Bereits die ersten Bilder kündigen Schreckliches an: Ein trüber Fluss braust an einer Kleinstadt vorbei. Plötzlich fällt eine Fliegerbombe ins Wasser; eine Sirene tönt – akustisches Warnsignal für die Bevölkerung. Aufgeschreckt fährt die Kamera nach oben und zeigt eine Brücke in der Totalen. Dieses Bauwerk wird nun eine Hauptrolle in der Filmhandlung einnehmen. 90 Minuten später: Die Brücke steht immer noch wie ein Fels in der Brandung. Aber um sie herum hat sich vieles verändert: Zerstörte Häuser, Panzerwracks und Bombenkrater prägen die desolate Landschaft. Auf der Brücke selbst liegen die grausig entstellten Leichen von sechs Jugendlichen. Einer ihrer Kameraden hat überlebt: Mit schmerzverzerrtem Gesicht und einer Schusswunde am rechten Arm flüchtet der Junge vom Schauplatz des Geschehens. Kurz zuvor hatten die sieben jungen Männer noch in einem Himmelfahrtskommando versucht, die anrückenden amerikanischen Soldaten aufzuhalten.
Diese Geschichte ist keine Fiktion, sondern beruht auf einer wahren Begebenheit. Und ebendieses Szenario liegt dem 1959 in Bayern entstandenen Film Die Brücke zugrunde. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wäre es undenkbar gewesen, eine solche Geschichte auf der Leinwand zu zeigen. Bis die Zeit reif dafür war, sollten noch einige Jahre vergehen.
Verdrängen und vergessen
Westdeutschland in den 1950er-Jahren: Bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte die Bundesrepublik Deutschland ihren stetigen Aufschwung. Die Filmindustrie, seit der Weimarer Zeit ein Aushängeschild deutscher Kultur, nahm ihre Arbeit wieder auf. Zunächst wurden vor allem Heimatfilme gedreht, die das Idyll einer heilen Welt vorgaukelten. Sie waren eine willkommene Ablenkung von schrecklichen Erinnerungen an die Kriegsjahre.
Langsam fanden aber auch wieder Kriegsfilme ihren Weg in westdeutsche Kinosäle. Die meisten dieser frühen Werke klammerten die Kardinalfrage nach der Kriegsschuld aus. Im Vordergrund standen vielmehr die Kriegsfolgen, die sich konkret auf den Alltag bezogen: etwa den Tod von Angehörigen und den Wiederaufbau. Einige Filme widmeten sich deutschen Kriegsakteuren, die im Widerstand tätig oder zumindest weitgehend unbelastet waren: Canaris (1954) porträtierte den im KZ Flossenbürg hingerichteten ehemaligen deutschen Abwehrchef. Des Teufels General (1954) – eine Adaption des Dramas von Carl Zuckmayer – handelte vom fiktiven General Harras, der dem Jagdflieger Ernst Udet nachempfunden war. Der 20. Juli (1955) und Es geschah am 20. Juli (1955) beschäftigten sich mit der Widerstandsgruppe um Graf Stauffenberg.
Schließlich entstanden in der BRD Filme, die sich an eine realistischere Darstellung des Zweiten Weltkriegs heranwagten. Ein frühes Beispiel war der Dreiteiler 08/15 aus den Jahren 1954/55. Es handelte sich um eine Verfilmung des Romans von Hans Hellmut Kirst, eines ehemaligen Wehrmachtssoffiziers. Während aber die literarische Vorlage das Leiden der Wehrmachtsoldaten drastisch schilderte, wurde dieser Tonfall im Film deutlich abgemildert und ins Satirische gewendet. Besser gelungen war Die letzte Brücke (1954), eine österreichisch-jugoslawische Koproduktion. Dieser Film spielte auf dem von deutschen Truppen besetzten Balkan und schlug bewusst humanistische Töne an. Er erzählte die fiktive Geschichte der deutschen Lazarettärztin Helga Reinbeck, die heimlich feindliche, an Typhus erkrankte Partisanen pflegt. Den Partisanenanführer Boro spielte Bernhard Wicki.
Mut zur Wahrheit
Einige Jahre später saß Wicki selbst auf dem Regiestuhl. Sein ambitioniertes Ziel bestand darin, den ersten wirklich realistischen Kriegsfilm der deutschen Nachkriegszeit zu drehen. Da er ein überzeugter Pazifist war, konnte das Ergebnis nur ein Antikriegsfilm sein. Seine Intention lautete: „Ich möchte zeigen, wohin es führt, wenn man Kinder mit falschen Idealen erzieht, wenn man sie verkauft, verrät und schließlich verrecken lässt.“ Wicki wusste, wovon er sprach – er hatte die Repressalien der Nationalsozialisten am eigenen Leib gespürt: 1939 wurde er wegen seiner Mitgliedschaft bei der verbotenen Bündischen Jugend, einer von den Ideen der Pfadfinder und Wandervogel-Bünde inspirierten Jugendbewegung, verhaftet. Mehrere Monate war er im KZ Sachsenhausen nahe Berlin interniert.
