Politik

MAN hat Stellen abgebaut, Kurzarbeit eingeführt, die Leiharbeit zurückgefahren, Stundenkonten abgebaut und Schichten gestrichen. (Foto: dpa/Hoppe)

20.12.2024

Unternehmen fühlen sich verschaukelt

Bei den großen Nutzfahrzeugherstellern kriselt es – befürchtet wird ein massiver Stellenabbau. Nun richten sich große Erwartungen an die Politik

Nicht nur Bayerns Autobranche leidet. Auch Hersteller von Lkw und Bussen wie MAN schicken zunehmend Beschäftigte in Kurzarbeit. Politik und Arbeitnehmervertreter sind alarmiert. Die Forderung nach billigeren Energiepreisen wird immer lauter.

Kaum ein Tag, an dem nicht über die fortschreitende Krise der hiesigen Autobauer berichtet wird. Doch auch eine andere für den deutschen Wirtschaftsstandort wichtige Branche leidet zunehmend unter sich leerenden Auftragsbüchern: die Nutzfahrzeughersteller. So etwa die Daimler Truck Holding AG, der mit 105 000 Beschäftigten weltweit größte Nutzfahrzeughersteller.

Der Konzern mit über 3000 Angestellten in einem Werk in Neu-Ulm leidet unter sinkender Nachfrage: Allein zwischen April und Juni war der Absatz in Europa um 22 Prozent eingebrochen, in Asien ging er um etwa 30 Prozent zurück. Zunehmend schwierig für deutsche Fahrzeughersteller ist das China-Geschäft. Umsätze und Gewinne von Daimler Truck sanken zuletzt, Tausende Mitarbeiter*innen sind laut Medienberichten mittlerweile in Kurzarbeit, viele Leiharbeiter mussten gehen.

„Wir fühlen uns wie die Melkkuh der Nation“

Noch steht das Daimler-Autobuswerk in Neu-Ulm vergleichsweise gut dar, doch Fachleute rechnen wegen nachlassender Bus- und Lkw-Verkäufe in zahlreichen Regionen mit einem schwierigen Jahr 2025 für die Branche. Auch Hersteller nachhaltiger Antriebssysteme haben zum Teil große Probleme: Quantron aus Gersthofen im Landkreis Augsburg hat Ende Oktober vorläufige Insolvenz angemeldet. Die Firma mit rund 100 Beschäftigten galt als großer Hoffnungsträger für die Produktion von batterie- und brennstoffzellenbetriebenen Lkw.

Zwar trotzte der Lkw-Hersteller Kögel im schwäbischen Burtenbach der miesen Konjunktur laut Bayerischem Rundfunk bislang erfolgreich. Düstere Wolken zogen jüngst aber über MAN auf. Der Münchner Lkw- und Bus-Hersteller, der zur VW-Tochter Traton gehört, schwächelt zunehmend. „MAN leidet unter einem besonders schwachen deutschen Markt“, sagte Traton-Chef Christian Levin jüngst und sprach von einer „herausfordernden Situation“. Im dritten Quartal brach der Umsatz der Marke um 15 Prozent auf rund 3 Milliarden Euro ein, auch der Gewinn sank. Ein erheblicher Teil der weltweit rund 33 000 Beschäftigten des Unternehmens arbeitet in Bayern – allein zuletzt gut 4000 in Nürnberg und 8000 am Münchner Stammsitz.

MAN hat nach eigenen Angaben die Leiharbeit bereits zurückgefahren, Stundenkonten abgebaut, Schichten gestrichen. Zudem gibt es seit Sommer in München und an anderen deutschen Standorten Kurzarbeit. Auch hat das Unternehmen hierzulande seit 2020 bereits über 3000 feste Stellen abgebaut.
MAN-Chef Alexander Vlaskamp sagte Anfang Dezember, er wünsche sich zum Beispiel bessere Abschreibungsregeln, wenn Transportfirmen in Elektrofahrzeuge investieren. Doch der politische Kurs sei „im Moment unklar“. Deshalb würden die meisten Spediteure und Transportfirmen erst einmal abwarten. „Das schlägt sich in einem drastischen Rückgang der Bestellungen nieder.“ Da sich die Lage derzeit zuspitze, „reichen schon jetzt Instrumente wie Kurzarbeit nicht mehr aus, um den Schaden in Grenzen zu halten“. 2025 werde „in dieser Hinsicht ein besonders herausforderndes Jahr“.

