Politik

Schon wieder: Verbraucherschützer decken hygienische Mängel in Bäckereien auf. (Foto: dpa)

28.06.2017

Weihnachtsgebäck mit Nagerkot

Foodwatch kritisiert schwere Hygienemängel in Bäckereien und fordert mehr Transparenz. Denn die Ekelfunde wurden von den Behörden nicht veröffentlicht

Schimmel, Mäusekot, Käferbefall und Fremdkörper in Backwaren – in mehreren Großbäckereien in Bayern herrschten über Jahre hinweg ekelerregende Zustände. So jedenfalls die Kontrollberichte der Lebensmittelbehörden, die die Verbraucherorganisation Foodwatch heute vorstellte. Ihre Kritik: Die Behörden hätten die Verbraucher über die Zustände nicht informiert. Die politisch Verantwortlichen „haben sich der Beihilfe schuldig gemacht“, so Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker an die Adresse von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, die bayerische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf und Bundesernährungsminister Christian Schmidt (alle CSU). Foodwatch fordert die Veröffentlichung von Kontrollergebnissen ähnlich wie in Dänemark und die dafür notwendige rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Hygiene-Problem in Bäckereien ist dabei nicht auf Bayern beschränkt. „Wir hätten uns auch jedes andere Bundesland aussuchen können“, so Rücker. „Bei der sensorischen Untersuchung zeigte sich, dass auf dem Gebäck sowohl Fraßspuren erkennbar waren, als auch Nagerkot. Die mikroskopische Untersuchung bestätigte diese Vermutung, der Nagerkot konnte anhand der gestreiften Nagerhaare identifiziert werden“, so heißt es in einem Gutachten für das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom Dezember 2016. Es handelt sich um „Feines Weihnachtsgebäck“ der Bäckerei Bachmeier, die mehr als 500 Handelskunden in Bayern, Hessen und Österreich beliefert. In einem anderen Untersuchungsergebnis vom Juni 2014 geht es um „die morphologische Beschaffenheit des braunschwarzen Fremdkörpers, der in der Rinde“ eines Schnittbrötchens gefunden wurde. Der Fremdkörper ist die „Kotpille eines Kleinsäugers“ und wurde in einer Filiale des Unternehmens „Der Beck“ gefunden. Insgesamt 69 Kontrollen in acht bayerischen Großbäckereien zwischen 2013 und 2016 listet der Foodwatch-Report 2017 „Bayerisches Brot“ auf. Normalerweise werden die Kontrollergebnisse des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nur dann veröffentlicht, wenn es sich um gesundheitsgefährdende Befunde handelt, bei ekelerregenden Hygienemängel jedoch nicht.

"Schaben, die in den Backstuben Schuhplattler tanzen"

Schuld daran ist nach Ansicht von foodwatch die unklare Rechtslage. Die verantwortlichen Politiker hätten es versäumt, Rechtssicherheit für die Veröffentlichung von Kontrollergebnissen zu schaffen. Seehofer, Scharf und Schmidt hätten „zugesehen, wie die Schaben in den Backstuben Schuhplattler tanzen“, kritisiert Rücker. Denn die Lebensmittelüberwachung befinde sich in einem Dilemma: Einerseits müssen die bundesweiten Vorschriften des Lebensmittelgesetzes angewandt werden. Andererseits führten Veröffentlichungen von Behörden zu einer „regelrechten Klagewelle von Unternehmen“, die so die Veröffentlichung von Kontrollergebnissen verhinderten. Zwar steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2013, dass die Veröffentlichung der Hygieneberichte rechtssicher gemacht werden soll, passiert ist aber bisher noch nichts. Foodwatch verweist deshalb auf die Möglichkeit der Landesgesetzgebung hin. Einzig Nordrhein-Westfalen hat bisher ein entsprechendes Gesetz erlassen. Als Vorbild nennt die Verbraucherschutzorganisation Dänemark. Dort hängen seit 2001 die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen an den Türen von Restaurants und Supermärkten aus und sind auch im Internet abrufbar. Dadurch habe sich die Quote der Betriebe mit Beanstandungen halbiert. „Die Verbraucher haben ein Recht zu erfahren, wo es sauber zugeht und wo sich Kakerlaken und Mäuse die Klinke in die Hand geben“, so ein foodwatch-Sprecher. Erst dann käme es zu einem fairen Wettbewerb, in dem die sauberen Betriebe nicht länger die Dummen sein. 

