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Prächtige Gewänder und Kostüme gehören zur Oper genauso wie die Musik oder die Bühnenausstattung. (Foto: Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl)

07.03.2025

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Ohne sie geht gar nichts: Ein Besuch in der Kostümabteilung der Bayerischen Staatsoper in München

Tosca ist verzweifelt. Um das Leben ihres Geliebten Mario zu retten, soll sie sich dem skrupellosen Polizeichef Scarpia hingeben. So ersann Gia­como Puccini die Handlung seiner bekanntesten Oper (1900 uraufgeführt), die unausweichlich auf das Verderben aller Protagonisten zusteuert. Im Dilemma gefangen, entledigt sich die Opernsängerin Floria Tosca auf der Bühne widerwillig ihres Kleides.

Wie peinlich wäre es, müsste die Diva sich nun auf unelegante Weise verrenken, um an den Reißverschluss im Rücken zu gelangen – wie störend für die Szene und für ihre Stimme, wie schade, würde das Publikum von solch schnöder Alltagsproblematik abgelenkt. Die Kostümabteilung der Bayerischen Staatsoper wusste das vorsorglich zu verhindern. Für das Kleid nach dem Vorbild von Maria Callas‘ 1960er-Jahre-Look ersann man einen so simplen wie effektvollen Trick: „Ans Ende des Reißverschlusses haben wir lange Bändchen genäht“, verrät Gewandmeisterin Alexandra Maier-Bishop. So kann die Sängerin den Reißverschluss lässig aufziehen und aus dem Kleid steigen.

Die Gewandmeisterinnen für Damen oder Herren erwecken die Bühnengewänder zum Leben. Alexandra Maier-Bishop, Iris Kiener und Sabine Bach setzen  die Visionen von Kostümbildnern und -bildnerinnen in Schnitte für Damenbekleidung um, die dann in der angrenzenden Schneiderei genäht werden. Am Anfang steht eine Skizze für jedes einzelne Kostüm, die sogenannte Figurine. Diese Skizzen kommen von freischaffenden Kostümbildnern, die jeweils von der Regie für ein bestimmtes Stück engagiert werden. Für die jüngste Tosca-Inszenierung an der Staatsoper war dies die Lettin Monika Pormale.

Die Gewandmeisterinnen verstehen sich auch als Beraterinnen fürs Realistische, erinnern zum Beispiel daran, dass der zunächst favorisierte Stoff allzu leicht knittert und daher für die Bühne unbrauchbar ist, raten zu einem anderen erprobten Gewebe. Für besagtes hellgelbes Kleid der Tosca etwa war zunächst Seide angedacht – da aber deren verwundeter Geliebter Mario Flecken aus Kunstblut auf dem edel schimmernden Gewebe hinterlässt, musste stattdessen ein gut zu reinigender Stoff her: Am Ende bestand ein Polyesterkrepp in einem Probewaschgang den Test.

Den Arbeitsraum der Gewandmeisterinnen dominiert ein ausladender Tisch, auf dem sie ihre Schnitte zeichnen und die Stoffe zuschneiden. Den drei Expertinnen – Iris Kiener hat beispielsweise nach der Schneiderlehre die Meisterschule für Mode in München absolviert sowie einen Abschluss als Fachtechnikerin gemacht – arbeiten 22 Mitarbeiter in der Werkstatt zu. Vorbereitete maßgeschneiderte Gewänder warten auf einer Stange auf die Anprobe und werden nach Bedarf geändert.

Der Kostümchef behält den Überblick

Chor, Statisten, Solisten – da kommen einige zusammen, die ausgestattet werden müssen. „Bis zu 500 Kostüme haben wir in einer Produktion, im Schnitt kann man mit 200 bis 250 rechnen“, erklärt Kostümchef Ulrich Gärtner, der Direktor Kos­tüm und Maske an der Staatsoper. Maßkleidung gibt es meist für die Hauptrollen, und das oftmals in doppelter Ausfertigung für die Zweitbesetzung.

Manche Inszenierungen verursachen Hochbetrieb in den Werkstätten, wenn für sie durchweg Kostüme extra gefertigt werden müssen. Der Kostümchef: „Bei anderen Produktionen wird sehr viel aus dem Fundus genommen, viel Vintage gekauft oder ganze Serien werden im Handel erstanden, etwa weiße Jeans.“ Für Pelléas et Mélisande zum Beispiel wurden fast alle Kleidungsstücke maßgefertigt, ebenso für das Ballett Le Parc. „Das haben wir komplett mit Kostümen nach dem 18. Jahrhundert ausgestattet; bei der Fledermaus wiederum gab der Fundus viel her.“ Aber auch das war werkstattintensiv, weil viel umgearbeitet werden musste. „Bei Tosca hatten wir eine große Bandbreite an Stilen aus den 1940er-, 1950er- und 1970er-Jahren. Da konnten wir einiges vintage kaufen. Was wir nicht gebraucht bekommen, etwa wegen der Größen im Chor oder bei den Statisten, das wird zusätzlich angefertigt, zum Beispiel ganze Serien von Kinderkostümen.“

In Kostümgeschichte muss man sich bei diesem Beruf auskennen, weil zahlreiche Stücke aus vergangenen Jahrhunderten in der Aufführung zumindest zeittypische Details zitieren. Wenn etwa für das Ballett Le Parc klassische Rokokogewänder vorgesehen sind, müssen die Gewandmeis­ter entsprechende Stilmerkmale im Hinterkopf haben. Allerdings können keine historischen Schnitte verwendet werden, sie müssen angepasst werden. „Die wenigsten Sänger könnten in einem Originalkorsett oder in einem Sakko von 1905 auftreten, da würden sie Schnappatmung bekommen“, meint der Gewandmeister Max Philipp Wagner. Längst sei die Alltagskleidung so bequem geworden, dass sich die Bühnenakteure in allzu enger Kleidung unwohl fühlen, „in der sie immerhin vier Stunden arbeiten müssen“.

Kostümchef Gärtner hält auch aus kreativen Gründen wenig von der reinen, originalen Abbildung einer Epoche auf der Bühne. „Es braucht auch einen künstlerischen Ansatz. Ich finde nicht, dass das Theater Dinge konservieren soll, das muss immer wieder neu übersetzt werden. Schön, wenn jemand Grundkenntnisse zur Kos­tümhistorie hat, auf die man aufbauen kann. Aber kopieren? Wir sind ja kein Museum. Ehrlich gesagt: Je freier, desto interessanter. Bevor man Historie kopiert, machen wir doch lieber selbst unsere eigene Historie.“ ... (Marion Vorbeck)

 

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