Arbeitnehmervertreter fürchten derweil weiter sinkende Umsätze bei MAN und Co. Die IG Metall hat deshalb klare Erwartungen an die Politik, wie geholfen werden solle. „Auch bei Nutzfahrzeugen gilt es, den Umstieg auf klimaneutrale Antriebe zu unterstützen. Der Staat sollte den Ausbau eines Lkw-Ladenetzes vorantreiben und das Laden im Depot fördern“, sagt deren bayerischer Bezirksleiter Horst Ott der Staatszeitung. Die Ladestrompreise müssten transparenter und günstiger werden, etwa durch niedrigere Steuern. „Eine erneuerte Kaufförderung für klimaschonende Nutzfahrzeuge wäre ebenfalls wichtig“, findet Ott. Zudem fordert die Gewerkschaft eine befristete Deckelung des Industriestrompreises auf 5 Cent pro Kilowattstunde.

MAN-Chef Vlaskamp klagte gerade erst, man fühle sich „ein bisschen wie die Melkkuh der Nation“. Der Manager sagt: „Wir investieren Milliarden in den Hochlauf der E-Mobilität, bauen Batteriezentren, forschen an Antrieben, haben seit 2021 elektrische Stadtbusse im Einsatz und jetzt auch E-Lkw im Markt.“ Gleichzeitig werde die Förderung für E-Lkw gestrichen und die Lkw-Maut verdoppelt, sodass die Speditionen kein Geld für neue Fahrzeuge hätten. Dennoch solle man künftig „hohe Strafen zahlen, wenn wir die EU-Flottenziele nicht erreichen, weil wir zu wenig Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen“. Für den Manager ist klar: „Das passt doch nicht zusammen.“

Unter der derzeitigen Wirtschaftskrise leide sein Unternehmen „stark“, so MAN-Chef Vlaskamp. Der Manager analysiert: „Mit Bauwirtschaft und Industrie stecken zwei Branchen in einem tiefen Loch, die sehr viele Waren auf der Straße transportieren.“

SPD: Netzentgelte und Stromsteuer senken

Vlaskamp schimpft: „Mit so einer Politik schafft man die Industrie in Europa ab.“ Er fordert eine Förderung der E-Fahrzeuge, bessere Ladeinfrastruktur und weniger Strafen. Die Lkw-Maut wurde im Dezember 2023 erhöht.

Bei der bayerischen SPD hat man klare Vorstellungen, wie der Staat der Branche helfen kann: Der wirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Florian von Brunn, sagt der BSZ: „Jetzt ist es wichtig, die Industrie in dieser schwierigen Phase zu unterstützen und Arbeitsplätze zu sichern. Wir müssen die Netzentgelte und die Stromsteuer senken.“ Die Vorschläge der SPD lägen im Bundestag auf dem Tisch. Die Union müsse nur zustimmen. Von Brunn warb zugleich für eine „Investitionsprämie Made in Germany“, mit der Ausrüstungsinvestitionen steuerlich begünstigt werden sollten. 

Oskar Lipp, industriepolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, ist überzeugt: „Die Probleme in der Nutzfahrzeugbranche – das heißt, vor allem im Lkw-Absatz – sind erste Anzeichen der Konkursketten, die sich nun in der Automobilbranche und den vorgelagerten Unternehmen und Branchen abzeichnen.“ Industrieunternehmen, die in die Insolvenz rutschten, brauchten auch keinen Fuhrpark mehr. Er fordert den Stopp aller CO2-Bepreisungen, Investition in moderne Kernkraft und Entbürokratisierung.

Auch Markus Saller, wirtschaftspolitischer Sprecher der Freie-Wähler-Landtagsfraktion, sagt: „Die Nutzfahrzeughersteller im Freistaat leiden unter der Konjunkturflaute. Bund und EU müssen dringend gegensteuern.“ Zum einen müsse „die Konjunktur in ihrer Breite durch eine Senkung der Energiepreise, Abbau ausufernder Bürokratie und wachstumsfördernde Reformen wieder angekurbelt werden“. Zum anderen brauche „es zielgerichtete Maßnahmen für die Nutzfahrzeugindustrie“.

Bayern investiere bereits in die Infrastruktur für klimafreundlichen Gütertransport und fördert technologieoffen sowohl Schnellladepunkte für E-Lkw als auch Wasserstoff-Tankstellen. Die Streichung der Förderung für Investitionen in klimaschonende Nutzfahrzeuge durch die Ampel-Regierung seit Anfang 2024 nennt Saller einen „gravierenden Fehler“. Für ihn ist klar: „Berlin muss dringend neue Mittel bereitstellen.“ Brüssel müsse dringend „die äußerst ambitionierten CO2-Flottenziele für schwere Nutzfahrzeuge zeitnah einer kritischen Überprüfung unterziehen“. (Tobias Lill)
 

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