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Die Münchner Filmunternehmerin Ilse Kubaschewski feierte in der Nachkriegszeit mit rührseligen Heimatfilmen an den Kinokassen riesige Erfolge. Nebenbei stieg sie auch noch ins profitable Immobiliengeschäft ein. 1955 finanzierte sie in München-Laim drei zehnstöckige Wohnblocks mit 143 Wohnungen, 25 Geschäften und einem Großkino. Beim Richtfest gratulierte der prominente Stuntman Arnim Dahl artistisch in 40 Meter Höhe auf dem Dach des Rohbaus mit einem Strauß roter Nelken. (Foto: BWA)

13.09.2024

Gut fürs Klima

Von der Forschung bislang kaum beachtet: Quellen zu Betriebsfeiern im Bayerischen Wirtschaftsarchiv

"Man muss die Feste feiern, wie sie fallen!“ Diese oft zitierte Redensart stammt vom Berliner Bühnenautor Hermann Salingré. Er prägte sie 1865 in einem seiner Lustspiele. Der Spruch trägt der elementaren Erfahrung Rechnung, dass Feste und Feiern untrennbar zum menschlichen Leben gehören. Zu allen Zeiten wirkten Feste gemeinschaftsbildend. Und sie boten eine willkommene Abwechslung vom nicht selten eintönigen und oft beschwerlichen Alltag. Anlass zum Feiern gaben von jeher kirchliche Feiertage oder vereinsbedingte Zusammenkünfte. Dazu kamen festliche Ereignisse im Familien- und Verwandtschaftskreis. Aber auch am Arbeitsplatz gab es mitunter Grund zum Feiern.

Eine spezifische betriebliche Festkultur entwickelte sich im Zuge der Hochindustrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv in München, eine Gemeinschaftseinrichtung der bayerischen Industrie- und Handelskammern, übernimmt seit 1994 Archiv­bestände von Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen in Bayern. Der mittlerweile über 6000 Fachbodenmeter umfassende Quellenfundus enthält auch zahlreiche Dokumente zu betrieblichen Festen und Feiern. Ihre Existenz hat in der Forschung bislang noch kaum einen Niederschlag gefunden. Sein 30-jähriges Gründungsjubiläum nimmt das Bayerische Wirtschaftsarchiv deshalb zum Anlass, sich in einer Ausstellung mit dem Thema zu beschäftigen. Anhand exemplarischer Bild- und Schriftdokumente werden typische Formen betrieblicher Festkultur vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in den Blick gerückt.

In der modernen Betriebspädagogik gelten Betriebsfeiern als unentbehrliches Element der Unternehmenskultur. Dabei werden ihnen gleich mehrere Funktionen und Wirkungen zugeschrieben. Sie sollen das Betriebsklima fördern und eine Atmosphäre des sozialen Betriebsfriedens schaffen. Sie können das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Betriebsangehörigen stärken, ein Wirgefühl erzeugen und die am Arbeitsplatz bestehende soziale Distanz mildern. Sie sollen nach Möglichkeit hierarchische Schranken lockern und die Motivation der Beschäftigten steigern. Zudem  sind sie ein bewährtes Mittel, um den Dank der Geschäftsleitung für die geleistete Arbeit zum Ausdruck zu bringen. Gemeinsam unterstützen alle diese Funktionen die Intention, einen effektiveren Arbeitsablauf zu gewährleisten, die Mitarbeitenden an das Unternehmen zu binden und damit die Erreichung gesteckter Ziele zu befördern.

Die Palette betrieblicher Feiern umfasst eine Reihe von Anlässen. Zu den Klassikern zählt das Firmenjubiläum. Der runde Firmengeburtstag wird als überzeugender Beweis für den langjährigen Erfolg eines Unternehmens begangen. Eine Jubiläumsfeier im Kreis der Beschäftigten zeigt nicht nur Anerkennung und Dank für die gemeinsam erbrachte Arbeit, sondern stärkt auch die Motivation, sich weiter anzustrengen. Auch ein gefeiertes Produktjubiläum als Meilenstein der Firmengeschichte erfüllt diesen Zweck. Zu den im Jahresrhythmus wiederkehrenden Veranstaltungen, welche die Firmenkultur mitprägen, zählen der gemeinsame Betriebsausflug, auch Mitarbeiterfeste wie Sommer-, Weihnachts- oder Faschingsfeiern. Persönliche Feiertage wie Arbeitsjubiläen oder Auszeichnungen für langjährige Betriebszugehörigkeit gelten in der beruflichen Laufbahn als Höhepunkte, die eine festliche Würdigung verdienen. Richtfest und Einweihung eines neuen Firmengebäudes oder der Besuch prominenter Persönlichkeiten finden ebenfalls im feierlichen Rahmen statt. Teambuildingaktivitäten, Erlebnisworkshops, Festivalspecials und andere Incentives, die heute zu den Standards der Corporate Events zählen, waren dagegen bis in die 1960er-Jahre noch weitgehend unbekannt.

