Immer wieder hat es in der Corona-Pandemie gekracht zwischen den Koalitionären CSU und Freie Wähler. Markus Söder gab den übervorsichtigen Landesvater, die FW forderten Lockerungen. Jetzt verlangen die FW einen Ausstiegstermin für die Beschränkungen.
BSZ: Herr Mehring, was ist so toll an der 3G-Regelung, die die Freien Wähler jetzt als großen Erfolg feiern? Tatsächlich wird dadurch das Leben für viele Menschen komplizierter, weil sie ständig zum Testen müssen.Und die anderen müssen immer ihren Nachweis vorzeigen.
Fabian Mehring: Die Alternative hierzu war die von Markus Söder favorisierte 2G-Regel nach dem Motto Freiheit nur für Geimpfte, die gleichbedeutend mit einem indirekten Impfzwang gewesen wäre. Dann wäre das Leben von Menschen, die sich nicht impfen lassen können oder wollen, in der Tat weniger kompliziert gewesen – sie hätten dann nämlich schlicht zu Hause bleiben müssen. Auf diese Weise Bürgern ihre Grundrechte vorzuenthalten, obwohl sie per Test nachweisen können, dass es hierfür keinen Grund gibt, wäre mit meinem Demokratieverständnis nicht vereinbar gewesen. Deshalb bin ich froh, dass wir Freien Wähler uns mit der Gleichstellung von Geimpften, Genesenen und Getesteten durchgesetzt haben. Uns endlich von der Inzidenzzahl zu verabschieden und über die 3G-Regel auch bei höheren Inzidenzen Normalität und Sicherheit unter einen Hut zu bringen, halte ich für das richtige Rezept für den nahenden Herbst.
BSZ: Tatsächlich werden jetzt viele Menschen, die keine Impfung wollen, nicht mehr zum Essen gehen. Oder zum Sport ins Fitnessstudio. Oder zur Massage. Oder zur Maniküre. Was für die betroffenen Unternehmen ja auch finanziell von Nachteil ist. Hat man das bedacht?
Mehring: Hätte die CSU sich mit der 2G-Regel durchgesetzt, hätten Menschen ohne Impfschutz grundsätzlich weder zum Sport noch in die Gastronomie oder zur Massage gedurft. Sie hätten vielmehr wieder leben müssen wie im Lockdown. Weil wir stattdessen auf 3G setzen, genügt auch für Ungeimpfte ein Test, um uneingeschränkte Freiheit zu genießen – egal bei welcher Inzidenz. Das ist nicht nur ein großer Erfolg für uns Freie Wähler, sondern ein gewaltiger Fortschritt im Pandemiemanagement, der insbesondere den betroffenen Unternehmen massiv zugutekommt.
BSZ: Wurde der Aufwand einkalkuliert, den zum Beispiel die Gastro jetzt hat? Die müssen nicht nur die 3G-Nachweise kontrollieren. Sondern auch den dazugehörigen Ausweis, um zu schauen, ob beides zusammengehört. Die Wirte stöhnen jetzt schon.
Mehring: Kontrollen machen niemandem Freude und dürfen freilich kein Dauerzustand sein. Ich bin mir aber sicher, dass Bayerns Wirte diesen Zusatzaufwand gerne in Kauf nehmen, wenn sie dadurch auch im Herbst und Winter – unabhängig von der Inzidenzzahl – offen bleiben können. In Österreich, wo man seit Wochen auf 3G setzt, hat sich das hervorragend eingespielt.
"Zwischenzeitlich haben doch alle ein Impfangebot. Da könnten die Maßnahmen zeitnah fallen."
BSZ: Die FDP fordert jetzt einen Freedom Day, an dem klar festgelegt ist, wann Maßnahmen wie Test- und Maskenpflicht fallen sollen. Nämlich dann, wenn jeder ein Impfangebot hatte. Was im Prinzip bereits der Fall ist. Was sagen Sie dazu?
Mehring: Ich freue mich immer, wenn andere Parteien die Positionen von uns Freien Wählern teilen. Nachdem zwischenzeitlich endlich allen ein Impfangebot gemacht werden konnte, könnte es von mir aus gerne zeitnah damit losgehen.
BSZ: Haben Sie mit Markus Söder schon mal über einen Freedom Day gesprochen?
Mehring: Über die Umsetzung unserer Idee sprechen wir mit unseren Koalitionspartnern in den Gremien unserer Bayernkoalition. Ich hoffe, dass wir dabei erneut mit unseren Argumenten überzeugen, wie uns das zuletzt bei der Abschaffung der Inzidenzzahl und der Einführung der 3G-Regel gelungen ist.
BSZ: Schwer vorstellbar, dass die CSU jetzt, vor dem Winter, die Maßnahmen aufheben will.
