So richtig gut läuft es derzeit nicht für Hubert Aiwanger. Viele Anhänger sind enttäuscht, weil die Freien Wähler beim Streit um die Milliardenschulden des Bundes nachgegeben haben. Daneben gab es Gegrummel über Aiwangers generellen Kurs und die Frage, ob man sich thematisch breiter aufstellen solle. Zeit für ein Gespräch.
BSZ: Herr Aiwanger, etliche Menschen sind wütend, weil Sie sich im Vorfeld der Bundesratsabstimmung über das Schuldenpaket des Bundes mit der CSU geeinigt haben. Was sagen Sie denen?
Hubert Aiwanger: Hier wurde leider was in die Sache hineininterpretiert, was nicht die Realität war. Die Behauptung, dass Bayern im Bundesrat Zünglein an der Waage gewesen wäre, stimmte ja nicht, wurde aber hochstilisiert, nach dem Motto: Wir müssten „Deutschland retten“, indem wir ablehnen. Am Ende waren es 53 Ja-Stimmen. Nötig gewesen wären für die Zweidrittelmehrheit nur 46. Selbst wenn wir es geschafft hätten, die CSU dazu zu bringen, dass Bayern sich enthält – was uns aber nicht möglich war – wäre die Mehrheit im Bundesrat vorhanden gewesen. Bayern hat sechs Stimmen. Selbst ohne Bayern wären es 47 Ja-Stimmen gewesen, und die hätten ausgereicht. Wir Freie Wähler hatten also Null Chance, etwas zu verhindern.
BSZ: Aber Sie selbst haben doch im Vorfeld angedeutet, dass Sie mit der bayerischen Enthaltung das Schuldenpaket verhindern möchten.
Aiwanger: Wir haben gesagt: Aus jetziger Sicht können wir dem so nicht zustimmen. Aber wir haben nicht gesagt, dass wir das Zünglein an der Waage sind oder es verhindern können. Das wurde im Netz und einigen Medien fälschlicherweise behauptet.
BSZ: Dementiert haben Sie das damals nicht.
Aiwanger: Man hat anfangs nicht sicher gewusst wie alle anderen Bundesländer abstimmen. Abgesehen davon und nochmal zum Mitschreiben und Verstehen wenn man verstehen will: Wir hatten keine Möglichkeit, zu erreichen, dass sich Bayern enthält, weil der Koalitionsbruch ganz offen im Raum stand. Wir wären zum Zeitpunkt der Abstimmung im Bundesrat nicht mehr Koalitionspartner gewesen, die CSU hätte dann ohne uns abstimmen können, sie hätte dazu noch nicht einmal die SPD im Boot haben müssen, sondern nur die Freien Wähler entlassen – also die Koalition beenden. Dann wäre auch im letzten Bundesland Deutschlands Rot und indirekt Grün in die Regierung eingezogen und wir hätten damit sehenden Auges Bayern destabilisiert ohne irgendetwas erreicht zu haben.
"Die Koalition wäre zu Ende gewesen und wir hätten nichts erreicht, außer die SPD in Bayern in die Regierung zu bringen"
BSZ: Für Ihre Klientel sieht es so aus, als ob Sie Ihre eigenen Karriereambitionen über die Sache gestellt haben. Weil Sie halt in der Regierung bleiben wollten.
Aiwanger: Unsinn, die Koalition wäre zu Ende gewesen und wir hätten nichts erreicht, außer die SPD in Bayern in die Regierung zu bringen. Denn die CSU hätte ohne uns zugestimmt. Auch der Ministerpräsident hätte nach dem Koalitionsbruch nicht zurücktreten müssen wie fälschlicherweise von einigen Scharfmachern behauptet wurde. Es heißt in der bayerischen Verfassung, er muss zurücktreten wenn er nicht mehr das Vertrauen des Landtages genießt. Die SPD hatte sich aber schon angeboten.
BSZ: Glauben Sie tatsächlich, die CSU hätte die Koalition platzen lassen, um dann mit der SPD weiterzumachen? Diese Koalition hätte nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme und hätte auch inhaltlich viel weniger Schnittmengen als Schwarz-Orange.
Aiwanger: Glauben heißt, nicht wissen. Die CSU hätte es sich wohl in Berlin nicht leisten können, zu sagen, wir müssen uns enthalten. Die SPD in Bayern war bereit und mit einigen Zugeständnissen an die Grünen hätten die auch die knappe Mehrheit abgesichert, siehe Berlin mit Klimaschutz ins Grundgesetz. Und gleichzeitig hätte man uns vorgeworfen, die Stärkung der Bundeswehr und Geld für die Kommunen abzulehnen, obwohl wir dafür ja eigene Vorschläge gemacht hatten, ohne die Schuldenbremse zu öffnen.
BSZ: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Ministerpräsident Söder einstufen?
Aiwanger: Das ist eine Arbeitsbeziehung, die im Sinne Bayerns funktionieren muss. Natürlich gab es immer wieder Spannungen, zum Beispiel auch zu Coronazeiten, aber wir regieren seit 2018 und konnten dabei viel Gutes für Bayern bewegen und haben auch noch viel vor, was mit Rot-Grün in der Regierung nicht funktionieren würde.-
BSZ: Nach der Bundestagswahl wurde innerhalb der Freien Wähler die Frage aufgeworfen, ob Ihr Kurs zukunftsfähig ist. Ihr Digitalminister Mehring sagte: „Das alleinige Konzept einer Landwirtschaftspartei mit hartem Asylkurs trägt uns nicht bundesweit und schrumpft uns auf Dauer auch in Bayern.“ Hat er recht?
