Der Sternenhimmel als Fata Morgana der Welt. Gerne verglichen die Astrologen der Renaissancezeit die nächtlichen Versammlungen der Planeten am Firmament mit den Zusammenkünften der Fürsten, Bischöfe und Päpste auf Erden. Stets wechselten Position, Gestalt und Ausrichtung von Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn – und mit ihnen die Launen des irdischen Schicksals. Der zeitgenössische lateinische Spruch „Astra regunt homines, sed deus regit astra“ brachte es auf den Punkt: „Die Gestirne lenken die Menschen, doch Gott lenkt die Gestirne.“ Dass das irdische Schicksal in den Sternen, die Vorsehung jedoch bei Gott liegt, war auch die feste Überzeugung von Leonhard Reynmann aus Nürnberg. Als einer der erfolgreichsten Kalenderschriftsteller der Renaissance brachte er jedes Jahr einen neuen Almanach heraus. 1524 sollte er eine besonders brisante Botschaft verkünden.
Bedrohliche Planetenkonstellationen
Rasch entwickelte sich die Practica über die grossen und manigfeltigen Coniunction der Planeten, die im Jar 1524 erscheinen zum Bestseller. Allen voran der kolorierte Titelholzschnitt beförderte die Kauflust der Zeitgenossen: Ausgestattet mit Dreschflegeln, Spießen, Keulen und Sensen marschiert von links ein größeres Bauernheer auf. Trommler und Pfeifer gehören ebenfalls dazu, geben Takt, Ton sowie die Marschrichtung vor. Doch kein schneidiger Jungbauer, sondern der greise Zeitgott Saturn mit der Fahne und amputiertem rechten Unterschenkel führt das Aufgebot an. Als Verkörperung des geschundenen Bauernstands trägt er auf der rechten Schulter die Sense: das Symbol für die alles zerstörende Zeit und den alles zerstörenden Tod.
Gleich gegenüber positionieren sich die Söhne Jupiters, angeführt von den beiden Säulen der Christenheit, dem Kaiser und dem Papst. Ihnen folgen mehrere Bischöfe und weit dahinter, wenn auch nur andeutungsweise, die weltlichen Fürsten. Über all dem, hoch in den himmlischen Sphären, schwebt ein überdimensionaler Fisch, aus dessen Bauch eine gewaltige Wassersäule über die Erde hereinbricht. „Der Römische Kaiser“ soll ein Konzil einberufen und versuchen, „die Christliche Kirchen, und alle andere Stende reformiern, corrigiern, rechtfertigen und gehorsam machen“. Ansonsten drohe ein Aufstand der „pawern“ und des „gemein volck“.
„Unzweifelhaft Verändrong“
Nicht ganz so konkret fielen die Prognosen anderer Kalenderautoren aus. Und doch ist auch darin von „unzweifelhaft Verändrong nahebald der ganzen Welt, Gegend des Himmel, Königreichen, Provinzen, Staaten, Würdenträger, Vieh und Meeresgetier und aller Bewohner auf Erden“ die Rede. „Veränderung“ stand damals als Chiffre für Unordnung, für Zwietracht und Krieg sowie für all die Übel und Heimsuchungen, die der sündhaften Menschheit drohten, wenn sie nicht sofort zu Buße und Umkehr bereit war. Erst 1522/23 waren Mainfranken, Schwaben und der Nahegau von einer Revolte der kleinen Reichsritter und Edelknechte erschüttert worden. Angeführt von Franz von Sickingen und angespornt von den Lehren Martin Luthers lasen er und seine Anhänger daraus vor allem eine politisch-soziale Botschaft heraus. So schloss sich Sickingen im August 1522 mit 600 Rittern zu einer „Brüderlichen Vereinigung“ zusammen, ehe er im September mit seinen Haufen das Erzstift Trier heimsuchte. Doch aus dem Traum von einer Säkularisierung des Erzstifts und der anschließenden Erhebung Sickingens zum weltlichen Erzbischof wurde nichts. Bis April 1523 wurden sämtliche seiner Ritterburgen sowie die seiner Anhänger von den siegreichen Truppen der Kurfürsten von Trier, des Kurfürsten von der Pfalz sowie des Landgrafen von Hessen dem Erdboden gleichgemacht.
