Unser Bayern

Das Gelände von Höhenried mit dem Schloss und der LVA-Klinik, im Hintergrund der Karpfenwinkel von Tutzing. (Foto: SZ Photo)

14.07.2023

Bierdollars für ein Traumschloss

Wilhelmina Busch-Woods führte am Starnberger See ein luxuriöses, gleichzeitig aber auch spendables Leben

Quizfrage zur jüngeren deutschen Geschichte: Wann baute welche ausländische Millionärin an Bayerns berühmtestem See das letzte Schloss in Deutschland, und warum konnte sie es erst Jahre nach seiner Fertigstellung beziehen?

Es war Wilhelmina Busch-Woods, Millionenerbin des bis heute weltweit größten Brauereikonzerns Anheuser-Busch im amerikanischen St. Louis, die Anfang des vorigen Jahrhunderts an den Starnberger See kam, sich in Höhenried auf einer der schönsten Anhöhen ein neobarockes Schloss bauen ließ. 1939 war es fertiggestellt – aufgrund der politischen Verhältnisse konnte die schwerreiche Bauherrin aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg dort einziehen.

In der zeitgenössischen Presse als „Last Queen of Bavaria“ tituliert, spielte bei ihr im Gegensatz zum lokalen Königshaus Geld nie eine Rolle. Das zeigte sich sowohl in ihren Ansprüchen an die architektonische Gestaltung als auch in ihrer gesamten Lebensführung.

Damit ist der äußere Rahmen zu dem abenteuerlichen Leben des 13. und letzten Kindes von Adolphus Busch und seiner Frau Elisa, genannt Lilly, gesteckt. Der Vater war 1857 mit 18 Jahren aus dem rheinischen Kastel nach Amerika ausgewandert, wo er in das Biergeschäft des ebenfalls deutschen Auswanderers Eberhard Anheuser einstieg. Gemeinsam setzten sie sich mit ihrer Anheuser-Busch Brewing Association in St. Louis schnell an die Spitze des internationalen Biermarkts und kamen zu märchenhaft viel Geld. Adolphus und sein Bruder festigten die Geschäftsbeziehungen noch dazu durch die Heirat mit je einer Anheuser-Tochter. Die Luxusvilla Lilly beim hessischen Bad Schwalbach nutzte die Großfamilie als Stützpunkt in Deutschland für ihren jährlichen langmonatigen Sommerurlaub, wohin Gäste aus den USA ebenso eingeladen wurden wie deutsche Prominenz und europäischer Adel.

Heimisch in der Pfauenvilla

Wilhelmina Irmingard Busch heiratete 1906 als 22-Jährige den deutschen Hopfenhändler, später Geheimrat und Konsul, Eduard August Scharrer. Sie ging zu „Eddy“ nach Deutschland. 1911 kamen sie bei einem Jagdausflug durch Bernried. Da ihnen das Dorf und die umgebende Parklandschaft mit ihren mächtigen Bäumen so gut gefielen, beschlossen sie, sich dort in einer feudalen Villa niederzulassen, die sie 1914 kauften. Auf der breit geschwungenen Freitreppe und im gut 40 000 Quadratmeter großen Garten tummelten sich schon bald hundert weiße Pfauen, weshalb dieser erste Wohnsitz „Pfauenvilla“ genannt wurde.

