Es kann das größte Fernseh-Ereignis des Jahres werden: Das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Martin Schulz (SPD) dürfte an diesem Sonntag gut und gerne 15 Millionen Menschen vor die TV-Bildschirme locken, vielleicht auch mehr. Das Finale im Confederations Cup zwischen Deutschland und Chile sahen am 2. Juli 14,69 Millionen im ZDF und nimmt bisher noch Platz eins in der Jahres-Quotenwertung ein vor dem Münster-"Tatort: Fangschuss" im April mit 14,56 Millionen.
Doch während bei einem Fußballspiel oder einem Krimi Regelwerk und Dramaturgie feststehen, wurde beim TV-Duell der Kanzleraspiranten im Vorfeld lange um die Modalitäten gefeilscht. Wenn es nach den vier ausstrahlenden Sendern - ARD, ZDF, RTL und Sat.1 - gegangen wäre, dann hätte es (wie einmal 2002 mit Gerhard Schröder und Edmund Stoiber mit jeweils mehr als 15 Millionen Zuschauern) zwei Duelle gegeben. Doch das war mit der Amtsinhaberin nicht zu machen. Sie wollte nur ein einziges Aufeinandertreffen mit dem Rivalen.
Verlauf des Duells wesentlich vom Kanzleramt bestimmt
Auch der Verlauf des nun einmaligen Aufeinandertreffens wurde wesentlich durch die Vorgaben aus dem Bundeskanzleramt bestimmt. Die Sender wollten ihre Moderatorenpaare - Peter Kloeppel (RTL) mit Maybrit Illner (ZDF) sowie Claus Strunz (Sat.1) mit Sandra Maischberger (ARD) - gerne nacheinander in zwei Blöcken antreten lassen, um die Themen zu vertiefen. Auch da kam das Veto aus Kanzlerkreisen. Die Paare sollen sich je nach Themenblock abwechseln. Die Programmveranstalter schluckten auch diese Kröte.
"Was uns in diesem Jahr geboten wird, ist kein Konzept, sondern ein Korsett", kritisierte der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler. "In eine gepanzerte Form wird gepresst, was eigentlich nur dann funktionieren kann, wenn die Form dem Inhalt folgen würde - ein argumentativer Austausch zwischen sachkompetenten Menschen." ARD-Chefredakteur Rainald Becker hatte schon vor der endgültigen Festlegung der Regeln gewarnt, dass eine "Konstellation mit vier journalistischen Fragestellern und zwei Spitzenpolitikern - wie vom Kanzleramt gewünscht - unglücklich" sei.
"Symptomveranstaltung eines politisch entleerten Wahlkampfes"
In ähnlicher Form bemängelt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen aus Tübingen den Schlagabtausch: "Das TV-Duell ist die Symptomveranstaltung eines politisch entleerten und inhaltlich entkernten Wahlkampfes", sagte Pörksen. "An Stelle von Sachfragen und Konzept-Unterschieden geht es um das Inszenierungsgerangel im Vorfeld und vor allem um die Meta-Ebene der Kommunikation: Wie teilen sich die Moderatoren die Zeit? Welche Spielregeln hat die Bundeskanzlerin vorab durchgesetzt? Wie düster ist die Stimmung aktuell in der SPD? Hier zeigt sich die Diskursermüdung, die diese Bundestagswahl charakterisiert, in selten deutlicher Weise."
Wäre die Alternative dann nicht besser kein Duell? "Vermutlich könnte es sich Angela Merkel aktuell sogar leisten, das TV-Duell ganz zu verweigern", sagte Gäbler. "Taktisch günstiger allerdings wirkt es, dem Fernsehen die Gnade eines einmaligen Duells zu gewähren, dafür aber die Form strikt zu diktieren. Dass im Jahr 2017 wieder so ein erstickend formalisiertes Abgefrage stattfindet, liegt also vor allem an der aktuellen politischen Stärke Angela Merkels." Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, wunderte sich, dass der Regierungssprecher den Duell-Verlauf vorschreiben könne. "Die Sender hätten im Zweifel lieber auf das Duell verzichten sollen, als sich den Wünschen der Kanzlerin zu beugen."
