Jahrelang kannte der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs im Landkreis Fürstenfeldbruck nur eine Richtung: Takte wurden verdichtet und neue Linien eingeführt. Das Busnetz wurde sogar ausgezeichnet. Doch im Juni kündigte das Landratsamt Einsparungen an: Einige Linienführungen und Haltestellen sollen wegfallen, Samstagsfahrten gestrichen werden. Angesichts eines jährlichen Defizits von gut 13 Millionen Euro will der westlich von München gelegene Landkreis auch beim ÖPNV sparen. Im Vergleich zu zahlreichen anderen Kommunen stehen die Brucker aber noch gut da. Bereits im vergangen Herbst verhängten die Städte Straubing und Ingolstadt eine Haushaltssperre, Erlangen zog vergangene Woche nach. Dort sorgte ein Gewerbesteuereinbruch für ein Defizit von 50 Millionen Euro. Gespart wird nun etwa bei Weiterbildungen fürs Personal, der Begrünung der Stadt, beim Klimaschutz, der Kulturförderung oder der Kinderbetreuung.
Auch der Landkreis Würzburg hat einen Haushaltsstopp verhängt, um zu verhindern, dass der dortige Schuldenstand bis zum Ende des Jahres auf 50 Millionen Euro ansteigt. Gründe für die explodierenden Ausgaben sind laut Landratsamt deutlich gestiegene Kosten für die Jugendhilfe und die Unterbringung von Flüchtlingen sowie die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst.
Ein Problem für die Kommunen: Sie sind für die Unterbringung der vielen ukrainischen Bürgergeldbezieher*innen verantwortlich.Vom Bund erhalten sie dafür jedoch keine Mittel. Wegen aus dem Ruder laufender Ausgaben schlagen die kommunalen Spitzenverbände auf BSZ-Anfrage Alarm. Im vergangenen Jahr sammelte sich bei den Kommunen ein Defizit von 2,5 Milliarden Euro an – laut Bayerischem Städtetag „ein Rekorddefizit“. Mit 3,7 Milliarden Euro habe das Defizit in den ersten drei Monaten dieses Jahres „das mit Abstand höchste kommunale Defizit in einem Jahresauftaktquartal erreicht“.
Ein deutlich negativer Finanzierungssaldo
Dem Präsidenten des Bayerischen Landkreistags Thomas Karamsin zufolge zeichnet sich für das laufende Jahr „ein deutlich negativer Finanzierungssaldo und damit eine weitere Verschärfung der kommunalen Finanzlage ab“. Der CSU-Politiker konstatiert: „Die Landkreise sind mit starken Ausgabensteigerungen in nahezu allen Aufgabenbereichen konfrontiert.“ Dies gelte „vor allem für die dramatisch steigenden sozialen Lasten“. Laut Karmasin haben diese ihren Ursprung „überwiegend in der Bundesgesetzgebung“. Tatsächlich hat Berlin nicht nur die hohen Flüchtlingskosten zu verantworten – auch die Situation der kommunalen Kliniken ist besorgniserregend. Vier von fünf Krankenhäusern könnten „aufgrund der unzureichenden Betriebskostenfinanzierung durch den Bund ihre Kosten nicht decken“. Die Zeche zahlen die Kommunen. Die Steuereinnahmen der bayerischen Kommunen, die sich im vergangenen Jahr auf gut 25 Milliarden Euro summierten, stagnierten zuletzt, während die Ausgaben weiter zulegten. Laut Karmasin mussten in den Jahren 2023 und 2024 zwei Drittel der bayerischen Landkreise ihre Kreisumlagesätze anheben. Der durchschnittliche Kreisumlagesatz 2024 liege mit 47,8 Prozent „wieder auf dem Niveau von dem durch die Jahre der Eurokrise geprägten 2014“. Die Kreise nahmen den Gemeinden also gezwungenermaßen deutlich mehr Geld ab, um die Gemeinschaftsaufgaben zu finanzieren.
Die wiederum wissen oft kaum noch, wo sie sparen sollen. „Für das Haushaltsjahr 2024 hatten noch nie so viele Gemeinden ein Probleme einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen“, sagt Hans-Peter Mayer. Der Direktor des Bayerischen Gemeindetags berichtet, dass besonders bei den Investitionen gespart werde. Münchens Stadtkämmerer Christoph Frey (SPD) bestätigt: „Wir können uns aktuell bestimmte Investitionen nicht leisten, auch wenn sie sinnvoll und notwendig sind.“ Vielerorts droht der ÖPNV-Ausbau unter die Räder zu geraten. Zahlreiche Kommunen erhöhten zuletzt die Grund- oder Gewerbesteuer. „Inzwischen ist in vielen Städten und Gemeinden ein Schmerzpunkt erreicht“, sagt Markus Pannermayr, Vorsitzender des Bayerischen Städtetags.
Ebenso wie Mayer und Karmasin fordert er, dass nicht weiter Aufgaben vom Bund und den Ländern an die Kommunen delegiert werden, ohne diese mit ausreichend Mitteln auszustatten.
Kommunalvertreter wünschen sich als Sofortmaßnahme mehr Geld vom Freistaat. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verweist darauf, dass der kommunale Finanzausgleich 2024 mit rund 11,4 Milliarden Euro „erneut ein Spitzenniveau erreicht hat“. Er sieht den Bund in der Pflicht: „Die Migration muss auf ein Maß begrenzt werden, das die Kommunen nicht überfordert“. Auch müsse sich der Bund „endlich angemessen finanziell an den Kosten der seinerseits zu verantwortenden hohen Zugangszahlen beteiligen“.
(Tobias Lill)
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