Dank eines Millionengeschenks des Vaters zur Hochzeit und regelmäßiger Devisen-Überweisungen aus ihrem Aktienerbe konnte Wilhelmina sich in Bernried problemlos weiter einkaufen, bis ihr zuletzt mehr als 750 Hektar Grund gehörten, was ziemlich genau der Hälfte des damaligen Gemeindegebiets entsprach. Trotz hoher finanzieller Einbußen während der amerikanischen Prohibition versiegte der Geldstrom aus Übersee nicht. 1927 kauften die Scharrers der Familie von Wendland – Besitzer des Schlosses Bernried – die Schwaige Höhenried auf der Anhöhe am Seeufer ab. Wobei in den Verträgen immer der Gatte als Käufer genannt wurde, das Geld aber die Ehefrau aufbrachte. Drei Jahre später bezog das Ehepaar das geräumige Gutshaus dort. Fortan residierten sie mit einem aufsehenerregenden Luxusleben, wie man es am See zuletzt bei Ludwig II. erlebt hatte. Da die „schöne Minnie“ weiterhin nicht auf die Mark schauen musste, bedachte sie den gern auch als Herrenreiter auftretenden oder sechsspännig mit Pferd und Wagen im Park kutschierenden Gatten mit einem nahe gelegenen Gut. Dort baute der Pferdenarr ein Gestüt auf und widmete sich seinem Hobby, der Pferdezucht. Ebenso standen die teuersten amerikanischen und deutschen Luxus-Automobile in der weiträumigen Remise. 1930 bewunderte auch der Mercedes-Liebhaber Adolf Hitler bei seinem Besuch das Sonderexemplar Scharrers – mit vergoldetem Kühler und eingebautem Waschbecken.

Guter Lohn für die Angestellten

Trotz ihres pompösen Auftretens blieben die Scharrers als Wohltäter für den Ort in Erinnerung. Viele Einheimische waren aufgrund ihrer einnehmenden und freundlichen Art sowie des guten Lohnes jahrelang bei Wilhelmina beschäftigt. Zeitweise hatte sie 150 Angestellte, die sie zu Festtagen beschenkte. Für die Dorfkinder richtete sie üppige Weihnachtsfeiern aus. Selbst blieb das Ehepaar ohne Nachkommen. Aus den 41 Bernrieder Jahren der Millionärin sind viele Anekdoten und Zeitzeugenberichte überliefert. Detailreich beschrieben hat sie der Tutzinger Peter Wiede in dem Buch Die Dollarkönigin vom Starnberger See.

Die „Gnädigste“ hatte zwar das Geld mit in die Ehe gebracht, das Sagen hatte aber der großspurige Reitersmann Scharrer. So fädelte er allerhand Geschäfte ein, die längst nicht alle von Erfolg gekrönt waren. Angeblich überwies er auch Adolf Hitler eine ansehnliche Summe, der „ziemlich scharf auf ihre Dollars“ gewesen sein soll, was Wilhelmina noch zugutekommen sollte. Auf jeden Fall unterstützte Scharrer bereits in den 1920er-Jahren die NSDAP. Eigenes Geld verdiente der Königliche Generalkonsul von Bulgarien unter anderem als Teilhaber der Zeitung Münchener Neueste Nachrichten sowie mit Aufsichtsratsposten in diversen süddeutschen Brauereien.

Die Ehe gipfelte in einer berauschenden Feier zur silbernen Hochzeit 1931. Da allerdings war Minnies Schönheit verblasst und Eddy schlug nicht nur an Leibesfülle über die Stränge. Nachdem sie seine Seitensprünge im ihr gehörenden Parkhotel am Münchner Maximiliansplatz spitzbekommen hatte, reichte sie umgehend die Scheidung ein und warf ihn hinaus. Scharrer war inzwischen krank und starb 1932 noch vor dem Scheidungsurteil. Sein Sarg wurde zur Bestattung nach Stuttgart übergeführt.

1930 zog der Arzt Carl Borchard nach Bernried, von dem nicht viel überliefert ist, außer dass die 19 Jahre ältere Witwe Wilhelmina ihn Ende 1933 ohne große Feierlichkeiten ehelichte.
In den nächsten Jahren wurde es für sie im idyllischen Bernried zusehends politisch. Denn sie wollte mehr: nicht nur einen üppigen Park mit Blumen, Tieren und Anpflanzungen, sondern auch ein noch ausgefalleneres repräsentatives Anwesen. So begann sie, ihren Traum vom Schloss Wirklichkeit werden zu lassen. Allerdings gab es auch für sie mit ihrem gesellschaftlichen Einfluss und dem immensen Vermögen keine „g´mahde Wies´n“ für das Begehr, in dieser einzigartigen Umgebung mal so eben ihren persönlichen Architekturwunsch durchzusetzen. Letztlich halfen ihr die politischen Umstände.