Auch SPD und Grüne fordern: Ergebnisse veröffentlichen!

Auch der verbraucherschutzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Florian von Brunn, fordert Konsequenzen: „Die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen müssen endlich auch in Bayern grundsätzlich veröffentlicht werden, so wie es in Nordrhein-Westfalen, in Dänemark und Großbritannien praktiziert wird.“ Das sei der stärkste Antrieb für mehr Hygiene und die Einhaltung von Vorschriften. Die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Rosi Steinberger, fordert ebenfalls: Bei gravierenden Mängeln müssten die VerbraucherInnen informiert werden. „Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, von den Hygienemängeln zu erfahren und selbst zu entscheiden, wo sie einkaufen. Dafür braucht es Transparenz wie beim Smiley-System aus Dänemark". Die Staatsregierung hat indes angekündigt, Großbäckereien im Freistaat schärfer überwachen zu wollen. Ein neues Sonderkontrollprogramm soll mehr Sicherheit für Verbraucher schaffen, teilte das Verbraucherschutzministerium bereits am Sonntag mit. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und die Behörden vor Ort sollen demnach unangekündigte Prüfungen durchführen. Das Ministerium will zudem Anfang 2018 eine neue, zentrale Behörde zur Lebensmittelüberwachung im Freistaat schaffen. Sie soll für alle überregional tätigen Lebensmittelbetriebe zuständig sein. (Rudolf Stumberger)

INFO: Hygienemängel nach Angaben der Bäckereien abgestellt
Die in die Kritik geratenen bayerischen Großbäckereien haben die angeprangerten Hygienemängel nach eigenen Angaben bereits beseitigt. Die schwäbische Bäckerei Ihle aus Friedberg bei Augsburg habe alle Beanstandungen der Kontrollbehörden unverzüglich abgestellt, teilte das Unternehmen mit. "Wir möchten uns bei unseren Kunden für die Verunsicherung durch die Fälle in der Vergangenheit entschuldigen." Die Erlanger Bäckerei "Der Beck" mit rund 150 Filialen in der Region betonte am Mittwoch, es sei nie verschimmeltes Brot an Filialen geliefert worden. Die Bäckerei Bachmeier aus dem niederbayerischen Eggenfelden teilte mit: Die "Berichte über Hygienemängel beziehen sich auf Vorfälle aus dem Jahr 2015 und spiegeln in keiner Weise die aktuelle Situation wieder".

Bachmeier teilte mit: "Zum damaligen Zeitpunkt erfüllte die Betriebs- und Prozesshygiene zu unserem Bedauern zeitweise nicht alle Punkte der hohen Qualitätsvorgaben." Danach habe es jedoch Schulungen, intensivere Qualitätskontrollen und neue Arbeitsanweisungen gegeben - und somit in den vergangenen zwei Jahren keine Auffälligkeiten mehr.

Laut "Der Beck" gab es bei dem fränkischen Unternehmen nur einzelne Probleme wie einen Glassplitter in und Mäusekot an einem Brötchen sowie einen Aluspan in einer Apfel-Zimt-Kruste und Schimmel an einer Nusstasche. Diese Mängel seien überprüft und die Ursachen abgestellt worden. "Die Bäckerei "Der Beck" ist ein transparentes Unternehmen, welches grundsätzlich jedermann und jederzeit Einblick in seine Backstube gewährt", hieß es.

Ihle betonte: Waren, die nicht dem Qualitätsanspruch des Unternehmens entsprochen hätten, seien nicht verkauft worden. Die Kontrollen seit 2016 hätten Ihle "gute Ergebnisse" bescheinigt. Ihle verkauft seine Backwaren in zahlreichen Filialen in Schwaben und Oberbayern.
(dpa)

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