Politik

Flüchtlingsräte lehnen Abschiebungen strikt ab. (Foto: dpa)

27.09.2024

Millionen vom Staat für umstrittene Helfer

Flüchtlingsräte kämpfen mit aus Sicht von Kritikern teils zweifelhaften Mitteln gegen Abschiebungen – dennoch fördert sie der Bund bis heute mit einer Millionensumme, wie Anfragen der BSZ ergaben. Die CSU würde das gerne ändern

Der Bayerische Flüchtlingsrat macht kein Geheimnis daraus, was er von Rückführungen illegal eingereister Migrant*innen hält: Er will, dass selbst Schwerstkriminelle nach Verbüßung ihrer Strafen im Land bleiben dürfen. In den Onlineangeboten der Flüchtlingsräte finden sich zahlreiche Tipps, wie abgelehnte Asylbewerber im Land bleiben können – etwa durch Atteste oder Kirchenasyl (die BSZ berichtete).

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen weist Flüchtlinge darauf hin, dass, wenn ein Kind der Familie nicht zu Hause ist, nicht abgeschoben werden darf. Und der Flüchtlingsrat NRW gibt zu bedenken, dass die Heirat mit einer Deutschen oder die Geburt eines Kindes eine anberaumte Abschiebung womöglich verhindern kann.

Aufruf zu Gewalt auf verlinkter Seite

Bei der Lektüre der Webseite des Bayerischen Flüchtlingsrats dürften sich bei mit Rückführungen konfrontierten Polizisten die Haare sträuben. Die Seite listet nicht nur Strategien gegen Abschiebungen auf. Auf einer verlinkten Seite wird erläutert, wie sich ein Migrant sogar noch im Abschiebeflieger wehren kann. Ein Video, das eine nachgestellte Abschiebung zeigt, ruft offen zur Gewalt auf. Falls nötig solle der Migrant gegen den ihn begleitenden Polizisten „körperlichen Widerstand leisten“, heißt es in dem Kurzstreifen. Passend zu diesen Worten ballt zeitgleich eine Stewardess die Fäuste.

Damit nicht genug: Als Beispiel für „erfolgreiche Verhinderungen von Abschiebungen“ wird ein Syrer aufgeführt, der die Polizei im Abschiebeflieger mit einer Nagelfeile bedrohte. Doch auch die Webseite des Bayerischen Flüchtlingsrats wirft Fragen auf. Denn dort werden Termine geplanter Sammelabschiebungen genannt. Darüber hinaus wird auf die Seite des Aktivistennetzwerks „No Border Assembly“ verlinkt. Dort werden anstehende Abschiebeflüge aufgelistet. Die Gruppierung wirft abschiebenden Airlines „Kollaboration mit dem deutschen Staat“ vor. Auch teilte No Border Assembly Berlin auf X einen Post, in dem davon schwadroniert wird, „die Systeme, die uns unterdrücken, zu zerschlagen“.

Gelder von drei Ministerien

Der Bayerische Flüchtlingsrat erklärt, seine Beratungen erfolgten „stets auf rechtsstaatlichen Grundsätzen“. Doch nicht nur das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge forderte in der Vergangenheit, die Veröffentlichung von Abschiebeterminen unter Strafe zu stellen. Unstrittig ist: Flüchtlingsräte helfen Geflüchteten in vielen Bereichen, geben etwa Schulungen. Doch auch andere Organisationen wie die Caritas unterstützen Schutzsuchende, ohne dabei aktivistisch aufzutreten.

Die Bundesregierung scheint sich nicht am Engagement der Flüchtlingsräte zu stören. Zwar verspricht insbesondere die SPD seit Längerem, die Zahl der Zurückweisungen illegal Eingereister zu erhöhen. Zugleich wurden Millionensummen an Flüchtlingsräte überwiesen. Die Staatszeitung fragte bei allen Bundesministerien an, ob sie Flüchtlingsräte mit staatlichen Mitteln fördern. Der Großteil der Häuser wie das Bundeswirtschaftsministerium betont, dass kein Fördergeld fließe.