Aufstandsgefahr lag in der Luft
Nach dem sogenannten Pfaffenkrieg lag weiterhin Aufstandsgefahr in der Luft. Mehr denn je fürchteten die Kurfürsten, Fürsten, Herzöge und Grafen des Reiches den Aufruhr des „gemeinen Mannes“. Ganz vorne standen die Bayernherzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. Bereits im Februar 1522 hatten sie sich für den Verbleib Bayerns bei der alten Papstkirche und gegen Luther entschieden, denn allzu offenkundig schien der Zusammenhang von reformatorischer Bewegung und wachsender Zwietracht im Reich. Umso mehr setzten die Herzöge und ihr einflussreicher Rat Leonhard von Eck auf die starke Position Bayerns innerhalb der süddeutschen Landfriedenseinung des Schwäbischen Bundes.
Als sich der Bund Anfang August 1524 in Augsburg wieder einmal zu einer Versammlung traf, war Eck selbstverständlich mit dabei. Und doch standen nicht die ersten bäuerlichen Unruhen vom Mai und Juni am fernen Südhang des Schwarzwalds an oberster Stelle der Tagesordnung. Schon aufmerksamer registrierten die Räte das „Rottieren“ und die „Empörungen“ einiger oberschwäbischen Bauernschaften in jüngster Zeit, ohne aber wirklich alarmiert zu sein. Umso überraschter zeigten sich die Hauptleute und Räte, als es plötzlich vor dem Versammlungsgebäude rumorte. Am 6. August wurden sie Zeugen eines Aufruhrs Hunderter Bürger gegen den Augsburger Rat. Die Gemeinde revoltierte gegen die Abberufung des prolutherischen Predigers aus dem Barfüßerkloster, Johann Schilling, und verlangte die Rücknahme der Entscheidung. Sofort bekamen es die Bundesmitglieder mit der Angst zu tun. In Windeseile flohen sie aus der Stadt. Währenddessen gab sich der Augsburger Rat eher konziliant und sagte den rebellischen Bürgern Straffreiheit zu. Dabei ging es den Ratsherren in erster Linie darum, Zeit zu gewinnen. Flugs wurden 600 Knechte geworben und bewaffnet sowie Geschütze an allen strategisch wichtigen Plätzen aufgefahren. Schließlich beruhigte sich die Lage. Bürgermeister Ulrich Arzt gab grünes Licht und bewegte die Bundesräte zur Rückkehr in die Augusta. Noch am 10. August 1524 wurde eine „eilende Hilfe“ und zwar „yeder zeit, da sich der gleichen“ beschlossen und in den Bundesabschied vom gleichen Tag aufgenommen.
Leonhard von Eck, ein gewichtiger Rat
Keine Frage: Die Augsburger Bürgerrevolte verfehlte nicht ihre Schockwirkung auf die Räte des Schwäbischen Bundes. Und doch gab es einen unter ihnen, der bereits damals für ein entschlosseneres Vorgehen des Bundes gegen die rebellierende Bauern- und Bürgergemeinde plädierte: Leonhard von Eck, der bayerische Mann fürs Grobe. An der renommierten Universität Bologna im Alter von nur 19 Jahren zum Doktor der Rechte promoviert, zeichneten Eck von Anfang an hohe Intelligenz und Scharfsinn, aber auch menschliche Kälte und Kompromisslosigkeit aus. Moralische Skrupel plagten den eingefleischten Intriganten eher selten, dafür umso mehr Argwohn und Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen. Als Besitzer mehrerer Grundherrschaften und Hofmarken brachte Eck darüber hinaus einen tief sitzenden Hass auf den Landmann mit. Nicht erst während des Bauernkriegs schimpfte er über die „unsinnigen und hellischen“ Bauern und den „ellenden Pefel“. Noch heftiger wurde er im Frühjahr 1525, vor dem Hintergrund eines drohenden Einfalls der schwäbischen Bauern in Bayern. Immer wieder ergoss der strikte Anhänger der alten Kirche seinen Zorn über die Rebellen. Ecks Wutausbrüche waren berüchtigt und nur mit den Schimpftiraden in Martin Luthers Pamphlet Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern vergleichbar.
