Im Jahr 1974 erschien in Würzburg ein Buch, das in seiner Erscheinung und seinem Inhalt so kurios anmutet, dass man sich fragen könnte, welchen Leserkreis das Werk ansprechen sollte. Es ist das Buch Wein und Stein des Würzburgers Willy Schmitt-Lieb (1921 bis 2000). Der Künstler und Autor zeichnete für „Idee, Konzeption, Text, Layout, Graphik und Einband-Design“ verantwortlich und ließ das Buch in seinem eigenen Verlag Wisli erscheinen. Schon das Äußere ist seltsam: Das sperrige Querformat (21,5 auf 26 Zentimeter) passt kaum ins Bücherregal; der Einband besteht aus „auf Leinen geblähtes Vermiculite“. Fast 400 Seiten warten auf den Leser. Der Inhalt beschäftigt sich erst mit dem Weinbau im Frankenland, mit den Lagen und Rebsorten; der folgende Teil behandelt die geologische Struktur der Region. Im abschließenden Teil bringt der Autor die beiden Elemente Wein und Stein zusammen. Alle Teile bestehen aus kurzen Texten und zahlreichen Skizzen aus der Feder Schmitt-Liebs.
Bei aller Eigenartigkeit muss man zugestehen, dass Willy Schmitt-Lieb mit den Elementen Wein und Stein die beiden wesentlichen Charakteristika benannte, die die Kulturlandschaft im Maindreieck seit Jahrhunderten prägen. Ist heute der Weinbau, allein schon aus Gesichtspunkten der touristischen Vermarktung, der präsentere Part, war für die frühe Neuzeit der Aspekt der Steine wohl ebenso wichtig.
Viele verschiedene Steine
In Unterfranken, in den Landschaften diesseits und jenseits des Mains, formen verschiedene Gesteinsarten den Untergrund. Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper und die Basalte sind hier zu nennen. In der Region rund um Würzburg kreuzen sich gleich mehrere Steine: Muschelkalk, Schaumkalk, Lettensandstein und roter Sandstein. All die Jahrhunderte hat der Mensch den Stein in den Steinbrüchen geschlagen und abgebaut. Vor allem entlang des Mains befanden sich viele Steinbrüche, wie etwa bei Randersacker, Ochsenfurt, Marktbreit und anderen Orten.
Steinbrüche hatten damit seit jeher eine große wirtschaftliche Bedeutung, vor allem wegen ihrer wichtigen Rolle für den Burgen- und Festungsbau. Lange Zeit konnte der Bedarf an Steinen für die großen Bürgerhäuser Würzburgs aus den zahlreichen Steinbrüchen in der Umgebung gedeckt werden. Zu diesen gehörte der Steinbruch am Bromberg, der sich auf der Grenze der beiden Gemarkungen Heidingsfeld und Winterhausen befand und von alters her als Quelle für Baumaterialien diente. Über die Ausbeutung gab es jedoch immer wieder Streit. Im Jahr 1475 schlossen die Schenken von Limpurg und die Freiherren von Wolfskeel einen Vertrag über die Nutzung des Steinbruchs; der Vertrag, der viele Jahre „steiff“ gehalten wurde, sprach den Schenken die Nutzungsrechte zu. Doch im Laufe der Jahre geriet der Vertrag in Vergessenheit.
Im Sommer 1596 wurden einige Männer dabei erwischt, wie sie widerrechtlich „etliche hüpsche große werkstückh“ aus dem Steinbruch klopften. Zur Rede gestellt behaupteten sie, die Freiherren von Wolfskeel hätten es ihnen erlaubt. Zur Beilegung des Streites, der die Parteien zeitweise sogar bis vor das Reichskammergericht führte, wurde die Grenze rund um den Steinbruch neu festgesetzt. Doch ein Menschenalter später gab es wieder Ärger: Wichtige Grenzsteine waren verschwunden und nicht mehr auffindbar. Wieder musste der Bereich um den Steinbruch neu vermessen werden. Nach einer ausführlichen Befragung der Dorfältesten in Winterhausen und Heidingsfeld wurden die Grenzsteine neu gesetzt. Es passt ins Bild, dass der jahrhundertealte Streit der beiden Grundherren um die Rechte im Steinbruch damit endete, dass die Freiherren von Wolfskeel ihren Teil am Bromberg als Weinberg zu nutzen beschlossen.
Größte Auswirkungen hatte der Zusammenhang zwischen der allgemeinen Bautätigkeit im Frankenland und der Erschließung von Steinbrüchen und Sandgruben für die Stadt Würzburg im 17. und 18. Jahrhundert. Das war die Zeit, als die vom „bauwurmb“ befallenen Fürstbischöfe aus dem Hause Schönborn sich eifrig daranmachten, das Antlitz ihrer Residenzstadt von Grund auf zu ändern.
