Rosenkranz, Marienstatue, Barock-Engel und acht Jahre lang ein Papst mit bayerischen Wurzeln: Der Freistaat ist in weiten Teilen ein katholisch geprägtes Land. Für die etwa 2,3 Millionen Protestanten ist das jedoch kein Grund, sich zu verstecken
Die katholische Kirche hat mal wieder gezeigt, wie toll sie die Sache mit der perfekten Inszenierung beherrscht. Mitte Mai, Marienplatz München: Bayerns Bischöfe, in hellen Messgewändern von Weihrauch umweht und von vielen Kerzen begleitet, feiern Gottesdienst zu Ehren der Gottesmutter Maria. Die thront als goldene Figur über dem Szenario und schaut von der Mariensäule hinab auf Trachtler, Politiker, Ministranten. Bayern und katholische Kirche, das scheint untrennbar zusammenzugehören - prächtige Barock- und Rokokokirchen erstrahlen im Land, mächtige Dome prägen das Stadtbild von Regensburg und Bamberg. Kaum vorstellbar, dass hier 500 Jahre nach Beginn der Reformation auch der eher nüchterne Charakter einer evangelisch-lutherischen Kirche einen Platz hat.
Und doch gibt es kraftvolle Zentren protestantischen Glaubens im Freistaat - vor allem freilich im Norden sind Nürnberg und Coburg eng mit der Geschichte der Reformation verbunden. Ansbach, Bayreuth und Hof sind durch und durch evangelisch geprägt. Und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hat es sogar zum wichtigsten Protestanten der Republik gebracht: Er ist Chef des Rats der Evangelischen Kirche Detuschland (EKD), seine Wortmeldungen haben bundesweit Gewicht.
Und in der bayerischen Heimat? Der Protestantismus sei hier höchst lebendig - "und das nicht nur im protestantischen Franken", sagt Bedford-Strohm. "Das merke ich natürlich immer besonders, wenn ich zu Festgottesdiensten überall im Land eingeladen werde. Aber es wird auch im Alltag deutlich. Das große Engagement der Gemeinden bei der Begleitung von Flüchtlingen ist ein Beispiel dafür."
55 Prozent der Bayern sind katholisch
Das statistische Übergewicht liegt eindeutig bei den Katholiken: 55 Prozent der Bayern gehören der katholischen Kirche an, nur 21 Prozent und damit 2,3 Millionen Menschen sind evangelisch. Die meisten von ihnen leben in Franken, wenn auch durch Wanderungsbewegungen vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg die starren Konfessionsaufteilungen geschwunden sind: In protestantisch geprägten Städten wie Bayreuth und Nürnberg wuchs durch die Flüchtlinge der Anteil der Katholiken. Und in boomenden Städten wie Ingolstadt und München ziehen heutzutage auch viele Protestanten zu.
Das Klischee, das vor allem die Menschen außerhalb über Bayern zeichnen, ist aber nun einmal fest verbunden mit hold lächelnden Engelsfiguren und der dem Prostantischen fremden Marienverehrung. Die Amtszeit des "bayerischen Papstes" Benedikt XVI. hat das noch befördert - bei Joseph Ratzingers Heimat-Besuch präsentierte sich der Katholizismus auf prächtigste Weise.
Das sei schon faszinierend, sagt einer, der überzeugter Protestant ist, als Politiker aber so mancher katholischen Messe beiwohnte: Günther Beckstein (CSU) weiß um die konfessionellen Prägungen im Freistaat. Ein Franke und Protestant - unzählige Male sind diese beiden Faktoren bemüht worden, als der langjährige Innenminister 2007 für ein Jahr lang zum Ministerpräsidenten aufstieg. In anderen Bundesländern wäre die Religionszugehörigkeit vermutlich höchstens am Rande einmal zur Sprache gekommen.
Was zählt, ist die christliche Grundhaltung
Heute spricht Beckstein darüber, wie sehr er sich über die Ökumene in Bayern freut. Er sei froh, dass die beiden Kirchen viel deutlicher über das reden, was sie eint als darüber, was sie trennt. Und stolz könne man sein über die christliche Prägung des Landes. Da sei es egal, ob evangelisch oder katholisch. Das starke Ehrenamt in Bayern, das Engagement in der Flüchtlingshilfe - all das hänge doch sehr stark mit der christlichen Grundhaltung im Land zusammen. Und dass seine Kirche - also die evangelische - in Bayern trotz der geringeren Mitgliederzahl eine laute Stimme habe, betont Beckstein auch noch: "Sie ist ein wichtiger Faktor, ihr Einfluss ist erheblich."
Ein besonderes Profil habe der Protestantismus in Bayern freilich schon entwickelt, weil er sich ja stets mit einer starken katholischen Kirche auseinandersetzen musste, sagt Bedford-Strohm. "Ich freue mich aber sehr darüber, dass dies nicht zur Abgrenzung gegenüber den katholischen Glaubensgeschwistern geführt hat, sondern, gerade in der Diaspora, zu besonderen ökumenischen Aktivitäten und Beziehungen. Darin liegt aus meiner Sicht die Zukunft."
Die Herausforderungen in den kommenden Jahren sind bei beiden Kirchen ähnlich: Die hohen Austrittszahlen treffen beide Konfessionen. Die treuen Kirchgänger sterben, Jüngere lassen sich oft nur schwer von den Angeboten der Gemeinden überzeugen.
Und doch wird nun erst einmal gefeiert: Die evangelische Kirche lädt mit der Staatsregierung und der Stadt Nürnberg am Samstag zum zentralen bayerischen Reformationsfest mit Gottesdienst, Festakt und Markttreiben wie zu Luthers Zeiten. Die Botschaft des Reformators von der Freiheit des Christenmenschen sei heute noch aktuell, betont Nürnbergs Regionalbischof Stefan Ark Nitsche. Im Zeitalter der Reformation hätten die Menschen gemerkt, dass Luthers Botschaft sie freimache. "Am 1. Juli wünsche ich mir ein Bürgerfest der Freiheit." Das mit der Inszenierung beherrscht also auch die evangelische Kirche. (Kathrin Zeilmann, dpa)
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