In mehreren Tranchen konnte das Staatsarchiv München fünf Reliefzeichnungen zum Verlauf der damals neu gebauten Reichsautobahn A8 im Antiquariatshandel über ein Onlineportal erwerben. Es handelt sich um Aquarelle, die durchaus realistisch aber stark überhöht, den Verlauf der Reichsautobahn von München nach Salzburg zeigen. Zeitlich einzuordnen sind diese, wenn man den baulichen Zustand als realisiert und die Lebensdaten des Künstler berücksichtigt, entweder im Jahr 1939 oder 1940.
Führender Zeichner in seinem Metier
Über den Maler, Josef Ruep, ist bisher wenig bekannt. Er wurde am 10. April 1886 in Isny im Allgäu geboren und studierte Kunst in Kempten. Danach war er eine Zeit lang im Verlag von Eugen Felle (Isny) tätig. 1915 verlagerte er seinen Wohnsitz nach München, ließ sich in der Gotzingerstraße 29 nieder und eröffnete dort eine „geographische Werkstatt“. Er begann mit klassischen Ansichten bayerischer Städte und Sehenswürdigkeiten, illustrierte Bücher und zeichnete Prospekte. Im Zuge dieser Arbeiten stieß er auf eine Marktlücke, als er realisierte, dass neben den üblichen Ansichten und Landkarten sich besonders das Reliefbild oder Vogelschaupanorama für eine übersichtliche und plastische Darstellung der Landschaft eignete und dass dafür Marktnachfrage bestand. So arbeitete sich Ruep in diese Materie ein und avancierte im Laufe der Jahre zu einem der führenden Reliefzeichner mit weit über Deutschland hinausreichendem Renommee. Am 18. Dezember 1940 starb Ruep in Hindelang, wo er seinen Nebenwohnsitz hatte. Sein Schwager Hans Wolf, der schon längere Zeit im Atelier mitgearbeitet hatte, führte die Werkstatt bis zur Betriebsaufgabe Ende der 1950er-Jahre weiter. Leibliche Kinder hatte Ruep nicht hinterlassen; verheiratet war er mit Maria Ruep (geborene Wolf). Er hatte zwei Stiefkinder, Maria Haug (geborene Raba) in Hindelang und Johannes Wolf, Architekt in Ottobrunn.
Die Vorgehensweise Rueps bei der Erstellung seiner Reliefzeichnungen war folgende: Zunächst entstanden Skizzen auf Transparentpapier, die oft nur die Umrisse zeigten. Darauf folgten ganz oder in Teilen ausgearbeitete Bleistiftzeichnungen, die zum Teil bereits aquarelliert wurden. Den Abschluss bildete das Aquarell, das noch mit Deckfarben überarbeitet wurde. Erst danach wurden die Legende und die Beschriftung in die Zeichnung eingetragen.
Kommunale Auftraggeber
Rueps Aquarelle waren oft ungewöhnlich groß, die vorliegenden haben eine Grüße von 47 mal 58 Zentimeter. Er achtete auch im Sinne seiner Auftraggeber auf höchste Detailgenauigkeit; eventuelle Ungenauigkeiten sollten bei einem späteren stark verkleinerten Druck verschwinden. Seine Reliefkarten fanden so als Illustrationen in Reisführern und Tourismusbroschüren ebenso Verwendung wie als Stadtpläne. Auftraggeber waren demzufolge häufig Gemeinden, Fremdenverkehrsverbände oder Stadtverwaltungen.
Trotz aller Bemühungen ist es jedoch nicht gelungen, in den zahlreich überlieferten Akten der Autobahndirektion Südbayern (ehemals Oberste Bauleitung der Reichsautobahnen München) und dort vor allem zu Kunstwerken, den Nachweis für die Reliefzeichnungen zur Reichsautobahn A8 ausfindig zu machen. So muss letztendlich die Frage nach dem Grund der Anfertigung dieser Zeichnungen unbeantwortet bleiben.