Aiwanger: Wir sind ja keine reine Landwirtschaftspartei. Wir haben einen starken Kern bei der Landwirtschaft und das ist gut so. Der prozentual größte Teil unserer Abgeordneten hat landwirtschaftliche Wurzeln – mehr als bei der CSU. Ohne diesen Kern und diese Wurzeln wären wir nicht in dieser Stärke im Landtag vertreten, das brauchen wir auch künftig. Wir müssen natürlich Wähler deutlich darüber hinaus ansprechen, was wir auch tun, sonst wären wir nicht zweistellig gewesen über mehrere Legislaturperioden. Wir stehen auch für Mittelstand und Handwerk, die Unternehmen, Arbeitnehmer, Freiberufler, Beamte, Kommunen, Bildung, moderne Wirtschaft etcetera. Und wir waren immer die Partei, die sich um die Interessen der kleinen Leute, der normalen Bürger kümmert. Denken Sie an die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge.
"Wir sind die politische Mitte, und wo die CSU und Union gerade herumschwänzelt, ist deren Tagesform überlassen"
BSZ: Das beantwortet nicht die Frage ob Sie eine Kurskorrektur für nötig halten.
Aiwanger: Wir Freien Wähler sind die liberal-wertkonservative Mitte und das wollen wir bleiben. Und es war ja kurz vor der Bundestagswahl mal die Frage, ob die Freien Wähler links oder rechts der CSU stehen, als die Union mit Merz dieses Migrationspapier mit Zustimmung der AfD beschlossen hat. Aber heute ist die Union wieder zehn Meter weiter links als damals, nahe bei der SPD. Deshalb war meine Aussage zur Frage rechts oder links zur CSU beziehungsweise Union immer: Wir sind die politische Mitte, und wo die CSU und Union gerade herumschwänzelt, ist deren Tagesform überlassen. Mal mit den Grünen liebäugeln, mal Ausländermaut, mal mit Merz rechts blinken, dann wieder links abbiegen. Wir können uns also nicht an der CSU und Union orientieren, sonst wird uns schwindlig. Wir müssen die Themen so besetzen, wie wir sie für richtig halten.
BSZ: Worin unterscheidet sich Ihr Asylkurs von dem der CSU?
Aiwanger: Sagen Sie mir, wie deren Asylkurs gerade aussieht, dann beantworte ich Ihre Frage.
BSZ: Wie lautet Ihr Asylkurs?
Aiwanger: Keine Einwanderung für illegale Migranten, schnellstens die abschieben, die bei uns gewalttätig werden und Straftaten begehen, kein weiteres Einfliegen von Afghanen. Leute, die fleißig sind, sich an unsere Gesetze halten und die von unserer Wirtschaft benötigt werden, ins Land lassen.
BSZ: Das entspricht dem Kurs der AfD.
Aiwanger: Eher dem Kurs der Union vor der Wahl. Das muss aber jetzt endlich gemacht werden. Es ist verantwortungslos von der SPD, weiterhin quasi die unkontrollierte Zuwanderung zu unterstützen und damit auch ihren früheren Wählern, den sogenannten kleinen Leuten, zu schaden und damit auch der AfD immer mehr politisches Terrain zu überlassen, anstatt die Probleme endlich zu lösen.
BSZ: Im Bund tun sich Union und SPD schwer mit einer gemeinsamen Linie – auch bei der Migration. Man hört Rufe nach einer Minderheitsregierung. Was halten Sie davon?
Aiwanger: Ich fürchte, dass dann die politische Stabilität Deutschlands massiv wackelt. Denn dann hängt es täglich von Rot-Grün oder von der AfD ab, was die Union durchbekommt. Sie hätte keine Mehrheiten im Parlament und müsste mal bei Rot-Grün und mal bei der AfD zum Betteln gehen, ob sie unterstützt wird. Dann heißt es: Wenn wir heute hier zustimmen, dann erwarten wir dies und das. Oder es heißt, wenn Ihr mit den anderen eine Mehrheit organisiert, dann blockieren wir Euch total.
BSZ: Blicken wir wieder auf Bayern. Was ist Ihre Agenda als Wirtschaftsminister, um die hiesige Wirtschaft vor Trumps Zollpolitik zu schützen?
Aiwanger: Schützen können wir sie leider nicht, gerade auch bayrische Automobil- und Maschinenbauexporte leiden durch die Zölle. Wir haben rund 30 Auslandsvertretungen des Freistaats zum Außenhandel und versuchen weltweit, auch dort unsere bayerischen Waren zu positionieren. Modernisieren, digitalisieren, wettbewerbsfähiger werden ist die Devise und die Binnenkonjunktur stärken, auch für Handwerk und Mittelstand.
BSZ: Halten Sie EU-Gegenzölle für sinnvoll?
Aiwanger: Die EU muss versuchen, mit Trump zu verhandeln, um Schlimmeres für beide Seiten zu verhindern. Jetzt Zölle nur mit Gegenzöllen zu vergelten, so dass sich alles immer mehr hochschaukelt, schadet uns in Bayern massiv. Die USA sind der wichtigste Exportmarkt unserer Industrie. Dorthin exportieren wir für knapp 30 Milliarden Euro pro Jahr. Ich befürchte, dass das jetzt einbricht. (Interview: Waltraud Taschner)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!