Vom Aussichtsturm der Veste Oberhaus hat man einen der besten Blicke auf die Stadt Passau. Zwischen Inn und Donau präsentiert sich die Altstadt vor grünen Hügeln, die bereits zum benachbarten Österreich gehören. Im Stadtbild lassen sich noch heute viele Spuren der städtischen Herrschaftsgeschichte entdecken. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts unterstand Passau seinen Fürstbischöfen, die auf dem Georgsberg mit der Veste Oberhaus den Bürgern ihre Macht demonstrierten. Anders als in Städten wie Regensburg hatten es die Passauer trotz mehrfacher Aufstände nicht geschafft, sich von ihrer bischöflichen Obrigkeit zu befreien.
Doch nicht nur die Stadt, sondern auch die Burg selbst, über die Jahrhunderte umfangreich erweitert, lässt sich am besten von der Aussichtsplattform des rund 250 Jahre alten Observationsturms überblicken. Zum 800-jährigen Jubiläum der Veste beherbergt er nun eine neue Ausstellung des in der Burg beheimateten Oberhausmuseums. Sie beschäftigt sich sowohl mit der Baugeschichte der Veste als auch mit der politischen und wirtschaftlichen Stellung der Passauer Fürstbischöfe im bayerisch-österreichischen Grenzraum.
Diese standen als geistliche Herrscher dem im Mittelalter größten Bistum im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation vor, das sich zu dieser Zeit von Passau ausgehend entlang der Donau bis weit nach Osten ausdehnte. Mit der Gründung des Bistums Wien begann jedoch seine schrittweise Verkleinerung, bis das Gebiet des Bistums Passau schließlich Ende des 18. Jahrhunderts um sechs Siebtel auf seine heutige Größe geschrumpft war.
Neben ihrer geistlichen Herrschaft regierten die Passauer Bischöfe als Landesfürsten auch ihr Hochstift – ein kleines, eigenständiges Territorium im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, das sich nördlich der Donau bis an die böhmische Grenze erstreckte. Obwohl das Hochstift so viel kleiner als das Bistum war, kam ihm unter vielen amtierenden Fürstbischöfen oft eine größere strategische Bedeutung zu. Seine Lage zwischen Bayern und Österreich machte es für die beiden mächtigen Nachbarn zu einem attraktiven Ziel der Einflussnahme: So holte beispielsweise der habsburgische Erzherzog Leopold V. als Passauer Fürstbischof 1611 die Jesuiten in die Stadt, deren am Inn gelegenes Kolleg mit benachbarter Kirche sich heute deutlich aus den Dächern der Passauer Altstadt hervorhebt.
Den Machtzuwachs zeigen
Lässt man den Blick auf dem Aussichtsturm ein Stück weiter nach Osten Richtung Ortsspitze schweifen, sind die beiden Westtürme der Niedernburger Stiftskirche zu erkennen. Im mittelalterlichen Grundbesitz des dazugehörigen Klosters liegen die Ursprünge des Hochstifts Passau. Ende des 12. Jahrhunderts kamen seine zerstreuten Besitzungen an den amtierenden Bischof, die er von nun an selbst verwaltete. Kurze Zeit später schloss sein Nachfolger mit der Herrschaft über weitere Gebiete die bisherigen Besitzungen zu einem zusammenhängenden Territorium. Dieser Bischof war Ulrich II., der nicht nur als erster Fürstbischof, sondern auch ab 1219 als erster Bauherr der Veste Oberhaus in die Passauer Geschichte eingehen sollte, denn wie lässt sich solch ein Titel und der damit verbundene, erhebliche Zuwachs an Macht besser zeigen als mit einem neuen, weithin sichtbaren Bauwerk?
Ein fast 300 Jahre später entstandenes Tafelbild des Passauer Malers Rueland Frueauf der Jüngere zeigt die Figur des Fürstbischofs vor einer Gebetssäule. Niedere Geistliche schauen betend zu ihm auf. Bei ihnen handelt es sich um Propst und Konvent des niederösterreichischen Stifts Herzogenburg, die Ulrich II. als Gründer des Klosters verehren, wie auch die Bildunterschrift besagt.
Von weitaus größerem Interesse als die Figuren ist jedoch der Hintergrund des Bildes, der eine Ansicht der Bischofsstadt Passau im 15. Jahrhundert von Süden zeigt. Hinter Ulrichs Bischofsmitra ragt der 1662 zu großen Teilen abgebrannte gotische Dom empor, während am Zusammenfluss von Donau, Inn und Ilz reges Treiben herrscht. Passaus Lage am Kreuz wichtiger Verkehrsadern und europäischer Fernhandelswege machte die Stadt zu einer bedeutenden Metropole, die bis zum späten Mittelalter von ihrem Marktrecht im blühenden Salzhandel profitierte. Das „weiße Gold” wurde zu Wasser und zu Land von Süden nach Passau gebracht und von dort aus unter anderem auf den als „Goldene Steige” bezeichneten Handelswegen über den Bayerischen Wald nach Böhmen transportiert. Ihren Anfang nahmen sie in der Passauer Ilzstadt, die auf dem Herzogenburger Stifterbild vom Festungsberg verdeckt wird. Auf abfallendem Gelände ist der Bau als imposantes Schloss dargestellt, von dem ein Wehrgang auf dem Bergrücken zum Niederhaus am Zusammenfluss von Donau und Ilz hinabführt.
Auf Ungereimtheiten gestoßen
Bei der Rekonstruktion der Baugeschichte des Oberhauses wurde in der Vergangenheit auch auf solche historische Abbildungen des Gebäudes zurückgegriffen. Ein Abgleich der verschiedenen Darstellungen untereinander sowie mit bestehenden Baubefunden ergab jedoch große Ungereimtheiten, die zeigen, dass eine realitätsgetreue Wiedergabe des Bauwerks bei vielen Malern und Grafikern nicht im Fokus des Bildes stand. Daher wurden zuletzt Maßnahmen der Bauforschung durchgeführt, die im Rahmen des EU-Interreg- Projekts ViSIT (Virtuelle Verbund-Systeme und Informations-Technologien für die touristische Erschließung von kulturellem Erbe, 2016 bis 2019) ermöglicht wurden. Hierbei konnten zumindest die offenliegenden Baubefunde mithilfe der Dendrochronologie in einer aktualisierten Reihenfolge geordnet werden. Auch eine photogrammetrische Erfassung des gesamten Geländes fand innerhalb der Maßnahmen statt.
Die Ergebnisse der Arbeit wurden unter anderem in einfachen Computermodellen festgehalten, die künftig im Aussichtsturm der Veste innerhalb der neuen multimedialen Ausstellung zu Burg, Herrschaft und Handel im Inn-Salzach-Donau-Raum präsentiert werden. Im Folgenden soll die Baugeschichte der Burg mithilfe einiger dieser Modelle grob nachskizziert werden... (Clemens Knobling, Frauke Grams)
Abbildung: Blick vom Aussichtsturm über die Veste. (Foto: pedagrafie)
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Ausgabe Juli/August von UNSER BAYERN, die der BSZ Nr. 27 vom 5. Juli 2019 beiliegt.
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