Schon länger warnt Peter Schirmacher, Chefpathologe der Universität Heidelberg, vor einer hohen Dunkelziffer an Impftoten, weil zu wenig obduziert wird. Eine von ihm Ende November veröffentlichte Studie bestätigt diese Sicht. Der Professor und sein Team hatten Menschen obduziert, die in den ersten 14 Tagen nach einer Impfung scheinbar völlig gesund gestorben waren. Dabei entdeckten sie in einigen Fällen einen Zusammenhang zwischen Impfung und Tod.
BSZ: Herr Schirmacher, Sie beschäftigen sich intensiv mit unentdeckten Impfschäden und haben schon im vergangenen Jahr öffentlich dazu gedrängt, mehr Geimpfte zu obduzieren. Warum gibt es dazu nach wie vor keine breite gesellschaftliche Diskussion?
Peter Schirmacher: Fragen der Autopsie und spezifische fachliche Diskussionen zu Impfwirkungen tun sich in einer breiten gesellschaftlichen Diskussion schwer – und vielleicht gehören sie auch nicht da hin. Wichtig ist, dass diese Ergebnisse in den Fachgremien und bei gesundheitspolitischen Entscheidungen verantwortungsvoll berücksichtigt werden. Wir haben sofort dazu geraten, Sars-CoV-2-Verstorbene und ab 2021 auch Personen, die im Kontext einer Impfung in ungeklärtem oder gar fraglichem Zusammenhang mit der Impfung verstorben sind, zu obduzieren. Dies ist eigentlich eine Verantwortung, die aus einer kompetenten Leichenschau und dem weiteren Umgang hiermit für alle Beteiligten erwächst. Dies hat damals schon zu Diskussionen geführt.
BSZ: Und was ist danach passiert?
Schirmacher: Leider hat nur das Land Baden-Württemberg – und dies sogar parteiübergreifend – die Notwendigkeit erkannt, unsere umfassenden Untersuchungen an seinen Universitätskliniken als Register, Biobank und auch Forschungsvorhaben zu unterstützen und im Verlauf auch an neue Fragen wie Durchbruchinfektionen, Covid-Spätfolgen und impfassoziierte Todesfälle anzupassen. Dies ist besonders hervorzuheben. Und aus unserem Netzwerk heraus sind zahlreiche wichtige Arbeiten zu Covid und jetzt auch Impfkomplikationen entstanden, die maßgeblich zum Verständnis und damit zur Diagnose und Behandlung beigetragen haben. Wir können so einige wichtige Fragen angehen und auch beantworten, aber nicht alle. Und eine umfassende Erfassung und Bearbeitung können wir nicht leisten.
BSZ: Nachdem der Staat keinen Eifer gezeigt hat, umfassend Daten zusammenzutragen, springen andere in die Bresche. Die AfD hatte einen Statistiker beauftragt, Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auszuwerten – die Zahlen stifteten viel Verwirrung.
Schirmacher: Ich stimme Ihnen zu, dass, wenn man sich nicht umfassend um Klärung dieser berechtigten Fragen bemüht, dann tatsächlich Wissenslücken bleiben, die zu Fehlsteuerung und Fehlentscheidungen führen können. Wenn zudem der Eindruck entsteht, dass man sich darum nicht hinreichend bemüht, entsteht ein Vakuum, das Zweifel, Misstrauen und auch Missinformation befördert. Dies sollte nicht passieren. Dies vermeidet man, wenn man von Anfang an auch diesen Fragen mit aller Intensität im Sinne von Impfsicherheit, Impfstoffverbesserung und Bevölkerungsschutz nachgeht. Und schließlich geht es maßgeblich auch um die einzelnen Betroffenen, deren Diagnose, bestmögliche Behandlung und gegebenenfalls Entschädigung. Ich denke, dass wir hier einiges hätten besser machen können.
BSZ: Sie haben am 27. November im Magazin „Clinical Research in Cardiology“ eine Studie zu möglichen Folgen der Covid-Impfungen veröffentlicht. Dabei kommen Sie zum Schluss, dass es tödlich verlaufende Herzmuskelentzündungen nach einer mRNA-Impfung gegen Sars-CoV-2 geben kann …
Schirmacher: Das ist korrekt und das hat außer uns mittlerweile auch eine Reihe weiterer Publikationen und Meldungen bestätigt.
