Unser Bayern

Legendäre Sportflitzer neben gediegenen Karossen: Auch die Farben im Automobildesign erzählen vom jeweiligen Zeitgeist. (Foto: EFA Mobile Zeiten/Fotogruppe Wasserburg/Regine Richter)

13.09.2024

Kulturgut auf Rädern

Das Museum EFA Mobile Zeiten im oberbayerischen Amerang konzentriert sich auf Highlights des deutschen Automobilbaus

Automobile und Eiscreme verbindet so manches – zumindest, was die Entstehungsgeschichte dieses Museumsbaus in der Chiemgauer Voralpenlandschaft betrifft. Denn erst das Vermögen, zu dem es Unternehmer Ernst Freiberger senior mit dem kühlen Schmelz gebracht hatte, ermöglichte es ihm, seine Sammlung aus circa 300 Fahrzeugen aufzubauen. Rund 100 Jahre Automobilgeschichte von 40 Marken sind im EFA Mobile Zeiten zu besichtigen: von der motorbetriebenen Kutsche bis hin zu Klassikern aus den 1980er-Jahren. Darunter weltbekannte deutsche Marken, aber auch Hersteller wie DKW und Wanderer (beide sind 1932 aufgegangen in der Auto Union AG), Elite (1929 aufgelöst), Protos (bis 1926), Presto (bis 1927) oder Stoewer (bis 1945), die heute nur noch ferne Erinnerung sind. Der Sammler aus Amerang hatte es auf Klassiker des Autobaus und veritable Augenweiden abgesehen: zum Beispiel einen schnittig-eleganten weißen, zweisitzigen Roadster BMW 507 Touring Sport aus den späten 1950er-Jahren, der Urahn des „türlosen“ Z8 (gebaut zwischen 2000 bis 2003). Nur 252 Stück des exklusiven 507 gibt es. Der Entwurf stammt vom legendären Designer Albrecht Graf von Goertz (1914 bis 2006).

„Zu Anfang wurde das Pferd von der Kutsche entfernt“, erläutert der Leiter von Museumsbetrieb und Technik, Philipp Kennewell, den Start des Autobaus, „inzwischen wird der Fahrer vom Auto entfernt.“ Die Sammlung von Amerang will nicht nur schöne alte Autos zeigen, sondern einen Bogen in die Gegenwart schlagen und einen Ausblick in die Zukunft der individuellen Mobilität geben. So haben die ersten motorisierten Gefährte, die optisch noch stark an Kutschen erinnern, ihren Weg nach Amerang gefunden. Carl Benz meldete 1886 sein Patent als „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ an, dicht gefolgt vom Daimler-Motorwagen, ebenfalls 1886. Fünf Jahre vorher hatte die unerschrockene Bertha Benz auf der ersten Überlandfahrt bereits fast 200 Kilometer in einem Urmodell nach Konstruktionen ihres Gatten geschafft: einem Patentwagen von 1881. Nach ihr, Bertha, ist auch der autonom fahrende Mercedes Benz S 500 benannt, der im Automuseum für die Weiterentwicklung der Mobilität steht.

Die enge Verbindung von wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Entwicklungen und Autobau demonstriert zum Beispiel eine Adler Motordroschke, die um 1905 gebaut wurde und als erstes Berliner Taxi fungierte. Damit erschlossen sich die Hersteller allmählich einen Massenmarkt, anstatt auf wenige wohlhabende Individualisten zu bauen. Opel landete mit dem sogenannten Doktorwagen von 1909 einen Coup: Die Rechnung ging auf, Land­ärzten für ihre Hausbesuche 8 PS und 50 km/h Höchstgeschwindigkeit im motorisierten Gefährt so schmackhaft zu machen, dass sie für den Kutschenersatz 3950 Mark hinlegten. Von dem Zweisitzer mit abnehmbaren Felgen wurde die damals hohe Auflage von fast 2500 Stück produziert.

