Mitte des vergangenen Jahrzehnts strömten auf einen Schlag Hunderttausende Schutzsuchende nach Deutschland. Befürworter*innen offener Grenzen argumentierten, man müsse Menschen in Not helfen. Und bis heute heißt es, die Aufnahme von Flüchtlingen sei auch ein wirtschaftliches Gebot. Deutschland brauche Fachkräfte. Asylbewerber*innen und Bürgerkriegsflüchtlinge würden langfristig reichlich Geld in die Sozialkassen spülen.
Arbeitslosenquote unter Syrer*innen bei 37 Prozent
Zumindest bislang ist diese Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen. Im vergangenen Jahr betrugen allein die Kosten des Bundes für Sozialleistungen und Entlastungszahlungen rund 16 Milliarden Euro. Hauptproblem aus ökonomischer Sicht: Auch nach Jahren arbeiten viele Flüchtlinge nicht oder nur geringfügig. So lag die Arbeitslosenquote bei Syrerinnen und Syrern im Mai 2024 bei 37 Prozent. Zum Vergleich: Die Arbeitslosenquote unter Deutschen war im Mai mit 5,2 Prozent siebenmal geringer. Natürlich fließen in die Statistik auch jene Flüchtlinge ein, die erst seit Kurzem da sind. Doch auch unter syrischen Personen, die bereits seit fast einem Jahrzehnt hier sind, haben viele keinen Job gefunden.
Insgesamt leben in Deutschland offiziell rund 974 000 Menschen mit syrischem Pass. Gut 270 000 von ihnen arbeiten sozialversicherungspflichtig; knapp ein Fünftel hat aber nur einen Minijob. 44 Prozent sind un- oder angelernte Helfer, der Rest tatsächlich Fachkräfte. So arbeiten hierzulande auch rund 6000 syrische Mediziner*innen. Arbeitslos gemeldet sind derweil lediglich 144 000 Syrerinnen und Syrer. Manche von ihnen machen einen Sprach- oder Fortbildungskurs, andere sind krank. Vor allem jedoch stehen viele syrische Frauen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie ihre Kinder betreuen. Die Beschäftigungsquote von syrischen Frauen lag zuletzt gerade einmal bei 19 Prozent. Zwar hat sich die Beschäftigungsquote zuletzt in nur drei Jahren beinahe verdoppelt, ist jedoch noch weit von jener bei deutschen Frauen entfernt (70 Prozent).
Menschen aus christlichen Herkunftsstaaten arbeiten deutlich häufiger
Nicht nur Syrer tun sich auf dem Arbeitsmarkt schwer. Bei Afghanen lag die Arbeitslosenquote im Mai bei 31 Prozent, bei Somaliern sowie Irakern jeweils bei 28 Prozent. Neben Sprachbarrieren sind die oft geringeren Bildungsabschlüsse von Migrant*innen eine Ursache für die Misere. Auch Arbeitsverbote und die im Vergleich zu den armen Heimatländern hohen Sozialleistungen hierzulande gelten als Gründe für die hohe Zahl an Menschen ohne Beschäftigung. Zudem fehlen Kita-Plätze.
Unter den Staatsbürger*innen aller Asylherkunftsländer liegt die Arbeitslosenquote bei 30 Prozent. Auffällig ist: Die Zahl der Erwerbslosen unter Flüchtlingen aus Ländern mit einem hohen Anteil an Christen wie etwa Äthiopien, Eritrea oder Nigeria ist im Vergleich zu anderen Fluchtstaaten deutlich geringer. Hierfür sind diverse Gründe ausschlaggebend: etwa der Zeitraum, wie lange die Menschen bereits im Land sind.
Nur 3 Prozent der Philippinen ohne Job
Klar ist: Bei Menschen, die gezielt zur Arbeitsaufnahme und nicht als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, ist die Arbeitslosenquote naturgemäß um ein Vielfaches niedriger. Schließlich sind diese in der Regel qualifiziert und lernen frühzeitig die Sprache. Bei den hier lebenden Philippinern lag die Arbeitslosenquote zuletzt gerade einmal bei 3 Prozent, bei Ungarn bei rund 5 Prozent und bei Albanern bei 6 Prozent.
Anders sieht es bei Ukrainer*innen aus. Über 1,2 Millionen kamen als Kriegsflüchtlinge nach Deutschland. Die Arbeitslosenquote lag im Mai 2024 unter Ukrainern bei rund 45 Prozent. Auffällig ist, dass die Quote von Männern und Frauen relativ eng beieinander liegt. Einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gingen zuletzt nur knapp 23 Prozent der Ukrainer*innen im arbeitsfähigen Alter nach.
Im Schnitt 2000 Euro brutto für Vollzeitarbeit
Doch wie sind die langfristigen Prognosen? Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) untersuchte, wie sich Arbeitsmarktintegration, Leistungsbezug und Bildungserwerb der bis 2019 zugezogenen Schutzsuchenden entwickelt haben. In dem IAB-Bericht von 2023 heißt es: „54 Prozent der Geflüchteten mit einer Aufenthaltsdauer von sechs Jahren sind erwerbstätig. Davon arbeiten zwei Drittel in Vollzeit und 70 Prozent üben eine qualifizierte Berufstätigkeit aus.“
Allerdings: Die mittleren Bruttomonatsverdienste von Vollzeiterwerbstätigen beliefen sich bei sechsjähriger Aufenthaltsdauer auf gerade einmal gut 2000 Euro. Kurzfristig fließt so zwar Geld in die Renten- und Krankenkassen. Doch viele Flüchtlinge müssen aufstocken. Und im Alter müssen die Menschen würdig leben können. Beginnt ein Flüchtling zum Beispiel mit 30 Jahren zu arbeiten, wird er mit 2000 Euro brutto mangels ausreichender Rente im Alter aufstocken müssen.
Das fordern die Parteien
Damit zumindest die nächste Generation sich selbst versorgen kann, müsste dringend mehr in Bildung investiert werden. Doch noch immer werden migrantische Kinder oft abgehängt. Darüber, ob und wie Flüchtlinge in Lohn und Brot gebracht werden sollen, gehen die Meinungen auseinander. Die Grünen-Landesvorsitzende Gisela Sengl sagt der Staatszeitung: „Es fehlt die nötige Unterstützung bei der Anerkennung von Abschlüssen und wir brauchen dringend mehr berufsbezogene Deutschkurse.“ Es dauere in Bayern oft noch zu lange, bis Geflüchtete eine Arbeitserlaubnis erhielten.
Alexander Hold, asylpolitischer Sprecher der Freie-Wähler-Landtagsfraktion, findet: Asylsuchende sollten unabhängig von ihrer Unterkunft spätestens nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen dürfen. Menschen, die arbeiten können und dürfen, sich dem aber konsequent entgegenstellten, müssten in letzter Konsequenz abgeschoben werden können, so Hold. Christoph Maier, remigrationspolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, sagt, es sei nicht „die Aufgabe unserer Gesellschaft, Asylbewerber oder Kriegsflüchtlinge langfristig in Lohn und Brot zu bringen“. Asyl oder subsidiärer Schutz würden schließlich nur auf Zeit gewährt. „Fällt der Fluchtgrund weg, muss der Geflüchtete unser Land wieder verlassen.“ (Tobias Lill)
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