Im 19. Jahrhundert standen betriebliche Feiern unter den Vorzeichen der herrschenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse. Damals sollten Betriebsfeiern die alltäglichen Sorgen der Beschäftigten vergessen machen und die strengen Regeln im Betrieb etwas außer Kraft setzen. Angesichts der nicht selten extremen Eintönigkeit und Gleichförmigkeit des industriellen Arbeitsprozesses und eines um 1870 noch vielerorts geltenden Zwölf-Stunden-Arbeitstags boten Feiern für die Beschäftigten eine willkommene Abwechslung, die sich positiv auf die Arbeitsmoral auswirken konnte. Die Herausbildung der Arbeiterklasse und der Gewerkschaftsbewegung verstärkte die Gegensätze zwischen  Kapital und Arbeit. Betriebsfeiern konnten aus Sicht derjenigen Unternehmer, die auf ihrem Herr-im-Haus-Standpunkt beharrten und jeden Versuch kollektiver Interessenvertretung oder gewerkschaftlicher Organisation zu unterbinden suchten, eine herrschaftsstabilisierende Wirkung entfalten. (Richard Winkler)

Die legendäre Lizenz Nr. 1

Schon die Gründung einer Unternehmung gebietet bisweilen einen feierlichen Rahmen. Das galt etwa für den Start der Süddeutschen Zeitung. Am 6. Oktober 1945, fast auf den Tag genau fünf Monate nach dem Ende der Naziherrschaft, erteilte die amerikanische Militärregierung drei Münchner Verlegern die „Lizenz Nr. 1“: Edmund Goldschagg, Franz Josef Schöningh und August Schwingenstein erhielten die Erlaubnis, die erste Tageszeitung in Bayern herauszugeben. Die Übergabe der Lizenzurkunde erfolgte im festlich geschmückten kleinen Saal des Münchner Rathauses. Bernhard B. McMahon, oberster US-Kontrolleur des Nachrichtenwesens in Bay­ern, hielt eine Ansprache. Darin betonte er die zentrale Bedeutung der Presse für die Demokratisierung des Landes. Im Anschluss fuhren die US-Militärs zusammen mit den frisch gekürten Lizenzträgern zum Verlagshaus im Färbergraben und starteten den Druck der ersten Ausgabe. Sie war acht Seiten stark und kostete 20 Pfennige. In einem Geleitwort formulierten die drei Herausgeber des neuen Blattes ihre Zielsetzung: „Die Süddeutsche Zeitung ist nicht das Organ einer Regierung oder einer bestimmten Partei, sondern ein Sprachrohr für alle Deutschen, die einig sind in der Liebe zur Freiheit, im Haß gegen den totalen Staat.“

In Schale geworfen

1937 feierte die Münchner Büromaschinenhandlung Reinhold Schulz ihr 25-jähriges Bestehen. Die Geschäfte liefen offenbar prächtig. Deshalb ließ der stolze Firmeninhaber es sich auch nicht nehmen, im Beisein der Familie seine Angestellten und Lehrlinge zu einem abendlichen Diner in ein feines Münchner Restaurant einzuladen. Dem Anlass entsprechend erschienen alle Gäste in eleganter Garderobe. Bevor der Chef zu seiner Begrüßungsrede anhob, setzte der bestellte Fotograf die gesamte Betriebsfamilie an der festlich eingedeckten Tafel professionell ins Bild.

