Wer in diesen Tagen mit Beschäftigten bei BMW spricht, stößt auf viel Verunsicherung. Seit die Bild-Zeitung vergangene Woche berichtete, allein an seinem Münchner Stammsitz wolle der Autobauer 3000 Leiharbeiterstellen streichen, bangen viele der mehreren Tausend Zeitarbeitskräfte, ob der mögliche Job-Kahlschlag auch sie trifft. Zwar erklären Betriebsräte und IG Metall, dass die Zahl deutlich zu hoch gegriffen sei. Doch klar ist: BMW verhandelt derzeit mit dem Gesamtbetriebsrat über eine spürbare Verringerung der Zeitarbeiterzahl. Schließlich will der Konzern Personalkosten einsparen. Und da BMW zumindest bis Ende 2020 keine Festangestellten entlassen will, sollen nicht nur viele frei werdende Stellen nicht wieder besetzt, sondern auch die Zahl der Leiharbeiter reduziert werden.
Bereits 2018 hatte sich der Konzern von 1000 Leiharbeitern in Regensburg getrennt. Und auch in Landshut berichten Betriebsräte von einem – wenn auch geringeren – Stellenabbau. Zudem will der Konzern die Arbeitsstunden mancher Mitarbeiter reduzieren, was für Betroffene erhebliche Gehaltseinbußen bedeuten würde. Auch die Gewinnbeteiligung steht auf dem Prüfstand – bei einem Facharbeiter sind das derzeit über 9000 Euro jährlich. Eine Halbierung ist im Gespräch. Für das laufende Jahr erwartet der Limousinen-Hersteller zwar noch „eine leichte Absatzsteigerung“. Doch das Renditeziel von acht bis zehn Prozent wird der Konzern, für den alleine in Bayern gut 80 000 Menschen arbeiten, wohl deutlich verfehlen.
Auch bei Audi macht man sich zunehmend Gedanken über mögliche Einsparungen – die Ingolstädter haben wegen sinkender Autoverkäufe bereits die Nachtschicht im Stammwerk gestrichen. Dabei geht es den beiden Großen trotz des weltweit zunehmend schwierigen Absatzmarkts noch immer relativ gut. Anders sieht es bei vielen Zulieferern aus. Wegen des Strukturwandels und der volatilen Weltkonjunktur geht es bei einigen längst an die Substanz. Kein Wunder: Manche großen Autobauer drücken die Mittelständler mitunter bis aufs Äußerste. So hatte der fränkische Zulieferer Brose bereits Ende 2018 geklagt, es gebe „Fälle, in denen deutsche Automobilhersteller uns nicht mehr erlauben, ein Angebot aus einem deutschen Standort abzugeben“. Der Autobauer bestehe auf einer Produktion in billigeren osteuropäischen Standorten.
Gut eine halbe Million Bayern arbeiteten im Sommer 2018 in der Automobilbranche. Mehrere Tausend Stellen gingen seither verloren, wie es aus Branchenkreisen heißt. So strich etwa Bosch in Bamberg mehrere Hundert Arbeitsplätze in der Antriebstechnik. Beim Lichtkonzern Osram in Regensburg mussten über 300 Festangestellte und 200 Leiharbeiter gehen. Andere wie SMP Automotive und Wallstabe & Schneider in Ostbayern hoffen, ihre Belegschaft durch Kurzarbeit durch die Krise retten zu können.
Die Unsicherheit ist groß
Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen geht davon aus, dass noch weit mehr Stellen als bekannt in der Automobilbranche verloren gehen. Es werde zudem wohl auch zur Schließung ganzer Teilbereiche bei Zulieferern kommen. So kündigte etwa Schaeffler bereits an, im großen Stil Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Dudenhöffer analysiert: „Die Autobranche hat zwei riesige Herausforderungen – die Umstellung auf die Elektro-Autos und Donald Trump.“ Alleine die restriktive Handelspolitik des US-Präsidenten zerstöre Autoumsätze im Wert von 700 Milliarden Euro, behauptet Dudenhöffer – diese Summe entspricht fast dem doppelten deutschen Staatshaushalt.
Dass der wachsende Protektionismus rund um den Globus ein baldiges Ende findet, ist eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Der Trend zu E-Autos aber ist kaum mehr zu stoppen. Ob dies gut für die Umwelt ist, wird vor allem davon abhängen, ob der Strom für die Vehikel künftig aus erneuerbaren Energien kommt. Dass der Umstieg auf E-Autos Jobs kostet, gilt dagegen als sicher. Einer Studie des Ifo-Instituts zufolge sind dadurch im Freistaat 55 000 Stellen bei Zulieferern in Gefahr.
Manche halten diese Zahl für zu hoch. Doch es wird Opfer geben. Denn ein Verbrennungsantrieb besteht aus 1400, ein Elektroantrieb nur aus 210 Teilen. Für die Fertigung eines E-Autos braucht es deshalb viel weniger Arbeiter. Continental hat bereits reagiert: Der Zulieferkonzern wird sein Werk in Roding in der Oberpfalz bis 2024 schließen. Dort werden hydraulische Komponenten und Pumpen für Benzin- und Dieselmotoren hergestellt.
Die Staatsregierung will der Autoindustrie zu Hilfe kommen. Sie setzt etwa auf Forschungsförderung, Pilotprojekte und Qualifizierungsmaßnahmen. Die Unsicherheit bei vielen Mitarbeitern wird dennoch so schnell nicht vorübergehen.
(Tobias Lill)
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