Die Zahlen sind gigantisch: Mehr als 210 000 Anträge sind bis zum 1. April auf die Bewilligungsbehörden eingeprasselt, nachdem die bayerische Staatsregierung am 18. März das Förderprogramm Soforthilfe Corona aufgelegt hatte. Damit will man kleinen und mittleren Unternehmen in Bayern, die von den Folgen der Pandemie gebeutelt werden, unter die Arme greifen. Bis 1. April seien hier bereits mehr als 283 Millionen Euro zur Auszahlung angewiesen worden, teilt das bayerische Wirtschaftsministerium mit. „Kein anderes Bundesland hat seinen kleinen und mittleren Firmen so schnell geholfen“, verkündet Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) stolz.
Inzwischen ist das Förderprogramm des Freistaats mit den Hilfen des Bundes verzahnt. Und auch in Bayern gelte jetzt die Regelung, dass man die Soforthilfe beantragen könne, ohne vorher auf das Privatvermögen zurückgreifen zu müssen, sagt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Vorausgesetzt, der Betroffene stecke wegen der Corona-Krise in existenzgefährdenden Schwierigkeiten. Vorrang habe derzeit „die Bearbeitung der unzweifelhaft positiven Anträge“, informiert der Sprecher. Zur Zahl der abgelehnten Anträge könne man deshalb noch nichts sagen.
Kritik regt sich dennoch. Die bayerische FDP etwa moniert, dass die Corona-Soforthilfen nicht in der Kultur- und Kreativwirtschaft ankämen und dass es offenbar keine einheitlichen Vorgaben bei den Förderkriterien gebe. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) bezeichnete das Hilfsprogramm gar als „Mogelpackung“, zumindest für Freiberufler in der Bildung, als das Ministerium vor wenigen Tagen die Förderkriterien präzisierte. Denn kaum ein Honorardozent habe Anspruch auf die Unterstützung. Eine der Voraussetzungen dafür sei nämlich, dass man eine Betriebsstätte in Bayern habe.
Dozenten an Unis und an Volkshochschulen haben das Nachsehen
Das schließe viele Künstler, aber auch selbstständige Lehrkräfte an Volkshochschulen und Universitäten aus, kritisierte die GEW Bayern. Deren Vorbereitung finde nämlich zu Hause statt, die Auftritte beziehungsweise Unterrichtsstunden aber in den Räumen der Vertragspartner. Und ein häusliches Arbeitszimmer werde nicht als Betriebsstätte anerkannt.
Außerdem, gibt GEW-Sekretär Erwin Denzler zu bedenken, betreffe die Förderung nur laufende Betriebsausgaben wie Mieten für Geschäftsräume. Das hätten Lehrbeauftragte selten. „Aber der eigene Lebensunterhalt und die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung müssen trotzdem bezahlt werden.“ Einige Bundesländer, etwa Baden-Württemberg und Berlin, hätten deshalb bei der Soforthilfe bestimmte Beträge für den Lebensunterhalt anerkannt.
Das bayerische Wirtschaftsministerium hält dagegen, dass die Soforthilfe Corona vor allem dazu gedacht sei, um betriebliche Engpässe auszugleichen: Wenn ein Freiberufler nicht unter diese Kriterien falle, dann sei das vom Bund beschlossene Sozialschutzpaket „grundsätzlich die geeignetere Unterstützungsleistung“. Im Klartext: Abgesehen von Einzelfällen, müssen die meisten Betroffenen wohl Grundsicherungsleistungen wie Hartz IV beantragen, immerhin zu erleichterten Bedingungen mit Blick auf Vermögensanrechnung und Wohnkosten.
Stefanie Steible aus Nürnberg erfüllen diese Vorgaben mit großer Sorge. Bis zum 13. März war sie regelmäßig als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache tätig, in mehreren Volkshochschulen und anderen Bildungseinrichtungen in Bayern. Auch Integrationskurse leitete sie. All das ist nun weggebrochen. Das Problem für Steible: Sie arbeitet freiberuflich, wird also nur dann bezahlt, wenn sie unterrichtet. Entsprechend hart treffen sie die Schließungen.
Dennoch gibt sie nicht auf. „Ich habe mich in den letzten drei Wochen nicht ausgeruht, sondern hatte mehr Stress als vorher“, sagt sie. Unter anderem habe sie an digitalen Qualifizierungen auf Universitätsniveau teilgenommen und bereits mehrere Online-Kurse im virtuellen Klassenzimmer geleitet. „Ich versuche alles, um den Einkommensausfall irgendwie zu kompensieren“, sagt sie. „Aber das ist mit unglaublich viel Aufwand verbunden.“
Rund drei Viertel ihrer Einnahmen verdiente sie bisher mit Unterrichten, der Rest stammte aus ihrem zweiten Standbein: einer kleinen PR-Agentur, mit der sie jedoch ebenfalls von der Krise betroffen ist. Ihr Glück: Für ihre Firma konnte sie die bayerische Corona-Soforthilfe in Anspruch nehmen – 5000 Euro, die ihr bereits überwiesen wurden. Auch für ihre Lehrtätigkeit hat sie einen Antrag auf die Unterstützung gestellt. Ob der bewilligt wird, weiß sie nicht. Immerhin könne sie einige Betriebskosten geltend machen, sagt sie: „Deshalb bin ich guter Hoffnung.“ Die meisten ihrer Kollegen gingen aber vermutlich leer aus und müssten Hartz IV beantragen, was nicht nur finanziell einen gewaltigen Absturz bedeute, sagt Stefanie Steible. Entsprechend groß sei der Frust.
Tatsächlich hat der Freistaat sehr viel unternommen, um Opfern der Coronakrise zu helfen. Dennoch: In Teilbereichen sollte nachgebessert werden. Damit alle, die es benötigen, Solidarität erfahren.
(Brigitte Degelmann)
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