Anders das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Dessen Angaben zufolge werden im Rahmen des Programms „WIR – Netzwerke integrieren Geflüchtete in den regionalen Arbeitsmarkt“ insgesamt acht Flüchtlingsräte gefördert. Für das Haushaltsjahr 2024 seien an die Flüchtlingsräte Bundesmittel in Höhe von 616.134 Euro und Mittel des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) in Höhe von 698.905 Euro bewilligt, teilt das BMAS mit. Macht insgesamt 1,32 Millionen Euro. 2023 wurden laut BMAS Bundesmittel in Höhe von gut 673.000 und ESF-Plus-Mittel in Höhe von 552.000 Euro, also insgesamt 1,22 Millionen Euro, bewilligt.

In der Zeit von 2018 bis 2022 wurden seitens des Sozialministeriums im Rahmen des Handlungsschwerpunkts IvAF nach eigener Aussage zudem elf Integrationsprojekte unter Beteiligung von Flüchtlingsräten unterstützt – dafür flossen fast 40 Millionen Euro an Bundes- und EU-Mitteln. Wie viel davon an die Räte ging, lasse sich jedoch nicht herausrechnen.

Es fließt oder floss zudem auch Geld anderer Ministerien an Flüchtlingsräte. Das Bundesfamilienministerium fördert das Projekt eines Flüchtlingsrats allein in diesem Jahr mit 79.000 Euro. 2023 unterstützte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehrere Flüchtlingsräte laut Bundesinnenministerium im Rahmen des Förderprogramms für die behördenunabhängige Asylverfahrensberatung mit 362.000 Euro. Zwischen 2018 und 2022 wurden die Räte dem Innenministerium zufolge zudem mit 4,5 Millionen Euro aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU gefördert.

Die CSU ist empört

In den Freistaat gehen ebenfalls Fördermittel. Beim Bayerischen Flüchtlingsrat heißt es, man finanziere sich über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Zuschüsse von Pro Asyl. „Weitere Finanzierungen kommen aus Projekten, etwa vom Bundesarbeits- und Sozialministerium zur Integration Geflüchteter in Arbeit und Ausbildung.“ Auch der Münchner Flüchtlingsrat erhielt laut Innenministerium im vergangenen Jahr rund 102.000 Euro an Fördergeldern für seine Asylverfahrensberatung.

Die CSU ist empört: Josef Zellmeier, Chef des Haushaltsausschusses im Landtag, fordert, die Zahlung von Fördermitteln an Flüchtlingsräte einzustellen. „Es darf nicht sein, dass staatliche Mittel an Organisationen gehen, die Tipps geben, wie man sich dem Rechtsstaat widersetzen kann.“ Dies gelte selbst dann, wenn ein Verein zugleich gute Angebote anbiete. Aufträge für Integrationskurse sollten künftig an andere Organisationen gehen. Der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Alois Rainer (CSU), betont: „Es ist ein Unding, dass die Ampel-Regierung solche staatsunterwandernden Strukturen fördert.“ 

Regierung weist Kritik zurück

Das Bundessozialministerium verweist hingegen darauf, dass die Fördervoraussetzungen „klar festgelegt sind und für alle Träger gleichermaßen gelten“. Das Bundesinnenministerium betont den Nutzen der Projekte. Die Asylverfahrensberatung solle „sicherstellen, dass Antragstellende unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände über das Asylverfahren informiert, beraten und unterstützt werden“. Ein Sprecher sagt: „Grundvoraussetzung für die Förderung ist, dass der Zuwendungsempfänger die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes anerkennt und eine den Zielen der Rechtsordnung förderliche Arbeit gewährleistet.“

Unterstützung für die Flüchtlingsräte kommt von der bayerischen Linken. Deren Sprecherin Kathrin Flach Gomez begrüßt die Zahlungen. „Die Räte könnten für ihre wichtige Arbeit eher sogar noch mehr staatliche Förderung gebrauchen.“ (Tobias Lill)

Kommentare (1)

  1. Norbert am 27.09.2024
    Was für ein tendenziöser und unseriöser Artikel, in der Bayerischen Staatszeitung, die der Überparteilichkeit verpflichtet ist!
    Ich persönlich finde es gut, sinnvoll und richtig, dass es eine Institution gibt, die sich in einer Zeit, in der sich fast alle Parteien darin überbieten, so hart und unmenschlich wie möglich gegen Flüchtlinge vorzugehen, für die Rechte dieser Menschen -ja, es sind Menschen! - einsetzt.
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