Haushaltsmitteln, setzt seine Ressourcen aber geschickt ein. Fast täglich lässt er seine Presseabteilung Erfolge verkünden. Er selbst bescheinigt sich nach 100 Tagen einen „echten Senkrechtstart“. Tatsächlich schaffte es Mehring mit seiner Forderung nach einem Fax-Verbot in bayerischen Amtsstuben bundesweit in die Medien. Zu seinen nächsten Projekten zählt ein Digital-Check für neue Gesetze.
Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) hatte einen guten Start in die neue Legislaturperiode. Ministerpräsident Söder will Bayern zum führenden Standort für Biotechnologie, Quantentechnologie und Kernfusion ausbauen, weshalb Blumes Haushaltsbudget auf fast 9 Milliarden Euro stieg. Wer Gelder verteilen kann, macht sich viele Freunde. Weniger Freunde machte sich Blume mit der angekündigten Umsetzung von Söders Genderverbot an Hochschulen. Tausende Uni-Beschäftigte protestieren in einem offenen Brief dagegen, und Studierendenvertretungen erklärten, es gebe gar keinen Genderzwang an den Unis.
Die neue Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hat sich schnell eingearbeitet. Das bestätigten nach ihrer 100-Tage-Bilanz im Landtag auch Fachleute anderer Fraktionen. Geschätzt wird ihre uneitle Art und dass sie auch Vorschläge der Opposition ernst nimmt.
(D. Lohmann, T. Stark, W. Taschner, J. Umlauft)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!