Politik

Mittlerweile gibt es 25 Prozent weniger Intensivbetten als noch im Frühjahr 2021. (Foto: dpa/Bernd Wüstneck)

12.11.2021

Warum die Intensivbetten immer knapper werden

Mehr junge Erkrankte, die länger bleiben, andere Zählweise freier Betten, Kündigungen beim Personal

Deutschland erlebt die vierte Corona-Welle. „Wir befinden uns mitten in der Pandemie“, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Ein Blick auf die Zahlen der Intensivstationen belegt es. In Bayern liegen dort knapp 700 Personen – so viele wie im März 2020. Damals gab es aber noch keine Impfung. Warum sind die Zahlen jetzt so hoch?

Minister Holetschek macht dafür die Ungeimpften verantwortlich, die bayerische Krankenhäuser „fluten“ würden. „Zu mehr als 90 Prozent sind das Patienten, die die Chance auf eine Impfung bis heute ausgeschlagen haben“, sagte er diese Woche. Sein eigenes Ministerium kann diese Zahl nicht bestätigen. „Hierzu können keine validen Daten genannt werden“, sagt sein Sprecher. Krankenhäuser würden den Impfstatus häufig nicht übermitteln. Tatsächlich sind laut Bayerischer Krankenhausgesellschaft 25 Prozent der Intensivpatienten geimpft. Die hohe Intensivhospitalisierungsrate lässt sich eher mit dem Durchschnittsalter der Erkrankten erklären. Dieses ist von 80 Jahren im März 2020 auf aktuell 50 Jahre gesunken. Diese Menschen haben bessere Heilungschancen, belegen aber dafür länger die Intensivbetten.

Bleibt die Frage, warum die Intensivstationen an ihre Grenzen stoßen, obwohl zum Jahreswechsel und Ende April 2021 rund doppelt so viele Menschen intensivmedizinisch behandelt werden mussten wie aktuell. Das Problem sind laut Robert Koch-Institut (RKI) nicht die steigenden Einweisungen, sondern die abnehmenden Intensivbettenkapazitäten. Die Zahl der Intensivpatient*innen sei im letzten Halbjahr bundesweit konstant bei rund 20 000 geblieben, die Zahl der vorhandenen Notfallintensivbetten ist allerdings von 40 000 auf 32 500 und die Zahl der vorhandenen freien Betten von über 30 000 auf 22 500 gesunken – das sind 25 Prozent weniger als im Frühjahr 2021.Es gab also schon vor den steigenden Inzidenzwerten zu wenig Intensivbetten. Das erklärt, warum die 80 Corona-Intensivfälle in München die örtlichen Intensivstationen trotz der insgesamt 527 Betten an ihre Belastungsgrenze bringen.

Zum Jahreswechsel lagen doppelt so viele Menschen auf den Intensivstationen wie jetzt

Das RKI nennt für die angespanntere Situation auf den Intensivstationen im Vergleich zu 2020 weitere Gründe: So wurde die Zählweise geändert. Früher seien auch Betten erfasst worden, für deren Betrieb gar nicht ausreichend Personal vorhanden war. Zweitens wurden die Personaluntergrenzen erhöht. Wenn weniger Personen von einer Pflegekraft versorgt werden können, sinke auch die Zahl der verfügbaren Betten. Und drittens – das ist der Hauptgrund – fehlt es an Pflegekräften. Das Personal sei nach über eineinhalb Jahren Corona ausgebrannt, arbeitsunfähig oder habe bereits gekündigt. Das bestätigt auch das bayerische Gesundheitsministerium. Die diskutierte Impfpflicht für Pflegekräfte dürfte die Situation noch verschärfen.

Minister Holetschek will Abhilfe schaffen. Um Jobs in der Pflege attraktiver zu machen, soll es Steuererleichterungen und Boni geben. Außerdem sollen die Personaluntergrenzen wieder gelockert werden und Einrichtungen wie Rehas in das Versorgungsgeschehen mit einbezogen werden. Die Ampel-Koalitionäre planen daneben die Wiedereinführung der Vorhalteprämien, also eine Entschädigung für Krankenhäuser, wenn sie Intensivbetten für Corona-Kranke frei halten. Die Versorgung sicherzustellen, wäre richtig. Und sinnvoller als eine flächendeckende 2G-Regel. Corona wird uns auch im nächsten Winter erhalten bleiben. (David Lohmann)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.