Der Bau von Autobahnen ist bei Weitem keine Erfindung der Nationalsozialisten, auch wenn dies immer von der NS-Propaganda in überhöhtem Pathos verbreitet wurde. Als erste autobahnähnliche Schnellstraße in Deutschland gilt die AVUS in Berlin (1913-1921). Der Begriff „Autobahn“ wurde erstmals 1927 von Robert Otzen verwendet, dem Vorsitzenden des Vereins zur Vorbereitung der Autostraße Hansestädte-Frankfurt-Basel. Die erste wirkliche Autobahnstrecke wurde in den Jahren 1929 bis 1932 errichtet und führte auf einer Länge von 18 Kilometer von Köln nach Bonn. Als am 27. Juni 1933 auf Weisung Hitlers ein Gesetz über die Errichtung eines Unternehmens „Reichsautobahnen“ erlassen und Fritz Todt zum Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen ernannt wurde, nahmen erste Planungen zur Linienführung und zu Detailausführungen ihren Anfang. Dabei kam es auch zu Überlegungen, die neuen Strecken mit Oberleitungen zu elektrifizieren, damit diese auch von O-Bussen und elektrisch betriebenen Lastkraftwagen befahren werden konnten. Auch Tier- und Pflanzenschutz war als Thematik schon präsent; so sollten Bienenweiden bei der Linienführung berücksichtigt und dem Wildwechsel erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Der Autobahnbau München-Salzburg begann im Herbst 1933 mit Erdarbeiten in Taufkirchen bei München. Den ersten Spatenstich bei Unterhaching nahm Hitler selbst während einer pompösen Feier am 21. März 1934 vor. Ziel dieser Autobahnstrecke war die touristische Erschließung des Alpenvorlands mit München und die deutliche Verbesserung der Verkehrssituation im östlichen Oberbayern durch zahlreiche neue Straßenverbindungen. Die Planungen sahen zudem vor, die Autobahn in einem neuen, modernen und schlichten Baustil zu gestalten: Alle Bauwerke hatten nur aus Beton und Stahl zu bestehen und konnten daher günstig und schnell gebaut werden. Bereits ab 29. Juni 1935 war der erste Abschnitt zwischen München-Ramersdorf und Holzkirchen befahrbar. Anfang Januar 1936 konnte die Strecke bis Weyarn, ab Mai bis Achenmühle und ab Mitte August 1936 bis Siegsdorf für den Verkehr freigegeben werden. Dort sollte zukünftig die Deutsche Alpenstraße abzweigen. Von dieser Stelle aus prognostizierte man eine geringere Verkehrsbelastung bis Bad Reichenhall, weshalb die Kurvenradien enger geplant und die Fahrbahnen im sogenannten Sparquerschnitt hergestellt werden konnten. Noch 1937 begannen die ersten Planungen, die Strecke weiter nach Österreich zu führen, die dann mit der Annexion Österreichs 1938 umgesetzt wurden. 1941 war die Strecke bis Salzburg durchgehend befahrbar.
Die Aquarelle Rueps zeigen zwar stark überzeichnet aber sehr detailgetreu den Verlauf der Autobahn München-Salzburg ausgehend von München-Ramersdorf mit dem Denkmal bis nach Salzburg und sind im Vergleich zu anderen Autobahnmalern wie Theodor Protzen oder Ernst Vollbehr, nicht mit nationalsozialistischem Pathos und entsprechender Propaganda angereichert. Sie verdeutlichen quasinaturalistisch die damalige Situation, nämlich die an der Autobahn gelegenen Siedlungen, Dörfer und Städte, Flüsse, Seen, Wälder, Eisenbahnlinien sowie die Ingenieursbauwerke. (Christoph Bachmann)
Abbildungen (von oben):
Der Autobahnabschnitt zwischen Raubling am Inn und Chiemsee. Auf dem rechten Innufer auf einer Anhöhe Neubeuern. Am Tal der Rohrdorfer Achen entlang gelangt man nach Frasdorf und hinter den Bergen leicht versteckt ist Hohenaschau zu entdecken, zusammen mit der Eisenbahnstrecke von Prien nach Hohenaschau (Chiemseebahn). Am Chiemsee sind Prien mit dem Hafen Stock sowie die Herren-, Frauen- und Krautinsel auszumachen. (Foto: STAM)
Der Autobahnbeginn in München-Ramersdorf. An km 0,00 stand das Denkmal zur Errichtung der Autobahn München-Salzburg (ein weiteres bei Unterhaching markierte den Baubeginn, siehe Seite 19). Bei den Gebäuden rechts des Denkmals kann es sich (etwas perspektivisch verzeichnet) nur um die Mustersiedlung Ramersdorf handeln, die 1934 als beispielhafte Verkörperung des nationalsozialistischen Siedlungsgedankens präsentiert wurde. (Foto: STAM)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!