Der inzwischen an die Macht gekommene Adolf Hitler begann, sich seine Hauptstadt der Bewegung nach seiner kolossalen Architekturvorliebe zurechtbauen zu lassen. Dazu gehörte auch das Haus der Kunst, zu dessen Eröffnung im Sommer 1937 die zuführende Von-der-Tann-Straße angemessen verbreitert werden musste. Folglich waren bis Ende März des Jahres die an der Südseite gelegenen Privatanwesen Nr. 17 bis 27 abzubrechen. Letzteres gehörte nun just Wilhelmina Busch-Borchard. Geschäftstüchtig sah sie ihre Chance zu einem Deal: Sie forderte vom Staat 270 000 Reichsmark für das abzureißende Haus, zeigte sich zuletzt mit 175 000 RM einverstanden – wenn man ihr die Baugenehmigung und die Rohstoffbewilligung für Höhenried gewähre. Nachdruck verlieh sie ihren Forderungen durch Hinweise auf die finanzielle Unterstützung Hitlers durch Scharrer, die Einrichtung eines Lazaretts im Ersten Weltkrieg in der Pfauenvilla auf ihre Kos­ten und die damit verbundenen Ressentiments in Amerika mit zeitweiser Beschlagnahme des dortigen Familienvermögens der deutschen Einwanderer. Die Vereinbarung ließ sie sich schriftlich bestätigen mit der erneuten Drohung, bei einer Ablehnung Deutschland zu verlassen.

Das tat sie bei Fertigstellung des Schlosses im September 1939 tatsächlich, da sie nach Informationen über einen baldigen Kriegseintritt der USA beschloss, ihren Wohnsitz vorsichtshalber in die Schweiz zu verlegen, wie Erwin Ruckriegel in der Chronik zu Schloss Höhenried schreibt. Vor ihrer Übersiedlung nach Lugano ließ sie sich noch geräuschlos vom bereits getrennt lebenden Borchard scheiden.

Schloss beschlagnahmt

In der Schweiz kreuzte 1942 ein neuer Mann ihren Weg: ein gewisser Sam Edison Woods aus Texas und als Spion unterwegs. Der Farmersohn war als Offizier und Armeeausbilder nach Europa geschickt worden und hatte im Auswärtigen Dienst der USA Karriere gemacht. In Zürich als amerikanischer Generalkonsul bestellt, geriet Wilhelmina in sein Visier, da er sie aufgrund ihres deutschen Passes geheimer Verbindungen mit Nazideutschland verdächtigte. Das leer stehende und weitgehend freigeräumte Schloss in Bernried wurde 1943 beschlagnahmt, um die Orthopädische Klinik aus München dort unterzubringen. Zu Kriegsende konnte sie das Schloss retten, indem die Schweizer Gesandtschaften aus Berlin und das Genfer Rote Kreuz nach Höhenried evakuiert wurden. Gekennzeichnet mit einem großen roten Kreuz auf dem Dach war das Gelände Schweizer Hoheitsgebiet. So konnte sie Woods Misstrauen ausräumen, er ließ sie von der amerikanischen „Black List“ streichen – und man kam sich näher ... (Anja Behringer)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe Juli/August des BSZ-Online-Magazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unter www.bayerische-staatszeitung.de. Für BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe. 

Abbildung:
Wilhelmina heiratete 1933 den Arzt Carl Borchard. Ihre zweite Ehe sollte nur wenige Jahre halten. (Foto: Gemeindearchiv Bernried)

 

 

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