In viel höheren Sphären schwebte Ecks Auffassung von fürstlicher Würde und Ehre. Gerne nahm er das Zauberwort von der „Reputation“ seines Herzogs Wilhelm IV. in den Mund: Schmeicheleien, die ihre Wirkung keineswegs verfehlten. Nur allzu gerne ließ sich Wilhelm, der alte Freund der Musen und der Künste, die Regierungsgeschäfte abnehmen. Er sei ein „alter Waidmann“, bekannte Wilhelm einmal, Eigenschaften, die sein Bruder und Mitregent Herzog Ludwig X. durchaus teilte. Umso leichteres Spiel hatte der ehrgeizige Eck, nachdem er längst zur führenden Figur am herzoglichen Hof aufgestiegen war. Schon Ende der 1510er-Jahre bestimmte er die Richtung der herzoglichen Politik, getreu seiner Handlungsmaxime „Bayern über alles“.
Blutige Niederschlagungsstrategie
Überdies spielte Eck eine wichtige Rolle als Vertreter Bayerns auf den Versammlungen des Schwäbischen Bundes. Die Ausweitung der Bürger- und Bauernrevolten vom Südhang des Schwarzwalds bis nach Oberschwaben im Winter 1524/25 verlieh seinem Plädoyer für ein hartes Vorgehen gegen die Empörer starken Rückenwind. Als sich die Unruhen im Lauf des Februars auf das Elsass sowie das Gebiet zwischen Iller und Lech ausweiteten, wuchs nochmals der Druck auf das Landfriedensbündnis. Die Folge: Auf ihrer Ulmer Versammlung im Februar 1525 wechselten die Räte und Hauptleute von einer Verhandlungs- zu einer blutigen Niederschlagungsstrategie. Von „gütlicher Handlung und unterred“ wollten auch sie jetzt nichts mehr wissen, nur eine militärische Lösung im Sinne Ecks konnte Deutschland noch retten.
Und der gemeine Mann in Stadt und Land? Trotz des Zornes über längst bestehende Missstände und Ungerechtigkeiten gab sich dieser zunächst eher moderat und verhandlungsbereit. Weit oben auf der Agenda der schwäbischen und Allgäuer Bauern rangierte die Abschaffung der so drückenden Leibeigenschaft, „wölch zu erbarmen, angesehen, das uns Christus all mitt seynem kostbarlichen Plutvergiessen erlößt hat“. Den starken Einfluss der Reformation auf die bäuerlichen Beschwerden verrät des Weiteren die Forderung nach freier Pfarrerwahl. „Ain gantze gemain soll ain Pfarrer selbs erwölen“ und dieser wiederum „das hailig Evangeli lauter und klar predigen“. So stand es in den Memminger Artikeln der drei oberschwäbischen Bauernhaufen und der Memminger Handwerkerschaft von Anfang März 1525. Kurz darauf wurde eine überarbeitete Version dieser Freiheitscharta des gemeinen Mannes gedruckt, die unter dem Kürzel der „12 Artikel“ rasch Karriere machen sollte.