Mehring: Aber die heutige Situation, in der sich jeder impfen oder testen lassen kann, der möchte, unterscheidet sich doch nicht mehr von der Lage, die für das nächste oder übernächste Jahr zu erwarten ist. Wer also keinen Lockdown in Dauerschleife will, muss folgerichtig jetzt damit beginnen, alle Beschränkungen zurückzunehmen und sukzessive zur Normalität zurückkehren.
BSZ: Soll Ihr Freedom Day eine bayerische oder eine Bundeslösung werden? Ist ja schwer vorstellbar, dass ein Bundesland da voranprescht.
Mehring: Das sehe ich anders. Schließlich war es seit Corona fast der Regelfall, dass Bayern vorangegangen ist und die anderen Bundesländer sich anschließend unserem bayerischen Weg angeschlossen haben. Was beim Weg in den Lockdown erfolgreich war, kann doch auch beim Rückweg in die Normalität gelingen. Am Ende brauchen wir freilich keinen Flickenteppich, sondern eine bundesweite Lösung. Dass Bayern dabei erneut vorangeht, kann ich mir gut vorstellen.
"2G kommt einem indirekten Impfzwang gleich. Das wollen wir nicht."
BSZ: Wie sollen die Kriterien konkret aussehen, um den Freedom Day umzusetzen? Wie viel Krankenhausauslastung, welche Impfquote?
Mehring: Für mich ist weniger die Impfquote entscheidend als die Bedingung, dass allen ein Impfangebot gemacht wurde. Wenn das der Fall ist, endet die kollektive Schutzverantwortung des Staates. Danach trägt jeder sein eigenes Risiko und die Aufgabe der Politik erschöpft sich darin, die Kapazitätsgrenzen des Gesundheitssystems im Auge zu behalten. Wo diese liegen, sollten wir nicht politisch definieren, sondern wir sollten auf den Rat der Experten aus den Krankenhäusern hören. Ich könnte mir gut vorstellen, ab dem Freedom Day alle verpflichtenden Corona-Regeln abzuschaffen. Wer will, schützt sich dann nach eigenem Ermessen durch Impfung, Test oder Maske. Falls in einem Landkreis die Hospitalisierung eskaliert, tritt dort als neue Notbremse wieder 3G in Kraft. Mehr Schutz als Impfungen und Tests steht schließlich auch für die Zukunft nicht in Aussicht – und irgendwann müssen wir zurück zur Normalität.
BSZ: Gibt es eigentlich bei der jetzt geplanten 3G-Regelung, die weniger auf Inzidenz und mehr auf andere Faktoren achten soll, Überlegungen, wie man Lockerungen ermöglichen kann? Ansonsten bleibt ja das nächste halbe Jahr für Nichtgeimpfte alles beim Alten.
Mehring: Genau genommen entspricht 3G ja schon der maximalen Lockerung. Man weist nach, geimpft, getestet oder genesen zu sein und muss dann – mal abgesehen von der Maskenpflicht an bestimmten Orten – keine weiteren Einschränkungen mehr hinnehmen. Die nächste Stufe wäre dann ein Freedom Day, ab dem auch 3G nur noch in Regionen gilt, in denen die Krankenhäuser besonders belastet sind.
BSZ: Markus Söder und andere denken über 2G nach. Schließen Sie das für alle Zeiten aus?
Mehring: 2G würde bedeuten, die Menschen, die sich nicht impfen lassen können oder wollen, vom öffentlichen Leben auszuschließen und dadurch einen indirekten Impfzwang zu erlassen. Das würde Wasser auf die Mühlen rechter Spinner gießen und unsere Gesellschaft weiter spalten. Ich bin deshalb froh, dass der Ministerpräsident für diesen Vorschlag weder auf Bundesebene noch im Land eine Mehrheit gefunden hat.
BSZ: Auf wie viel Verständnis dürfen Menschen, die eine Impfung ablehnen, bei Ihnen persönlich hoffen? Finden Sie es nachvollziehbar, wenn jemand sagt, es gibt keine Langzeiterfahrungen mit diesen Vakzinen, das ist mir nicht geheuer.
Mehring: Ich kümmere mich viel um meinen 90-jährigen Opa. Als parlamentarischer Geschäftsführer meiner Regierungsfraktion musste ich auch während der Pandemie ständig persönlich an Sitzungen teilnehmen, konnte meine Kontakte nur bedingt reduzieren und hatte deshalb immer Angst, ihn eines Tages anzustecken. Deshalb war ich sehr froh, als ich endlich mit dem Impfen an der Reihe war. Trotzdem finde ich, dass in einer liberalen Demokratie jeder selbst über seinen Körper zu entscheiden hat. Politik kann etwas wie das Impfen deshalb nicht befehlen, sondern einzig versuchen, die Menschen mit wissenschaftlichen Argumenten davon zu überzeugen. Wenn Menschen Zweifel haben, ist genau das offenbar nicht gelungen. Das ist legitim und muss von einer demokratischen Gesellschaft akzeptiert werden.
(Interview: Waltraud Taschner)
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