Politprominenz in der ersten Reihe

Mit einem Festakt im großen Kreis und prominenten Gästen beging das Privatbankhaus Karl Schmidt in Hof an der Saale sein 125-jähriges Betriebsjubiläum. Über 500 Teilnehmer, darunter zahlreiche Honoratioren und wichtige Geschäftspartner der Bank, versammelten sich am 28. Februar 1953 gegen 10.15 Uhr im Hofer Städtebundtheater. In der ersten Reihe nahmen mehrere Ehrengäste Platz: Bankchef Wilhelm Schmidt begrüßte unter anderen Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard (Zweiter von rechts) sowie neben ihm Bayerns Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr Hanns Seidel mit  Gattin Ilse. Den Höhepunkt des mit Grußworten und Reden angefüllten Vormittags markierte der Fachvortrag von Karl Friedrich Hagenmüller. Der aus Hof stammende Professor und Lehrstuhlinhaber für Bankbetriebslehre an der Universität Frankfurt am Main dozierte über „aktuelle Probleme des Rechnungswesens der Kreditbanken“. Die musikalische Umrahmung des Festakts besorgte das 44-köpfige Sinfonieorches­ter der Stadt Hof. Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Karl Friderich wurden das Vorspiel zu Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg sowie die Ouvertüre zu Egmont von Ludwig van Beethoven aufgeführt.

Fotografisches Meisterstück

Die Münchner Lokomotivfabrik Maffei feierte am 26. Mai 1864 ihr 25-jähriges Gründungsjubiläum und zugleich die Fertigstellung der 500. Lokomotive. Dazu lud Firmenchef Joseph Anton von Maffei die 700-köpfige Belegschaft zu einem großen Fest in eine Münchner Bierhalle ein. Für beste Stimmung sorgte neben Freibier und guter Verköstigung eine flott aufspielende Militärkapelle. Zum Dank für die großzügige Ausrichtung des Festes und als Zeichen für ihre Verbundenheit mit der Firma überreichten die Beschäftigten dem Prinzipal bei der Jubiläumsfeier ein für damalige Verhältnisse ganz besonderes Geschenk: eine goldgerahmte großformatige Fotografie. Sie zeigte die 500. Lokomotive und ihren Tender im Fabrikhof, umgeben von zahlreichen stolzen Angestellten und Arbeitern, die sogar noch auf den Fabrikdächern posierten. Die Aufnahme kann als fotografisches Bravourstück gelten. Sie rückte die zahlreichen Beteiligten kompositorisch ansprechend ins Bild. Angefertigt hatte das Meisterwerk der Münchner Hoffotograf Joseph Albert, ein Pionier der damals noch jungen Lichtbildkunst. Zum Dank für die „kolossale“ Gabe lud Joseph Anton von Maffei seine Beschäftigten spontan zu einer kostenlosen Sonderfahrt mit der Jubiläumslok nach Augsburg und zurück nach München ein – ein Vorschlag, der nach Mitteilung eines Teilnehmers „mit betäubendem Jubel“ aufgenommen wurde.

Seriöser Aktivist

Sparsam kostümiert feierte man 1958 bei der Sparkasse Coburg. Am Faschingsdienstag hatten die Bankschalter bis mittags geöffnet. Die Angestellten erschienen deshalb im Businessdress. Nach Schalterschluss wurde eine schlichte Einheitskos­tümierung in Form kleiner Hütchen aufgelegt. Mit ernster Miene verfolgte der Banklehrling Dieter Kunzelmann (rechts im Bild) das Geschehen. Er hatte im Jahr zuvor seine Ausbildung begonnen, machte aber schon bald in Westberlin als Mitbegründer der legendären „Kommune 1“ und als linksradikaler Politaktivist Furore.

Brauchbares fürs Zuhause

In den Wirtschaftswunderjahren standen bei den Arbeitsjubiläen Elektrogeräte als Präsente hoch im Kurs. Beim Münchner Brillenhersteller Rodenstock erhielt ein Jubilar nach 40 Jahren Betriebszugehörigkeit 1956 neben der obligatorischen Urkunde und einem randvollen Delikatessenkorb ein hochwertiges Radiogerät. Eine Mitarbeiterin freute sich 1959 zum 25-jährigen Dienstjubiläum über ein Porzellanservice, eine Flasche Wermut und einen Staubsauger.

(Alle Abbildung: Bayerisches Wirtschaftsarchiv)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe September/Oktober 2024 des BSZ-Onlinemagazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unter www.bayerische-staatszeitung.de Für BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe. 

 

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