Serie bäuerlicher Niederlagen. Seit März 1525 häuften sich Plünderungen und Brandschatzungen von Klöstern und Burgen, ehe der „arme Mann“ in der Schlacht bei Leipheim zwischen Ulm und Augsburg seine erste schwere Niederlage erlitt. Unter Führung von Georg III. Truchsess von Waldburg tilgte der Schwäbische Bund bis zum 12. Mai 1525 nahezu sämtliche Aufstandsherde in Schwaben und Württemberg. Bei der Endschlacht von Böblingen südwestlich von Stuttgart reichte sogar eine einzige Reiterattacke aus, um das rund 12 000 Mann starke Bauernheer in die Flucht zu schlagen. Keine Frage, dort im Südwesten war der Krieg für die Bauern bereits verloren. Drei Tage später folgte das große Blutbad der Thüringer Bauern bei Frankenhausen, während der bäuerliche Widerstand im Allgäu erst Mitte Juli 1525 gebrochen werden konnte.
Sonderfall Bayern?
Unübersehbar war die Schreckensbilanz Tausender erschlagener und hingerichteter Bauern. Und doch flackerten die Unruhen in anderen Regionen des Reiches erst jetzt richtig auf. Das Erzstift Salzburg und die gefürstete Grafschaft Tirol bildeten die Hauptschauplätze – und mittendrin lag das Herzogtum Bayern. „Dass Bayern von den Gräueln des Bauernkriegs fast völlig verschont blieb, während ringsum bei den Nachbarn, in Schwaben, Franken, Salzburg und Tirol, der Aufstand zerstörend tobte, diese Tatsache bedeutet unter allen Umständen einen der erfreulichsten Züge in der Geschichte des Landes.“ Als der bayerische Landeshistoriker Sigmund von Riezler dies 1891 vortrug, zählte er nicht zu den Einzigen, die sich diese Erzählung zu eigen machten. „Der Bauernkrieg ist für Bayern Episode geblieben und kann deshalb mit seinen allgemeinen und lokalen Voraussetzungen übergangen werden“, schlussfolgerte der Münchner Historiker Andreas Kraus noch 1983. In den folgenden Neuauflagen seiner Geschichte Bayerns von 1988 und 2004 sollte er seine Meinung keineswegs ändern. Und doch gab es auch im Herzogtum punktuelle Unruheherde im Bauernkriegsjahr 1525, wie weitere Vertreter der landeshistorischen Zunft nachweisen konnten, allen voran Fritz Zimmermann, Helmut Rankl und Rainhard Riepertinger.
Aufstandsgefahr auch in Bayern
Als Kronzeuge schlechthin gilt Leonhard von Eck. Düstere Ahnungen einer kommenden Bauernrevolte plagten ihn schon lange, daher drängte er frühzeitig auf weitreichende Präventionsmaßnahmen. Höchste Priorität wies Eck dem Grenzschutz im Westen Bayerns entlang der Lechlinie zu. Später richtete er sein Augenmerk zusätzlich auf das nordwestliche Donaugebiet bis Regensburg sowie das damals bayerische Innviertel und die bayerische Südgrenze gegen Tirol. „Und dieweil diese emperung ins Allgäu und in das Lechtal gereicht hat, so gedeut mich ratsam, den Lechrain und gepirg in gutem aufsehen ze haben“, schrieb er am 15. Februar 1525 an Herzog Wilhelm IV. Große Sorge bereiteten ... (Martin Hille)
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Abbildung:
Das Titelblatt der astrologischen Unheilsprognose für 1524 des Nürnberger Kalenderautors Leonhard Reynmann, das im Zeichen des Fisches eine unmissverständliche Botschaft verkündet: „Der Römische Kaiser“ soll ein Konzil einberufen und versuchen, „die Christliche Kirchen, und alle andere Stende reformirn, corrigiern, rechtfertigen und gehorsam machen“. Ansonsten drohe ein Aufstand der „pawern“ und des „gemein volck“.
FOTO: Practica vber die grossen vnd manigfeltigen Coniunction der Planeten, die i[m]m jar M.D.XXiiij. erscheinen ... werden/SBR
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