Die Menschen in Bayern ächzen unter ständig steigenden Mieten. In München liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis inzwischen bei über 20 Euro – 3 Prozent mehr als noch vor drei Jahren. Das geht selbst manchen Vermieter*innen zu weit. „Menschen sind keine Investitionen, sondern brauchten ein sicheres Zuhause“, lautet zum Beispiel das Credo von Wolfgang Fischer. Der Schauspieler könnte für sein geerbtes Mietshaus in bester Münchner Innenstadtlage 30 bis 40 Euro pro Quadratmeter kassieren, er verlangt von seinen Mieter*innen aber nur zwölf. Das bringt ihm und anderen sozial Denkenden Ärger mit dem Finanzamt ein.
Aus Sicht des Fiskus ist eine Miete von 66 Prozent unter der ortsüblichen Miete sogenannte Liebhaberei. Das Bundeseinkommensteuergesetz verlangt eine „Gewinnabsicht“. Die Gründe für die verbilligte Miete sind unerheblich, Spielräume haben die Finanzämter nicht. Das führt dazu, dass Reparatur- oder Modernisierungskosten nicht mehr voll steuerlich geltend gemacht werden können. Es soll so verhindert werden, dass Eltern ihre Wohnungen zu günstigen Mieten den Kindern überlassen und sich aus Steuergeldern auch noch die vollen Kosten für Sanierungen erstatten lassen. Seit Einführung dieser Vorschrift hat sich der Mietmarkt allerdings stark verändert. Der Bund hat darauf immerhin ein wenig reagiert und die Schwelle 2021 unter bestimmten Umständen auf 50 Prozent gesenkt.
Dem Münchner Haus- und Grundbesitzerverein geht das nicht weit genug. Der Verband fordert eine ersatzlose Streichung der „nicht mehr zeitgemäßen Vorschrift“. „Die Zahl der Fälle hat gerade in den letzten zehn Jahren stark zugenommen und wird in nächster Zeit noch deutlicher zunehmen“, warnt der Vorsitzende Rudolf Stürzer im Gespräch mit der Staatszeitung. Für die Berechnung der ortsüblichen Miete sind nämlich nur Wohnungen relevant, die neu vermietet wurden oder bei denen in den letzten sechs Jahre die Miete erhöht wurde. Dadurch kennt der Mietspiegel nur eine Richtung: nach oben. Stürzer ist daher als Anwalt gezwungen, betroffenen Vermietenden zu einer Mieterhöhung zu raten. „Alles andere wäre ein Haftungsfall.“
Manche sozial Vermietenden können es sich leisten und bleiben trotz der steuerlichen Nachteile standhaft. Laut Mietspiegel-Experte Göran Kauermann von der Universität München zeigt eine grobe Analyse, dass rund 1 Prozent der Wohnungen unter den Schwellenwert der Finanzämter fallen. Andere sind gezwungen, gegen ihren Willen die Mieten zu erhöhen, weil sie schlicht nicht das Geld für mögliche Steuernachforderungen haben. Letztes Jahr musste ein Münchner Vermieter sogar sein Mietshaus verkaufen, weil er sich die hohen Steuernachzahlungen wegen der aus Sicht des Fiskus zu günstigen Mieten nicht leisten konnte.
Eigentlich wollen das alle: Sozial Vermietende schützen
Die Staatsregierung ist mit der aktuellen Regelung ebenfalls unzufrieden. Sie begrüßt zwar, dass nach einer bayerischen Bundesratsinitiative der Schwellenwert von 66 auf 50 Prozent abgesenkt werden kann. Dafür seien aber aufwendige Prüfungen notwendig. Der Freistaat hatte gefordert, die Grenze ohne weitere Voraussetzungen auf 50 Prozent zu senken. „Wäre Bayerns Vorschlag vollends umgesetzt worden, hätten soziale Vermieter nicht nur mehr Rechtssicherheit erhalten, es hätte auch erheblicher Bürokratieaufwand vermieden werden können“, sagt eine Sprecherin des Bayerischen Landesamts für Steuern auf BSZ-Anfrage.
Änderungen verlangen in Bayern auch die Parteien, die im Bund in der Regierung sitzen. Der Landtagsabgeordnete Jürgen Mistol (Grüne) fordert steuerliche Entlastung von privat Vermietenden, wenn sie über Jahre hinweg Mieten gar nicht oder nur maßvoll erhöhen – ohne starre Prozentgrenzen. Sebastian Körber (FDP) spricht sich dafür aus, nur noch bei Mietverhältnissen unter nahen Angehörigen nicht die vollen Steuervorteile zu gewähren. Steuererleichterungen für faire Vermietende kann sich auch die Münchner SPD/Volt-Stadtratsfraktion vorstellen. Fraktionschef Christian Müller pocht aber vor allem darauf, bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete auch Bestandsmieten einzuberechnen. Dadurch würde der Mietspiegel in München auf einen Schlag um 8,6 Prozent sinken.
Das Bundesfinanzministerium plant allerdings derzeit keine Überarbeitung der Liebhaberei-Regelung, auch im Koalitionsvertrag sei nichts Entsprechendes vereinbart worden, heißt es aus dem Haus von Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Die Menschen in Wolfgang Fischers Mietshaus können die Entwicklung entspannt verfolgen. Nach seinem Tod erbt eine Münchner Genossenschaft die Wohnungen – in der sie automatisch Mitglied sind. Inklusive lebenslangem Wohnrecht und moderaten Mieten.
(David Lohmann)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!