Weil Wicki seinen Film so authentisch wie möglich gestalten wollte, kam für ihn keine fiktive Geschichte infrage. Deshalb entschied er sich für eine Adaption des 1958 erschienenen Romans Die Brücke von Gregor Dorfmeister (1929 bis 2018). Der Autor, der unter dem Pseudonym Manfred Gregor schrieb, schilderte darin seine Erlebnisse als junger Soldat: Kurz vor Kriegsende hatte Dorfmeister mit mehreren Kameraden eine unbedeutende Brücke bei Bad Heilbrunn (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) in Oberbayern gegen die US-Amerikaner verteidigen müssen – ein ungleicher, sinnloser Kampf. Wicki interessierte an diesem Roman besonders der Aspekt der ideologischen Verführung. Das Buch zeigte nämlich exemplarisch auf, wie junge unpolitische Menschen von fragwürdigen Idealen ergriffen werden, die ihnen während des Krieges durch Autoritäten eingetrichtert werden – durch Offiziere, Polizisten, Lehrer und sogar durch die Eltern. Diese Ideale ergreifen von den Jugendlichen Besitz und formen aus ihnen fanatische Soldaten, die bis zum letzten Blutstropfen kämpfen. Die amerikanischen GIs wiederum können dieses Verhalten gar nicht verstehen: Sie weigern sich, gegen solche Kinder Krieg zu führen und werden – als grausame Konsequenz – von ebendiesen Kindern attackiert. Letztlich haben sie keine andere Wahl und müssen das Feuer erwidern, um nicht selbst zu sterben.
Produktion mit Hindernissen
Wicki erwarb von Dorfmeister die Rechte für eine Verfilmung. Den Roman arbeitete er zusammen mit den Autoren Michael Mansfeld und Karl-Wilhelm Vivier zu einem Drehbuch um. Die Produktionsbedingungen für Filme waren in den Nachkriegsjahren schwierig und durch finanzielle Engpässe gekennzeichnet. Wer als Regisseur nicht das Glück hatte, von einer der staatlichen Fernsehanstalten gefördert zu werden oder eine internationale Koproduktion einzugehen, musste mit kleinem Budget auskommen. Wicki machte aus dieser Not eine Tugend. Sein Film entstand ausschließlich „on location“, also unter freiem Himmel. Drehort war die Stadt Cham in der Oberpfalz. Als Brücke – im Film ein wichtiger „Akteur“ – wurde die dortige Florian-Geyer-Brücke gewählt, die über einen Nebenarm des Regen führte. Wer heutzutage den Originalschauplatz besichtigen möchte, wird dieses Bauwerk aber nicht mehr antreffen: Die ursprüngliche Brücke ist 1991 wegen Baufälligkeit abgerissen und durch einen Neubau ersetzt worden. Die Filmszenen in der Kaserne wurden auf dem Areal des Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasiums gedreht. Die geringe Finanzausstattung hatte auch Auswirkungen auf die optische Gestaltung. Farbfilme verursachten hohe Kosten, weshalb die meisten deutschen Filme der 1940er- und 1950er-Jahre in Schwarz-Weiß gedreht wurden – so auch Die Brücke.
Falsche Panzer
Der Film stellte das Produktionsteam vor besondere Herausforderungen. Wickis Vorgabe, möglichst großen Realismus anzustreben, war nur schwer zu erfüllen. Dies traf besonders auf die militärische Ausstattung zu: Damals war es unmöglich, echte amerikanische Panzer aufzutreiben. Als Behelf dienten mehrere Holzmodelle, die im Film nur aus der Ferne gezeigt wurden. Jedoch sah das Drehbuch auch mehrere Großaufnahmen vor. Daher baute das Produktionsteam eine weitere Attrappe, die über einen Motor verfügte und einen echten Panzer zufriedenstellend simulieren konnte. Um das schwere Gefährt zu manövrieren, wurde es von 40 Leuten mithilfe langer Seile und Umlenkrollen gesteuert. Die Kamera musste in einem günstigen Winkel positioniert werden, damit die Helfer und deren Gerätschaften nicht im Bild zu sehen waren. Trotz aller Bemühungen des Filmteams kann der aufmerksame Zuschauer den „Schwindel“ erkennen: Unter der motorisierten Panzerattrappe befinden sind eindeutig Lastwagenräder mit Doppelreifen.
Auch die Vegetation bedurfte einer Veränderung: Das Filmgeschehen spielte am 27. April 1945, also in den letzten Kriegstagen. Wicki musste aber im Juli drehen ... (Daniel Carlo Pangerl)
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