BSZ: Bei wie viel Prozent der Menschen, die kurz nach einer solchen Impfung gestorben sind, ist die Impfung die Ursache?
Schirmacher: Unsere Untersuchung erlaubt keine Mengenaussagen und keine Hochrechnung und wir haben dies auch nie getan. Dies liegt daran, dass wir uns in dieser Untersuchung mit einem ganz spezifischen Kollektiv befasst haben, nämlich Personen, die überraschend aus mutmaßlicher Gesundheit heraus und in engem zeitlichen Kontext zur Impfung tot aufgefunden wurden, also Personen, die keinen Arzt nach der Impfung gesehen haben und somit keine Patienten waren. Aufgrund dieser spezifischen Einschlusskriterien und auch weil wir nicht wissen, zu welchem Anteil wir auch nur in unserer Region solche Fälle erfasst haben, kann man keine Aussagen zur Häufigkeit machen. Wir waren hierbei vollständig auf Unterstützung von Ämtern, Kolleginnen und Kollegen und auch Angehörigen angewiesen, denen wir ausdrücklich danken möchten. Es ist aber sicher so, dass diese unerwünschten Wirkungen nicht auf Baden-Württemberg beschränkt sind.
BSZ: Was für Auffälligkeiten gab es denn etwa in Bezug auf das Alter oder sonstige Merkmale der Verstorbenen?
Schirmacher: In Bezug auf Alter und Geschlecht gab es bislang keine Besonderheiten, wenn man davon absieht, dass unsere Fälle im Schnitt 20 Jahre jünger als die von uns ebenfalls umfassend untersuchten Covid-Verstorbenen sind. Wir können bislang aus unseren Untersuchungen nicht ableiten, warum es ausgerechnet diese Personen betroffen hat und mir ist auch keine Untersuchung bekannt, die das bislang könnte. Alle von uns untersuchten Verstorbenen sind innerhalb von sieben Tagen nach Impfung verstorben, aber ich kann nicht ausschließen, dass dies an unseren selbst gewählten Einschlusskriterien liegt, nämlich einem maximalen Abstand von 14 Tagen zur Impfung. Es sind einzelne Fälle berichtet, bei denen auch mehr als 14 Tage Abstand zur Impfung bestanden haben soll. Uns ging es auch darum, möglichst sauber die Merkmale der letalen Myokarditis zu erarbeiten, und dafür braucht es klare Kriterien.
BSZ: Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) fordert als Konsequenz Ihrer Studie deutlich mehr Obduktionen. Das dürfte in Ihrem Sinne sein, oder?
Schirmacher: Ja, ich finde das notwendig, dass derartige Fälle gemeldet werden und umfassend geklärt werden. Lässt sich nicht definitiv eine andere Todesursache ermitteln – es handelt sich dann um eine sogenannte unklare Todesart –, sollte eine Obduktion durchgeführt werden. Aufgrund der spezifischen Anforderungen und erforderlichen Sachkenntnis sollte eine sachkundige Pathologie in die Ermittlung der Obduktionsbefunde einbezogen werden.
BSZ: Wie läuft es denn aktuell, wenn jemand nach einer Corona-Impfung stirbt?
Schirmacher: Das Meldeverhalten und die weitere Klärung sind in Bezug auf die Klärung von impfbezogenen Fragen unstrukturiert und ungenügend. Die allermeisten fraglichen Fälle gelangen nicht zur Obduktion und können dann allenfalls oberflächlich bewertet werden. Ich denke auch, dass ohne unser Programm in Baden-Württemberg die allermeisten unserer Fälle nicht obduziert und damit nicht geklärt worden wären. Auch von den beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldeten Fällen ist nur eine Minderzahl obduziert worden. Ich möchte nur erwähnen, dass nach dem Infektionsschutzgesetz schwere Impfnebenwirkungen überhaupt und für die Nachkommen auch Todesfälle entschädigungsfähig sind, aber nur auf Antrag, und es wird im Einzelfall schwerfallen, ohne Obduktion den Antrag so zu begründen, dass eine Entschädigung erfolgen kann.