Hoher Bedarf an Baumaterial
Vorrangig lag das Augenmerk auf den militärischen Aspekten. Zur Absicherung des Regierungssitzes sollte die Stadt von einer großen Festungsanlage umzogen werden. Für diese gewaltige Aufgabe benötigte man nicht nur eine gute Organisation und Arbeitskräfte, sondern vor allem Baumaterialien in hoher Menge. Es folgte der Wunsch der Schönborns, ihrer Residenzstadt ein Höchstmaß an fürstlicher Repräsentation und Prunk zu verleihen. Hierzu diente insbesondere der Bau der Würzburger Residenz ab den 1720er-Jahren, wofür die Bauherren Natursteine aus der Region benötigten.
Aber die Steinbrüche der näheren Umgebung in Randersacker, Eibelstadt, Höchberg, Zell und Waldbüttelbrunn reichten schon bald nicht mehr aus, um den Steinbedarf der Würzburger bei ihren vielen Bauvorhaben zu decken. Deshalb begann man, im Stadtgebiet von Würzburg Steinbrüche zu erschließen, auszubeuten und schon dort Steine zu brechen. Große Steinbrüche entstanden am Nikolausberg (Winterleite), im inneren Frauenland, im äußeren Frauenland an Lehnleite und Mönchberg, nördlich der Stadt am „Züruckh“ sowie am Faulenberg. Zu ihrer Zeit spielten diese Steinbrüche eine unersetzliche Rolle bei den großen Baumaßnahmen und der Umgestaltung Würzburgs zur barocken Perle am Main.
Heute sind diese Steinbrüche allesamt aufgelassen und kaum noch im Stadtbild erkennbar. Für den Forscher von heute ist es daher nicht leicht, die Würzburger Steinbrüche zu verorten und ihre Geschichte zu schreiben. Es bedarf einer mühsamen und minutiösen Forschung in archivalischen Quellen, um die Steinbrüche zu identifizieren. Nur in schriftlichen Dokumenten sind ihre Spuren noch zu finden, nicht mehr in situ. Zwei Archivaliengattungen stehen bei dieser Suche im Vordergrund:
Zum einen sind dies Stadtansichten und Stadtpläne des 18. und 19. Jahrhunderts, die die Steinbrüche der Barockzeit und der bayerischen Zeit in unmittelbarer Stadtnähe dokumentieren. Die früheste und eindrucksvollste Ansicht findet sich in dem Thesenblatt des Freiherrn Franz Wilhelm von Reitzenstein aus dem Jahr 1723, das heute im Museum für Franken verwahrt wird. Die Ansicht der Stadt Würzburg von Norden wurde von Johann Salver nach einer Zeichnung von Balthasar Neumann gestochen und mit einer lateinischen Inschrift versehen. Auf dem Nikolausberg ist ein Steinbruch zu sehen. Ein im Staatsarchiv Würzburg verwahrtes Kartenkonvolut aus den Jahren 1775 bis 1777 dokumentiert zahlreiche Steinbrüche in der näheren Umgebung Würzburgs, etwa mehrere Steinbrüche auf dem Steinberg. In einer Zeit des Übergangs (zwischen 1810 und 1820) entstand das Oegg'sche Tableau. Das vom Archivar Joseph Anton Oegg (1762 bis 1817) stammende Kartenwerk liegt heute im Museum für Franken und zeigt zahlreiche Steinbrüche: einen Steinbruch an der alten Frankfurter Straße, den Hexenbruch (zwischen Höchberg und Würzburg), einen Steinbruch bei Höchberg im Bereich des heutigen Greinbergs, den Nikolausberg, weitere im Bereich Ebertsklinge und am Faulenberg. Aus bayerischer Zeit ist der Topographische Atlas vom Königreich Bayern aus dem Jahr 1848 zu nennen. Das Kartenwerk des Topographischen Bureaus im Maßstab 1 : 50 000 zeigt auf dem Blatt Würzburg mehrere Steinbrüche: den Hexenbruch am „Pulvermagazin“, den Steinbruch am „Seckertswiesen Hang“ zwischen Höchberg und Waldbüttelbrunn und am Nikolausberg, einen Steinbruch am Hubland sowie die Bruchanlagen auf dem Faulenberg.
Wichtige Dokumente sind zudem die Rechnungen diverser Ämter aus dem einstigen Hochstift Würzburg, die heute ausnahmslos im Staatsarchiv Würzburg verwahrt werden. Rechnungen in der frühen Neuzeit unterscheiden sich aber von dem, was wir uns heute darunter vorstellen. Damals waren Rechnungen ... (Alexander Wolz)
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