Politik

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. (Foto: dpa)

22.03.2025

Verwechselte BSW-Stimmen: Neuauszählung der Stimmen, jetzt!

Dem BSW fehlten laut amtlichen Endergebnis lediglich 9.500 Stimmen für den Einzug in den Bundestag. Doch obwohl es in zahlreichen Wahllokalen offenbar zu Pannen und Verwechslungen kam, gibt es auf absehbare Zeit keine Neuauszählung der Stimmen. Ein Fehler. Ein Kommentar von Tobias Lill

Noch nie scheiterte eine Partei bei einer Bundestagswahl so knapp an der Fünf-Prozent-Hürde wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Mit 4,98 Prozent fehlten ihr laut amtlichem Endergebnis gerade mal 9500 Stimmen – und das bei 50 Millionen Wählern. Für die Partei ist das Ausscheiden aus dem Bundestag ein Fiasko. Doch auch das Vertrauen in die Demokratie hat Schaden genommen. Denn die Umstände der Wahlpleite sind kein Ruhmesblatt für das deutsche Wahlsystem.

In zahlreichen Wahllokalen war es bei der Auszählung zu Pannen gekommen. Mitunter wurden etwa Stimmen des BSW dem ähnlich klingenden Bündnis Deutschland oder einer anderen Partei zugeordnet. Da hatte Bündnis Deutschland plötzlich in einzelnen Wahlbezirken 30 Mal so viele Stimmen wie im Bundesschnitt, das BSW keine. Und in manchen Ländern war das BSW wegen eines Knickes im Wahlzettel nur schwer zu finden. Wähler könnten zunächst eine andere Partei angekreuzt, später ihren Irrtum revidiert haben. Zumindest einzelne BSW-Stimmen wurden fälschlicherweise für ungültig erklärt.

Wo Menschen am Werk sind, passieren Fehler – Absicht unterstellt selbst das BSW nicht. Aufgrund von Beschwerden ließen die Wahlleiter in manchen Wahlkreisen noch einmal nachzählen. Doch laut BSW wurde vielerorts Unregelmäßigkeiten kaum oder nicht nachgegangen. Die veranlassten Neuauszählungen sowie der bei jeder Wahl übliche Bereinigungsprozess zwischen vorläufigem und endgültigem Wahlergebnis brachten dem BSW dennoch zusätzliche 4300 Stimmen. Zum Vergleich: Bei der SPD kamen nur 840 Stimmen hinzu.

Neuauszählung sollte bei sehr knappen Wahlausgängen automatisch erfolgen

Ob eine komplette Neuauszählung dem BSW die nötigen Stimmen bringt, ist eher unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen. So oder so, weil in der Demokratie jede Stimme zählt, sollte es selbstverständlich sein, sämtliche Stimmen noch einmal in Ruhe auszuzählen. Falls das BSW doch einzieht, hätte dies für eine Regierungsbildung erhebliche Konsequenzen. Und wenn nicht, nimmt dies jenen Gegnern unserer Freiheit Munition, um im Trumpschen Stil den Mythos der gestohlen Wahl zu pflegen.

Während es in diversen Staaten bei knappen Wahlausgängen laut Gesetz automatisch Neuauszählungen gibt oder Parteien diese veranlassen können, ist in Deutschland der Bundestag für die Wahlprüfung zuständig. Und dort spielt man offenbar auf Zeit. Denn würde das BSW den Einzug noch schaffen, würden manche Parlamentarier ihr Mandat verlieren. Doch erst wenn der Bundestag erwartbar die Neuauszählung ablehnt, kann das BSW erneut klagen, um eine Neuauszählung zu erzwingen. Doch das dauert. Achtung vor dem Wähler sieht anders aus.

Kommentare (3)

  1. RobertK vor 1 Woche
    Danke für diesen guten Artikel, dem man als Demokrat unbedingt zustimmen muss, ganz unabhängig davon, ob man mit der betroffenen Partei BSW sympathisiert oder nicht.
    Bei einem so knappen Ergebnis und doch so auffälligen Unstimmigkeiten bei der Auszählung ist es ein unbedingtes Muss, noch einmal alle Stimmen komplett neu auszuzählen.
    Ich persönlich finde auch die 5%-Hürde in ihrer jetzigen Form nicht mehr akzeptabel. 6,9 Mio gültige Wählerstimmen (das sind 13,7%!) werden nicht entsprechend ihrem Wählervotum gezählt, es herrscht keine Gleichbehandlung alller gültigen Stimmen mehr, sondern je nach gewählter Partei werden sie unterschiedlich behandelt.
    Denn: bei der Mandateverteilung werden diese Stimmen den größeren Parteien zugerechnet. Union und SPD haben ja nur 45% Wählerstimmen bekommen, erhalten aber nun im neuen Bundestag mit 52% eine absolute Mehrheit. Eben weil diese 13,7% der an der Hürde gescheiterten Parteien nun an die anderen verteilt werden. Die Mandateverteilung im neuen Bundestag weicht nun sehr deutlich vom tatsächlichen Wählervotum ab.
    Deshalb muss das jetzige Wahlrecht hier unbedingt reformiert werden, damit das wahre Wählervotum nicht mehr so verfälscht wird.
    Eine Möglichkeit wäre z.B. eine deutliche Senkung auf eine nur noch 1%-Hürde. Damit wären jetzt neben FDP und BSW nur noch die Freien Wähler zusätzlich in den Bundestag gekommen und die prozentuale Mandatsverteilung käme sehr viel näher an das wahre Wahlergebnis.
  2. KPG vor 1 Woche
    Für eine Neuauszählung der Stimmen gibt es doch keine Rechtsgrundlage Deutschland.
    Und es splielt auch keine Rolle ob es in "diversen" Staaten bei knappen Wahlausgängen laut Gesetz automatisch Neuauszählungen gibt. Wobei da auch die Frage ist was bedeutet knapp
  3. KPG vor 1 Woche
    Für die obige Foderung gibt es doch gar keine Rechtsgrundlage.Laut der aktuell geltenden Rechstlage ist für Wahlbeschwerden der Wahlprüfungsauschuss zu ständig.
    Die Begründung vom BSW es müsste neu ausgezählt werden weil dem BSW nur 9.500 Stimmen fehlen wird auch vorm Bundesverfassungsgericht keine Erflogsaussicht haben
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