BSZ: Was glauben Sie: Warum ist denn nicht schon jetzt mehr passiert?
Schirmacher: In Baden-Württemberg ist wie gesagt einiges erfolgt, aber warum das nicht bundesweit und in anderen Bundesländern Schule gemacht hat, müssen Sie die Verantwortlichen fragen. Bundesweit hat man zum Beispiel gerade ein Programm, Naton, zusammengestrichen, in dem man zumindest Autopsien melden konnte und das Potenzial zur Forschungsunterstützung hatte.
BSZ: Welche Reaktionen haben Sie auf die Veröffentlichung hin erreicht?
Schirmacher: Mich haben in erheblicher Zahl und ausschließlich positive Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen, Betroffenen und auch anderen damit befassten Arbeitsgruppen erreicht. Der Grundtenor ist der, dass Untersuchungen wie unsere wichtig sind und unbedingt weiter erfolgen sollen, und Ärzte und Betroffene haben viele Beobachtungen in diesem Kontext mitgeteilt. Viele Betroffene haben sich positiv bis erleichtert geäußert, dass ihre Fragen und Probleme wahrgenommen, ernst genommen und beforscht werden.
BSZ: Wie beurteilt das für die Impfstoffüberwachung zuständige Paul-Ehrlich-Institut Ihre Arbeit?
Schirmacher: Das PEI ist über unsere Ergebnisse vollumfänglich informiert und hat unser Programm ausdrücklich und offiziell wegen unserer Arbeit und Datenqualität als Leuchtturmprojekt bezeichnet. Alle unsere Ergebnisse haben wir an das PEI berichtet und mit dem PEI besprochen. Das PEI tut sicher sein Bestes, ist aber auf die Meldungen, Dokumentation und Datenqualität von außen angewiesen. Deshalb ist es wichtig, dass die Fälle auch gemeldet werden. Das PEI hat nur begrenzte Ressourcen, etwa um fragliche Fälle zu klären, und kann keine eigenständigen, weiterführenden Untersuchungen anstellen.
BSZ: Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt weiterhin mRNA-Impfungen für Kinder – auch mit dem Hinweis darauf, dass schwere Nebenwirkungen sehr selten aufträten.
Schirmacher: Dies ist aus meiner Sicht nicht der richtige Ansatz. Was ist schwerwiegend? Wenn Sie ins Krankenhaus müssen, wenn Sie dauerhaft geschädigt sind oder wenn Sie sterben? Und was ist die Bezugsgröße für sehr selten? Grundsätzlich meine ich, dass, wenn eine schwere Nebenwirkung vermeidbar gewesen wäre, schon ein Fall zu viel ist. Wenn ein 40-jähriger Gesunder stirbt, bedeutet dies statistisch den Verlust von fast 50 Lebensjahren. Um statistisch betrachtet 50 Lebensjahre zu retten, müssen viele Menschen geimpft werden. Nur als ein hypothetisches Rechenbeispiel: wenn nur eine Person von 10 000 Geimpften eine schwere Nebenwirkung erfahren würde, was ja selten wäre, würden wir bei 75 Millionen Geimpften immerhin von 7500 Betroffenen reden. Da schwere unerwünschte Wirkungen neben dem Herz zum Beispiel auch Leber, Niere und die Muskulatur betreffen können und nicht umfassend erfasst werden und in den meisten Fällen nicht genau nachuntersucht werden, lassen sich hier keine belastbaren Aussagen treffen.
BSZ: Was folgern Sie daraus?
Schirmacher: Ich persönlich sehe es so, dass eine Empfehlung einer Impfung gegen Sars-CoV-2 für Kinder, mit Ausnahme seltener besonders gefährdeter Fälle, zum Beispiel bei Lungenkrankheiten wie der Mukoviszidose, aus der Sachlage heraus nicht begründet ist und sie nicht zu den Impfungen gehört, deren Umsetzung bei Kindern vorrangig sein sollte. Dies ist wie gesagt meine persönliche Meinung.
BSZ: Welche Impfempfehlungen würden Sie denn jetzt geben?
