Politik

21.04.2023

Umstrittenes Kita-Essen

Sollen die Kleinen bloß noch vegetarisches Essen serviert bekommen? Da scheiden sich die Geister

Was Kinder essen sollen: Das ist ein sensibles Thema. Und sensible Themen eignen sich bekanntlich hervorragend dazu, mit ihnen Wahlkampf zu machen. Insofern gelang dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in einem Interview kürzlich eine Punktlandung. Seine Behauptung war so griffig wie steil: „In den Münchner Kitas wurde durch die Grünen Fleisch, Wurst und sogar Fisch verboten.“

Die Fraktionsvorsitzende der Münchner Grünen, Mona Fuchs, verbucht das allerdings völlig zu Recht unter der Rubrik „Wahlkampfgetöse“. Denn was Söder sagt, ist schlicht falsch: Fleisch- und Wurstgerichte werden durchaus in Münchner Kitas und Horten angeboten – maximal einmal pro Woche, analog den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Schon eher stimmt, was Söder über den Fisch sagt: Der steht in den städtischen Kitas seit 1. April tatsächlich nicht mehr auf dem Speiseplan – jedenfalls nicht als Tiefkühlgericht. Im Rahmen des sogenannten Frischkost-Angebots der Kitas kann Fisch aber weiterhin auf den Tisch kommen. „Die Entscheidung, keinen tiefgekühlten Fisch mehr zu beziehen, hat der Stadtrat getroffen, um ein wichtiges Signal gegen die Überfischung der Meere sowie die Belastung von Fisch mit Schwermetallen und Mikroplastik in der täglichen Verpflegung, insbesondere bei Kindern, zu senden“, so ein Sprecher der Stadt.

Dem einen oder anderen mag diese Argumentation unangenehm aufstoßen. Warum sollte ausgerechnet auf Kosten der Kleinsten ein Signal gegen die Überfischung der Meere in die Welt gesendet werden? Wo doch die Supermärkte voll sind mit Tiefkühlfisch aller Art? Man kann die Stadtratsentscheidung auch aus gesundheitlichen Gründen bedauern, schließlich ist Seefisch eine gute Quelle an Omega-3-Fettsäuren und Jod, darum empfiehlt die DGE, einmal pro Woche Fisch auf den Speiseplan zu setzen. Und nicht zuletzt ist es doch eine wichtige Aufgabe der Kitas, Kinder an gesunde Ernährung heranzuführen.

Die meisten Familien ernähren sich eben nicht vegetarisch

Aber all das hieße, an der Realität vorbeizuargumentieren. Fisch ist nun mal nicht gleich Fisch. Und darum auch nicht per se gesund. Kam in den Kitas bisher Fisch auf den Tisch, so nicht als frisches Filet, gebraten und mit Zitronensaft beträufelt, sondern fast immer als Fischstäbchen, das mit seiner dicken Panade ernährungsphysiologisch nicht viel hermacht. Andere Fischgerichte aus dem Tiefkühlrepertoire wie Wildlachs oder Fischpfanne, so der Sprecher der Stadt, stießen bei den Kitas auf sehr wenig Interesse. Kindergaumen sind nun mal kompliziert. Und die Kita-Leitungen, die das Essen für ihre Schützlinge bestellen, dürften wissen, was ankommt und was nicht. Weder gesund noch gut für die Meere: Da ist es nur pragmatisch, Fischstäbchen aus der Kita-Küche zu streichen.

Bei Fleisch und Wurst Maximalmengen auszuweisen, ist ebenfalls vernünftig. Ohnehin steht eine weitgehend vegetarisch ausgerichtete Ernährung in der Ernährungswissenschaft gerade hoch im Kurs. Der ideale Speiseplan von Kindern wie Erwachsenen ist voller Nüsse, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst; Eier sollten gegessen werden, Kartoffeln und Reis, Milch- und Vollkornprodukte, auf gutes Öl kommt es an.

Die Leberkässemmel seiner Kindheit, an die sich Söder im SZ-Interview in einem kalkulierten Anflug von Nostalgie erinnert, hat da keinen Platz. Sie mag bei vielen potentiellen Wähler*innen senfsüße Gefühle wecken – gehaltvoll im ernährungsphysiologischen Sinn ist sie nicht. „Aus gesundheitlichen und aus Klimaschutzgründen ist es sinnvoll, auf Fleischkonsum zu verzichten“, so Mona Fuchs. Sie macht zwar keinen Hehl daraus, was sie als Grüne vom Fleischkonsum hält, räumt aber ein: „Eine rein vegetarische Ernährung steht nicht im Einklang mit den Ernährungsgewohnheiten der meisten Münchner Familien.“

Darum legen die Münchner Grünen den Fokus vor allem darauf, ökologische, gesunde und regional erzeugte Lebensmittel anzubieten. Der Bioanteil der Gerichte wurde auf 70 Prozent erhöht, Palmöl kommt jetzt aus zertifiziertem Anbau, tierische Lebensmittel stammen aus artgerechter, biologischer Haltung, was auf ein konventionelles Fischstäbchen nicht zutrifft. Mit Verbot und Zwang hat diese Qualitätsoffensive wenig zu tun.

Im Südwesten der Republik allerdings gehen die Grünen weiter. Der Freiburger Gemeinderat hat entschieden, ab dem Schuljahr 2023/24 in Kitas und Grundschulen nur noch ein Gericht anzubieten, und zwar ein vegetarisches. Laut Vanessa Carboni von der Fraktion der Freiburger Grünen will die Stadt damit eine bundesweite Vorreiterrolle einnehmen und das Kita- und Grundschul-Essen einfacher, qualitativer und klimafreundlicher gestalten. Die Kritik der Eltern an den Plänen war groß, das Medienecho ungleich größer. Allerdings stört man sich vor Ort gar nicht so sehr an dem angekündigten Verzicht auf Fleisch, sondern an der fehlenden Auswahlmöglichkeit. Der Gesamtelternbeirat Freiburger Schulen bringt das auf eine einfache Formel: „Auch die Auswahl zwischen Gemüselasagne und Dampfnudeln ist eine Auswahl.“ (Monika Goetsch)
 

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