Zurück zur sich rasant entwickelnden Vita von Museumsgründer Ernst Freiberger dem Älteren (1927 bis 1997). Mit nur 14 Jahren musste er das Erbe des jung verstorbenen Vaters in der Backstube antreten. Die Bäckerei mitten im Ort lief gut, nebenbei produzierte der findige Ernst Eiscreme. Die verkaufte er zunächst im eigenen Geschäft sowie an Kioske, doch bald stellte er auf die industrielle Herstellung um und vertrieb das Gefrorene im großen Stil. Bis zu 550 Mitarbeiter beschäftigte der Genussunternehmer damals. Höhepunkt seiner Karriere war der Exklusivvertrag als offizieller Lieferant für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München. Als schließlich die Konkurrenz nachzog, verkaufte Freiberger seine Firma und stieg in den Gesundheitssektor ein – wiederum mit erfolgreichem Ausgang. Das Konzept des Machers: bestehende Gebäude oder Hotels zu Rehakliniken umbauen. Der Grundstein für die Unternehmensgruppe Medical Park war gelegt.

Ein spezielles Geschenk zum 60. Geburtstag markiert die Begeisterung für den Aufbau einer Automobilsammlung: 1988 stellte Ehefrau Else dem Patriarchen ein Mercedes-Benz 540 K Cabriolet aus dessen Geburtsjahr 1927 vor die Tür, wohl auch in der Hoffnung, dass der Gatte es in diesem prächtigen Oldtimer gemächlicher angehen lassen würde in Richtung Ruhestand. Doch von langsamem Dahinrollen konnte keine Rede sein: Für Ernst Freiberger war das Fahrzeug, das mit 170 km/h eines der schnellsten Automobile der Vorkriegszeit war, die Initialzündung, sich einem neuen Betätigungsfeld zuzuwenden – und das gleich obsessiv. In nur zwei Jahren baute er eine Sammlung von Automobilklassikern auf, die zunächst in Lagerhallen, Scheunen und Garagen untergebracht wurden. 1990 eröffnete auf dem Gelände der eins­tigen Eisfahrzeugwerkstatt das „EFA Museum für deutsche Automobilgeschichte“ – wobei EFA sind die Initialen von Ernst Freiberger Amerang.

Neueröffnung des Museums 2018

Auf über 6000 Quadratmetern stehen heute 70 Fahrzeuge, die übrigen Gefährte reihen sich im Depot nebenan nach Marken und Herstellungsjahr sortiert aneinander. 2018, nach 16-monatigem Umbau, wurde das jetzige Museum unter dem Namen „EFA Mobile Zeiten“ neu eröffnet. Mit dem Namen sollte sich fortan auch das gesamte Konzept ändern.

Ein Großteil der Investitionen in Höhe von 5 Millionen Euro kam zeitgemäßer Museumstechnik mitsamt einer modernen Klimaanlage zugute. Die Ausstellungshalle wurde entkernt und erweitert, der Look reduziert-cool, eine ausgeklügelte Lichtregie und viel Raum setzen die Exponate in Szene. Wie Kunstwerke stehen sie nun da. Da sind zum Beispiel Staatskarossen wie die schwarze, fast 2 Meter hohe, siebensitzige Pullman-Limousine Maybach SW42 oder ein 6,5 Meter langer Mercedes wie jener, aus dem Queen Elizabeth II. von England bei ihrem Staatsbesuch während der Olympischen Spiele 1972 in München winkte.

Viele Fahrzeuge in der Halle sind auf Hochglanz poliert – trotzdem wurde einiges an Patina belassen. Das gehört zum Konzept, denn alle Exponate sind Originale, und das soll spürbar bleiben. Einem BMW Roadster 507 ist an den Ledersitzen anzusehen, dass er über viele Jahre genutzt wurde. Mal ein Kratzer im Lack, mal ein Steinschlag oder kleine Dellen: „Insbesondere im Depot zeigen wir die Autos so, wie sie eben aussehen nach all der Zeit in Gebrauch“, so Kennewell. Sein persönlicher Favorit ist ein Mercedes-Benz 230 Cabrio B von 1938: „Ich finde den Erhaltungszustand dieses Autos hochinteressant; es ist außen wie innen noch völlig unberührt und im Originalzustand“ – aus seiner ebenso wie aus konservatorischer Sicht ein Nonplusultra. Er schwärmt von der natürlichen Patina, die sich außen wie innen gebildet hat, von den Ledersitzen mit ihrem Unterbau aus Rosshaar, das ein wenig muffig riecht. Der Experte: „Eine solche Lederqualität gibt es nicht mehr. Die Holztüren, die Innenausstattung – alles wurde von Hand verarbeitet und eingebaut. Eine unglaubliche Meisterleistung.“ Im Vergleich zu anderen Vorkriegsfahrzeugen war dieser Wagen für 7165 Reichsmark günstig, was die Verkaufszahlen auf über 10 000 Stück steigen ließ. Technisch, so Kennewell, würde das Automobil selbstverständlich gut in Schuss gehalten. „Wir verleihen es sogar ab und zu für historisch fundierte Filmaufnahmen wie für die TV-Produktion Die Wannseekonferenz von 2022.“ Da versteht es sich von selbst, dass Philipp Kennewell seinen Schützling eigenhändig für eine Woche nach Berlin gefahren und ihn dort nicht aus den Augen gelassen hat.

