Politik

Neben Kanzlerin Merkel waren 80 Staats- und Regierungschefs auf der Münchner Sicherheitskonferenz – Trump und Putin fehlten. (Foto: dpa/Tobias Hase)

22.02.2019

"Vor allem die informellen Gespräche sind nützlich"

Der Politikwissenschaftler Carlo Masala über Ergebnisse der Münchner Sicherheitskonferenz, die Bedrohung durch Russland und China sowie das außenpolitische Profil der CSU

Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) war ein Paukenschlag: Noch nie wurde die Distanz zwischen den europäischen Mitgliedern der Nato und den USA so deutlich. Für die Bayerische Staatszeitung analysiert Carlo Masala, Professor für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr in München, das Treffen.

BSZ: Herr Professor Masala, das große Thema im Vorfeld der MSC war die Auflösung des INF-Vertrags zu den nuklearen Mittelstreckenraketen – waren die Reaktionen der Teilnehmer erwartbar?
Carlo Masala: Das Thema war auf der Konferenz nicht besonders prominent. Interessant nur, dass die Kanzlerin die Chinesen aufgefordert hat, einem globalen INF-Vertrag beizutreten, das chinesische Politbüromitglied in seiner Rede den Eindruck erweckt hat, dass China durchaus an globaler multilateraler Rüstungskontrolle interessiert sei, dass aber die chinesische Staats- und Parteiführung nach dem Ende der Konferenz erklärt hat, dass China keinerlei Interesse daran habe, einem globalen INF-Vertrag beizutreten.

BSZ: Man hatte aber den Eindruck, dass es nicht mehr nur eine Nato gibt, sondern zwei: hier die USA und einige osteuropäische Länder, auf der anderen Seite Deutschland, Frankreich und einige andere Länder in Westeuropa.
Masala: Dieser Eindruck drängt sich in der Tat auf und ist vor allem durch die unterschiedlichen Haltungen mit Blick auf Nordstream 2 bedingt. Aber auch die unterschiedlichen Reaktionen auf den Bruch des INF-Vertrages bewirken diese Spaltung.

BSZ: Ist die EU mittlerweile als Sicherheitsakteur bedeutungstechnisch im globalen Maßstab an der Nato vorbeigezogen?
Masala:
Nein, es ist bei der Konferenz deutlich geworden, dass die Nato trotz aller Probleme für die europäischen Staaten alternativlos ist und die EU noch eine lange Zeit brauchen wird, bis sie eine glaubwürdige Sicherheitspolitik hat. Das sehen auch die Staatsmänner so.

BSZ: Apropos Staatsmänner: Trump war nicht da, Putin ebenfalls nicht, auch Macron fehlte oder Erdogan – ist die Bedeutung der Sicherheitskonferenz inzwischen gesunken, zumal im Vorfeld ähnliche Konferenzen anderswo stattfanden?
Masala: Nein, dass einzelne Personen nicht zur MSC kommen können, ist normal. Dieses Jahr waren 80 Staats- und Regierungschefs sowie Außen- und Verteidigungsminister da. So viel wie noch nie. Die USA beispielsweise erschienen mit einer der größten Delegationen seit Langem – darunter aber viele Kongressmitglieder.

"Markus Söder ist auf dem Parkett der internationalen Politik neu und hat bei der Sicherheitskonferenz eine gute Figur gemacht"

BSZ: Vieles läuft inzwischen ziemlich ritualisiert ab, etwa die regelmäßigen Klagen der Israelis über den Iran und umgekehrt. Führt die Tagung da eigentlich substanziell weiter?
Masala: Der Wert der Sicherheitskonferenz liegt weniger im öffentlichen Programm, als in den bi- und multilateralen Verhandlungen zwischen den anwesenden Regierungsvertretern am Rande der Konferenz. Und diese bringen die Tagung substanziell weiter.

BSZ: Wer ist eigentlich derzeit für die Sicherheit der EU die größere Bedrohung: Russland oder China?
Masala: Kurzfristig Russland, langfristig China. Russland ist ein Schurkenstaat mit dem Potenzial, die internationale Ordnung nachhaltig zu stören, China ist die kommende Supermacht mit dem Potenzial, die Regeln des internationalen System zu verändern.

BSZ: Was bedeutet das konkret für die Sicherheitslage in Deutschland und in Bayern: Bekommen wir neue Waffensysteme, muss die Bundeswehr personell verstärkt werden?
Masala: Die Bundeswehr muss in die Lage versetzt werden, alles zu können. Das heißt jedoch nicht, dass wir sie überall einsetzen müssen. Aber wir brauchen eine Armee, die in der Lage ist, vom humanitären Einsatz bis hin zu anspruchsvollen Kampfeinsätzen alles zu bewältigen.

BSZ: Wichtig für die Bundeswehr soll ja auch ihre Schlagkraft im Bereich der Cybersicherheit werden. Kam das Thema aus Ihrer Sicht ausreichend zur Sprache, und worauf müssen wir uns da künftig einstellen?
Masala: Cyber war sehr präsent auf der Konferenz, und wir müssen uns zukünftig daran gewöhnen, dass neben Land, Luft, See und Weltraum Cyber ein weiteres Operationsgebiet der Kriegsführung ist.

BSZ: Der frühere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß war zu Zeiten des Kalten Krieges eine wichtige Figur auf dem internationalen Parkett, Stoiber war mehrmals im Kreml – kann da Markus Söder noch in eine wichtigere Rolle hineinwachsen? Er lief ja irgendwie eher am Rande mit.
Masala: Markus Söder ist auf dem Parkett der internationalen Politik neu und hat bei der Sicherheitskonferenz eine gute Figur gemacht. Es ist an der CSU, unter seiner Führung wieder zu dem zu werden, was sie bis zu den 90er-Jahren war. Eine bayrische Partei, die eine dezidierte Vorstellung von der internationalen Politik hat und diese mit Nachdruck im Bund, in Europa und in der Welt vertritt.
(Interview: André Paul)

Foto (Bundeswehr Universität): Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München.  

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