Die Bundeskanzlerin wies am Dienstag all die Kritik zurück. Es sei "guter Stil, dass man über die Modalitäten spricht, wie die Dinge ablaufen können", sagte Merkel. Die Diskussion über das Format stehe aus ihrer Sicht nicht im Gegensatz zur Pressefreiheit. Die Freiheit, darüber zu entscheiden, ob man eine Einladung zu einer solchen Sendung annehme oder nicht, sei "ja immer genauso wichtig wie die Freiheit der Presse und die Unabhängigkeit".
Forscher: Einfluss auf das Wahlverhalten gleich null
Sabine Christiansen, früher für die ARD Interviewerin beim Duell, plädiert trotz allem auch für den TV-Nahkampf. "Ich glaube, ein völliger Verzicht auf das Duell macht keinen Sinn, da es die einzige direkte Konfrontation der beiden Kandidaten ist", sagte die 59-Jährige. Was müssen die Moderatoren tun, um einen Mehrwert zu erzeugen? "Richtige Schwerpunkte setzen, klare und relativ kurze Fragen stellen, das Duell ist ein Interview- und kein Talkformat - nachhaken und so weiter", sagte Christiansen. "Aber das wissen die Kollegen alles genauso gut."
Wer einen realen Mehrwert erzielen möchte, könnte zeitgleich den fast 40 Jahre alten Actionklamauk mit Bud Spencer und Terence Hill gucken, der den Titel trägt, den alle politischen Beobachter am liebsten auch dem TV-Duell geben würden: "Zwei sind nicht zu bremsen".
Der Wahlforscher Matthias Jung rechnet ohnehin nicht damit, dass das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz zu wesentlichen Veränderungen des Wählerverhaltens führt. "Frühere Duelle haben gezeigt, dass ein Großteil der Zuschauer bereits Präferenzen für den einen oder anderen Kandidaten hat und die Diskussion sehr selektiv wahrnimmt. Er sieht sich durch das, was er hört, eher bestärkt", sagte das Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen. (
Carsten Rave, dpa)
CSU und SPD locken mit Public-Viewing und Twitterpartys
Mit Public-Viewing-Angeboten und Twitterpartys wollen CSU und SPD das Interesse der Menschen am TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz steigern. Alleine die SPD veranstaltet nach eigenen Angaben an 25 Orten im Freistaat gemeinschaftliche Fernsehabende vor Leinwänden. "Ich freue mich, dass so viele Ortsvereine meinem Aufruf gefolgt sind und das Duell gemeinsam anschauen", sagte SPD-Generalsekretär Uli Grötsch am Mittwoch in München.
Die CSU kann die Zahl der Veranstaltungen zwar nicht beziffern, geht aber auch davon aus, dass sich viele Orts- und Kreisverbände an dem Beispiel aus der Landesleitung in München orientieren. Dort findet am Sonntag ab 20.00 Uhr eine große Twitterparty statt, bei der auch Generalsekretär Andreas Scheuer zu Gast ist. (dpa)
Das TV-Duell in Zahlen
Acht Kameras, zwei Kandidaten, ein Ziel: Beim TV-Duell am Sonntag (3. September) buhlen Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) um die Gunst der Zuschauer - und damit auch der Wähler. Zahlen und Fakten zum Showdown in Berlin-Adlershof:
2 - Zahl der Kandidaten: Merkel und Schulz
4 - Zahl der Moderatoren, in zwei Paaren, je eine Frau und ein Mann: Maybrit Illner (ZDF) und Peter Kloeppel (RTL), Sandra Maischberger (ARD) und Claus Strunz (ProSieben/SAT.1)
5 - Zahl der Kanzlerduelle inklusive 2017, allesamt im Studio B in Adlershof
8 - Zahl der Kameras im Studio, die für die Aufzeichnung betrieben werden
20.15 - Beginn der Live-Ausstrahlung
50 - ungefähre Zahl der beteiligten Fernseh-Mitarbeiter im Studio, in der Regie, der Maske, am Licht, in der Produktion und als Aufnahmeleiter
90 - voraussichtliche Dauer des TV-Duells in Minuten
635,56 - Quadratmeter groß ist das Studio B in Adlershof
700 - ungefähre Zahl der Journalisten aus aller Welt, die im Pressezentrum neben dem Studio das TV-Duell verfolgen werden
17,64 Millionen - Zahl der Zuschauer beim TV-Duell 2013
20,98 Millionen - Zahl der Zuschauer beim TV-Duell 2005, bisheriger Rekord
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