Kommissbrot und Schwiegermuttersitz

Ein Schwerpunkt der Ausstellung im EFA widmet sich den 1920er- und 1930er-Jahren. So stammt das Hanomag Cabriolet, das sogenannte Kommissbrot, aus der Blütezeit der frühen Kleinwagen. Es ist so schmal, dass es mit nur einem Scheinwerfer auskommt – und der wurde wie ein Zyklopenauge im Wagenbug verbaut. Im Volksmund spottete man liebevoll über den 370 Kilo leichten Wagen: „Ein Kilo Blech, ein Döschen Lack, fertig ist der Hanomag.“ Immerhin wurden bis 1928 von diesem „Volkswagen“ 16 000 Stück produziert. Im Straßenbild von damals sah man außerdem Opel-Modelle wie Kapitän und Admiral, Kadett, Olympia, Fabrikate von Adler und Mercedes, Ford sowie Gefährte mit dem aufklappbaren „Schwiegermuttersitz“ im Heck.

Es durfte auch rasant werden: Ein weiteres Herzstück der Sammlung sind Sportwagen mit noch heute begeisternden eleganten Formen und Cabriolets, die seit den 1930er-Jahren unterwegs waren. Der Adler Trumpf Junior Sport ist so ein Schmuckstück, oder ein Horch Sport-Cabriolet aus den 1930er-Jahren, der legendäre BMW 328, Fahrzeuge von DKW, Ford, NSU oder ein IFA-Cabrio von 1949.

Klein wie Spielzeugautos

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Geldnot groß, hinzu kamen Materialknappheit und die wieder eingeführte Hubraumsteuer. Da waren günstige Kleinwagen gefragt. Fast wie ein Spielzeugauto wirkte der Kleinschnittger F 125 für zwei Personen, mit 2400 Mark war er relativ preiswert. BMW landete mit seiner Isetta einen Verkaufsschlager: Der vorne aufklappbare „Kugelwagen“ verkaufte sich 160 000 Mal für 2580 Mark dank eines Kniffes: Er durfte mit dem Motorradführerschein gefahren werden, weil in ihm der Einzylinder-Viertaktmotor eines BMW-Motorrads verbaut war. Weitere Miniautos wie Goggomobil, Heinkel-Kabinenroller („Schneewittchensarg“) und NSU Prinz machten in diesen Jahren die Deutschen mobil. Sehr speziell kommt auch der Lloyd 300 von Borgward daher mit seinem mit Kunstleder bezogenen Sperrholzgerippe, eine als „Plastikbomber“ verspottete Kreation. Das Holz der Speichenräder musste regelmäßig angefeuchtet werden, damit es nicht brach. Immerhin: Über 250 000 Stück wurden gefahren, obwohl man im Volksmund unkte: „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd.“

Seit den 1950er-Jahren spiegeln mehr und mehr teure Wagen den wachsenden Wohlstand und Geschmack im Land wider. Traumgefährte wie ... (Marion Vorbeck)

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Abbildung:
Legendäre Veteranen der Straße (von links): Der Adler Motorwagen von 1903 brachte es mit 4,5 PS  auf eine Geschwindigkeit von maximal 27 km/h. Mit bis zu 60 km/h düste dagegen die Limousine Adler 8/16 dahin; sie wurde zwischen 1904 und 1906 gebaut und  eignete sich als Taxi: Der Chauffeur saß wie bei einer Kutsche abgetrennt vom Fahrgastraum, wenigstens ein Dach und die Windschutzscheibe schirmten ihn ein wenig ab. Die Adlerwerke hatten ihren Sitz in Frankfurt am Main. Im benachbarten Rüsselsheim wurde in den Jahren 1909 und 1910 der zweisitzige, wendige Opel 4/8 PS gebaut, besser bekannt als „Doktorwagen“, weil ihn besonders Ärzte für Hausbesuche nutzten. (Foto: EFA Mobile Zeiten)

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