Wenn es um die Jagd geht, kochen die Emotionen schnell hoch. Da sind die Waldbesitzer und Förster, deren Jungbäume von Rehen weggefressen werden. Sie fordern eine konsequente Bejagung nach der gesetzlichen Vorgabe „Wald vor Wild“. An der Seite haben sie Natur- und Umweltschützer, die für möglichst stabile Mischwälder kämpfen, um den Wald als Heimat vielfältiger Tier- und Pflanzenarten zu erhalten.
Ihnen stehen weite Teile der Jägerschaft gegenüber, die sich nicht reinreden lassen wollen bei ihrer Entscheidung, wo wie viel Wild geschossen wird. Und als ob das nicht schon genug Konfliktstoff wäre, kommt die Rückkehr des Wolfes nach Bayern dazu, was für die einen der reine Graus und für die anderen eine Bereicherung der Fauna ist.
Aiwanger, Kanibers Lieblingsgegner
In dieser Gemengelage hat der neuerdings für die Jagd zuständige Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) den Entwurf für ein neues Jagdgesetz vorgelegt. Aiwanger, selbst passionierter Jäger, kommt darin den Interessen der mehrheitlich im Bayerischen Jagdverband (BJV) organisierten Jägerschaft entgegen. So soll es konkrete Abschusspläne künftig nur noch für solche Reviere geben, in denen der Wildverbiss laut amtlichem Vegetationsgutachten als zu hoch eingestuft ist. In allen anderen Revieren sollen die Jagdbeauftragten eigenverantwortlich entscheiden können, in welchem Umfang sie tätig werden.
Aiwanger will auch den eigentlich streng geschützten Wolf ins Jagdrecht aufnehmen, damit er leichter „entnommen“, sprich gefangen und/oder getötet werden kann, sollte er sich an weidenden Schafen oder Kälbern vergreifen. Vergangene Woche präsentierte Aiwanger seinen Entwurf der CSU-Fraktion im Landtag. Im Vorfeld war von einem „Routinetermin“ die Rede. Allerdings hatte Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) – bis Ende 2023 selbst für die Jagd in Bayern zuständig – schon vorab erklärt, Aiwangers Vorlage sei ein „Schnellschuss“, der die Belange der Waldbesitzer und des Waldes nicht ausreichend berücksichtige. „Bayern braucht ein Jagdgesetz, das die richtigen Weichen stellt, das nicht einseitig Jagdinteressen bedient, sondern Eigentümer und Gesellschaft ernst nimmt“, wurde Kaniber im Bayerischen Rundfunk zitiert. Es dürfe „kein Gesetz von Jägern für Jäger“ geben. Deshalb müsse auch die staatliche Abschussplanung auf Grundlage der forstlichen Gutachten bleiben.
In der Sitzung hinter verschlossenen Türen, in der Aiwanger seinen Entwurf forsch verteidigt haben soll, hatte Kaniber offenbar nachgelegt. Bei Aiwanger sei wohl noch nicht ganz angekommen, dass sich der Wald mitten in einer Klimakrise befinde. Als Kronzeugen zog Kaniber sogar die Naturschutzverbände heran, die, vor allem wenn es um Agrarthemen geht, sonst nicht zu den bevorzugten Mitstreitern der Ministerin zählen. „Sollte der Entwurf tatsächlich so umgesetzt werden, wäre das ein absoluter Dammbruch beim Artenschutz und bei der im Klimawandel so wichtigen Waldverjüngung“, hatte der Landesbeauftragte des Bund Naturschutz (BN), Martin Geilhufe, die Pläne Aiwangers kritisiert.
Die Vorhalte des BN gehen aber weiter und betreffen auch Punkte, mit denen Kaniber in Aiwangers Entwurf grundsätzlich einverstanden ist. So hält der BN nichts davon, den europarechtlich streng geschützten Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Dass Aiwanger auch noch eine Art Persilschein für die Jagd auf andere „problematische Arten“ wie den Goldschakal ins Gesetz einfügen und die Jagdzeiten auf Dachse, Marder oder Gänse ausweiten will, die in der Landwirtschaft Schäden anrichten können, hält der BN für einen „Generalangriff auf geschützte Arten“. Für tatsächliche Probleme seien stattdessen Einzellösungen nötig, die mit dem Naturschutzrecht vereinbar seien.
In einigen Punkten nicht weit genug geht die Vorlage Aiwangers dem BJV. Der hat unter der Federführung seines oberbayerischen Bezirksvizes, des CSU-Abgeordneten Sascha Schnürer, ein eigenes Positionspapier ausgearbeitet. Darin enthalten sind die Forderungen nach klareren Regeln für den Wolfsabschuss, nach mehr technischen Möglichkeiten bei der Jagd auf Gänse, Krähen und invasorische Tierarten sowie nach einer Reform der Abschussplanung für Rehwild mit einem Ampelsystem. Die Verantwortung dafür soll dabei verstärkt auf die örtlichen Hegegemeinschaften verlagert werden.
Auch innerhalb der CSU gibt es Dissens
Die Freien Wähler im Landtag haben sich hinter Aiwangers Konzept gestellt und die CSU aufgefordert, das Gesetz in der Koalition endlich auf den Weg zu bringen. Es brauche mehr Vertrauen in die Akteure vor Ort als die zentrale Planung von Abschussvorgaben, erklärte Fraktionschef Florian Streibl.
Bei der CSU tritt man dagegen auf die Bremse. „Ob bei der Jagd oder in der Gesetzgebung – Genauigkeit geht immer vor Schnelligkeit“, betonte der Jagdpolitiker Alexander Flierl. In Aiwangers Entwurf seien noch „weitreichende Fragen offen“, zum Beispiel bezüglich der Abschussplanung. Und im BJV-Konzept seines CSU-Kollegen Schnürer komme der Artenschutz nur am Rande vor. Deshalb werde die CSU-Fraktion nun das Gespräch mit allen Beteiligten und Betroffenen suchen.
Die Grünen haben ihren Widerstand gegen Aiwangers Pläne bereits deutlich gemacht. Sie beharren unmissverständlich auf dem Grundsatz Wald vor Wild. Dieser dürfe nicht verwässert werden. (Jürgen Umlauft)
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