Schirmacher: Impfempfehlungen müssen die erwünschten Wirkungen – Selbst- und Fremdschutz gegen Infektion beziehungsweise Erkrankung –, die Schutzwürdigkeit – Schwere und Verbreitung der Infektion – sowie die unerwünschten Wirkungen der Impfung – Erkrankung, Tod – umfassend berücksichtigen und bewerten. Auch logistische Fragen, etwa die Verfügbarkeit der Impfung, und die Betroffenheit verschiedener Bevölkerungsgruppen – Alter, Geschlecht, Gefährdungsgrad – müssen differenziert bedacht werden. Bei Impfungen ist es so, dass meist Gesunde vakziniert werden – da kommt der umfassenden und möglichst genauen Erfassung aller unerwünschten Wirkungen mit Blick auf eine verantwortungsvolle Impfempfehlung eine große Bedeutung zu. Wir können aufgrund unserer Untersuchungen kompetent zu diesem wichtigen Aspekt beitragen, aber ich maße mir nicht an, kompetent alle genannten Aspekte beurteilen zu können. Aus dem Grund ist die Stiko auch eine Kommission, die verschiedenes Fachwissen zusammenführen muss.
BSZ: Aber was empfehlen Sie persönlich?
Schirmacher: Meine persönliche Meinung ist die, dass angesichts der deutlich geringeren krankmachenden Wirkung der derzeitigen Virusvarianten die Sachlage für jegliche Impfempfehlung schmal ist und derzeit andere respiratorische Infekte im Vordergrund der Krankheitslast stehen. Unsere umfassenden Untersuchungen der Obduktionen von Sars-CoV-2 positiven Verstorbenen zeigen, dass seit Mitte 2021 diese ganz überwiegend nicht mehr an Covid versterben, sondern unabhängig von der Sars-CoV-2-Infektion. Wenn überhaupt, wäre aus meiner persönlichen Sicht eine Impfempfehlung für eine Personengruppe wie bei der Influenza angemessen.
BSZ: Viele sind inzwischen zwei- bis dreimal geimpft, entsprechend ist die Zahl der Impfungen stark zurückgegangen. Gibt es da noch eine Basis für weitere Forschung zu Nebenwirkungen?
Schirmacher: Mittlerweile wird zwar weniger, aber weiterhin in erheblicher Zahl gegen Sars-CoV-2 geimpft. Wir haben derzeit eine Impfempfehlung, die praktisch alle Bevölkerungsgruppen, einschließlich Kinder, umfasst, und wir haben eine gesetzliche Vorgabe zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Das sind sehr starke Maßgaben, die sogar dazu verpflichten, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, was zum Beispiel auch im Infektionsschutzgesetz seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner dient die Forschung auch der korrekten Bewertung der bereits vorliegenden Fälle, grundsätzlich und im Einzelfall. Hier bestehen wichtige offene Fragen, die entweder durch umfassende Registrierung aller unerwünschten Wirkungen oder im Rahmen weiterführender Forschung im Sinne der Impfverbesserung, der Impfindikation und des Bevölkerungsschutzes geklärt werden sollten.
BSZ: Welche Fragen sind das?
Schirmacher: Gibt es etwa genetische Faktoren oder bestimmte Vorerkrankungen – zum Beispiel Autoimmunerkrankungen –, die schwere Impffolgen begünstigen? Impffolgen sind impfstoffabhängig – aber welche Merkmale und Bestandteile des Impfstoffs bestimmen das? Spielen bestimmte Applikationsarten eine Rolle? Es gibt zum Beispiel Hypothesen, wonach unbeabsichtigte Gefäßinjektionen für schwere Impfnebenwirkungen, wie eine Herzmuskelentzündung, eine Rolle spielen könnten.
BSZ: Es gibt also noch viel Aufklärungsbedarf.
Schirmacher: Untersuchungen wie unsere sind ein Anfang und weitere Untersuchungen sind notwendig. Schließlich dient die Forschung auch dem Erkenntnisgewinn über die spezifische Anti-Sars-CoV-2-Impfung hinaus, denn diese Strategien kommen bei anderen Impfungen und auch anderen Behandlungen zum Einsatz. Impfungen zählen zu den wichtigsten und hilfreichsten medizinischen Errungenschaften. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, kontinuierlich an ihrer Verbesserung zu arbeiten. (Interview: Thorsten Stark)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!