Das Verbreiten guter Nachrichten ist in Bayern eigentlich Chefsache, das lässt sich Markus Söder normalerweise nicht nehmen. Dieses Mal aber gewährt der Regierungschef seinem Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) den Vortritt. Die Corona-Inzidenz in Bayern sinkt seit rund 14 Tagen kontinuierlich, die Lage entspannt sich und gibt Raum für die Rücknahme von Einschränkungen. Holetschek also spricht von einer „Zäsur“ in der Corona-Krise, „weil wir nach vorne gehen in der Pandemie und Geimpften und Genesenen Freiheitsrechte zurückgeben“. Der vorsichtige bayerische Weg sei richtig gewesen.
Anlass für seine Regierungserklärung vor dem Landtag sind die neuen Beschlüsse der Staatsregierung zur Anpassung der Corona-Strategie. Für Genesene und vollständig Geimpfte entfallen nun Test- und Quarantänepflichten, Kontaktbeschränkungen und die nächtliche Ausgangssperre. Bei Inzidenzen unter 100 dürfen Anbieter körpernaher Dienstleistungen wieder arbeiten, Außengastronomie, Kinos und Kultureinrichtungen können wieder öffnen. Die Inzidenzgrenze für die Rückkehr von Grundschulkindern in den Präsenzunterricht wird auf den Wert der Bundes-Notbremse von 165 angehoben und ab dem 21. Mai können in gering belasteten Landkreisen Hotels, Campingplätze und Anbieter von Ferienwohnungen wieder Gäste empfangen.
Holetschek spricht von einem Abwägungsprozess zwischen Gesundheit, Freiheit und Sicherheit. Man bleibe deshalb auf dem Weg vorsichtiger Öffnungen. Denn die dritte Welle, betont er, ist immer noch da. Man dürfe nicht vergessen, dass nach wie vor viele Menschen auf den Intensivstationen um ihr Leben kämpften. Immerhin stimme das inzwischen erreichte Impftempo optimistisch. Fast ein Drittel der Bayern sei nun erstgeimpft, fast zehn Prozent schon zweimal. „Impfen bringt das Licht am Ende des Tunnels“, formuliert Holetschek. Deshalb wolle man bald die Priorisierung aufheben und auch jungen Menschen schneller Impfangebote machen. Man müsse Kontrolle über das Virus gewinnen.
Bei der Opposition sieht man das zwar grundsätzlich ähnlich, aber Begeisterung über die Regierungspolitik mag trotzdem nicht aufkommen. FDP-Fraktionschef Martin Hagen flüchtet sich in Zynismus. Als das Sozialministerium dieser Tage eine gute Nachricht für die Mütter im Land angekündigt habe, sei er in freudiger Erwartung der Öffnung von Kitas und der Rückkehr der Kinder an die Schulen gewesen. Es sei in der Meldung aber um die Öffnung der Blumenläden rechtzeitig vor Muttertag gegangen. „Da sieht man, wie weit sich die Staatsregierung in einem Jahr Pandemie von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt hat“, zürnt Hagen.
FDP fordert Ende der Kontaktbeschränkungen
Noch immer befinde sich Bayern in dem Lockdown, der vor 185 Tagen für den November 2020 ausgerufen worden sei. „Das ist der längste November der Menschheitsgeschichte“, ätzt Hagen und fordert umgehende Öffnungen und ein Ende der Kontaktbeschränkungen vor allem im Freien, wo das Ansteckungsrisiko gering sei. „Die frühlingshaften Temperaturen müssen mit coronapolitischem Tauwetter einhergehen“, metaphert er.
Ins gleiche Horn stößt Roland Magerl (AfD). Er nennt die weiter geltenden Einschränkungen „unverhältnismäßig“ und kritisiert, dass der von der Staatsregierung eingeschlagene Weg zu deren Aufhebung für Geimpfte eine „verdeckte Impfpflicht“ auslöse.
Für Grüne und SPD kommen die neuen Lockerungen zu unvorbereitet. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze wirft Söder vor, einmal mehr „laut und dröhnend“ nach vorne geprescht zu sein, ohne vorab die nötigen Hausaufgaben gemacht zu haben. Wieder gebe es verwirrende bayerische Sonderregelungen, wieder sei nicht klar kommuniziert, wo wann was für wen gelte. Hier hakt auch Ruth Waldmann (SPD) nach. Da seien nun Genesene von Kontaktbeschränkungen befreit, aber es fehle die einheitliche Vorgabe, wie sie ihr Genesensein bei Kontrollen nachweisen sollen. Und offenbar sei die Staatsregierung davon überrascht worden, dass Impfungen auch Geimpfte hervorbrächten. Nur so sei zu erklären, dass die Regierenden dem aufkommenden „Impfneid“ recht ratlos gegenüberstünden. Waldmann fordert nun ein Sonderimpfprogramm für junge Menschen.
Uneingeschränkt begeistert sind eigentlich nur die Freien Wähler. „Nach vielen entbehrungsreichen Monaten kehrt etwas Zuversicht nach Bayern zurück“, stellt ihr Abgeordneter Fabian Mehring stolz fest. Denn die nun vom Ministerrat beschlossenen Erleichterungen fußten vor allem auf den seit Wochen vorgetragenen Vorschlägen des kleinen Koalitionspartners. „Bayern bleibt der Goldstandard in der Corona-Krisenbewältigung“, jubelt Mehring im Überschwang, den sich Holetschek verkniffen hat. (Jürgen Umlauft)
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