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Dorfteiche, sogenannte Hüllen, waren neben den Zisternen oft die einzige Wasserquelle im Oberpfälzer Jura. Neben den Gänsen nutzte vor allem das Großvieh die Dorfteiche als Tränk. (Foto: Sammlung Eckehart Griesbach)

05.01.2024

Übles Nass

Oberpfälzer Juragemeinden hatten vor rund 100 Jahren selten Zugang zu frischem, reinem Wasser

Das Wasser kommt aus dem Hahn: Was heute zumindest bei uns normal ist, war vor 100 Jahren auch noch in vielen Orten des Oberpfälzer Jura noch lange nicht selbstverständlich. Gerade auf den Hochflächen des Jura herrschte oft bittere Wasserarmut. Das Graben von Grundwasserbrunnen bis in eine Tiefe von 50 oder 60 Metern und noch weiter hinab bedeutete gerade für kleinere Gemeinden einen erheblichen finanziellen Aufwand, der meist nicht zu leisten war. So gab es zur Wasserversorgung im Jura nur zwei Alternativen: das Sammeln des Oberflächenwassers in hofeigenen Zisternen und der Wassertransport in speziellen Wasserfässern aus Quellbächen im Tal auf die Höhen, was mindestens einen hal­ben Arbeitstag beanspruchte. Im Winter war diese Art der Wasserversorgung besonders notwendig, weil zu dieser Jahreszeit für die Zisternen eine ausreichende Wasserzufuhr fehlte.

Die hygienischen Zustände in diesen Wasserbecken waren teilweise katastrophal. Nicht selten schwamm ertrunkenes Getier an der Oberfläche. Das Kochen des Zisternenwassers war daher unabdingbar und es wurde meist nur zur Viehtränke genutzt. Als solche ebenso wie als Feuerlöschweiher dienten zudem die „Hüllen“ oder Dorfweiher. Etliche Ortsnamen im Jura, wie etwa Kevenhüll oder Irlahüll, belegen, dass eine vorhandene Hüll eine wichtige Rolle bei den mittelalterlichen Ortsgründungen spielte. D ie Hüllen lagen meist an der tiefsten Stelle einer Siedlung und nahmen ebenfalls die Oberflächenwasser des Ortes auf. Doch nicht nur sauberes Regenwasser floss dort hinein, sondern auch Jauche, die aus den zahlreichen Misthaufen austrat und die Straße entlangfloss. Vor allem in heißen Sommern trockneten die Dorfhüllen nicht selten aus oder wurden zu stinkenden, verschlemmten Kloaken.

Besonders von Trockenheit geplagt waren einst viele Orte auf den Höhen des Jura im Bereich des heutigen Truppenübungsplatzes Hohenfels. In dem Buch Truppenübungsplatz Hohenfels (1988) werden die damaligen Wasserverhältnisse drastisch geschildert und ehemalige Bewohner erinnern sich an die früheren Zustände. Autor Eckehart Griesbach schreibt dazu: „Die tief eingeschnittenen Flusstäler der Lauterach im Norden, der Vils im Osten und des Forellenbaches im Süden des Truppenübungsplatzes liegen noch über dem Wasserhorizont, den tonig-mergelige Schichten an der Untergrenze des Weißen Juras tragen. Gegen das Innere der gewässerlosen Hochfläche steigt der Grundwasserhorizont allmählich an, liegt jedoch durchschnittliche 100–150 Meter tiefer als die Oberfläche. Das große Einzugsgebiet lässt diese Wassermassen am Talrand der Flusstäler in wenigen kräftigen Karstquellen hervortreten. Das gesamte Albgebiet birgt in seinem Untergrund einen riesigen Wasserspeicher, der im Zuge der Gruppenwasserversorgung für die Albgemeinden durch Tiefbohrungen erschlossen wurde. Die Brunnenanlage nördlich Hohenfels versorgt das Truppenlager des Truppenübungsplatzes aus diesem Wasservorrat. Brunnenbohrungen bei Nainhof, Prönsdorf und Großbissendorf stoßen nach 40 bis 60 Metern auf Tiefenwasser.“

Lebensgefährliche Frauenarbeit

Maria Gatzhammer aus Enslwang erinnert sich an die Wasserarmut in ihrem Geburtsort: „Das ganze Gebiet war Jura. Es durchzog kein kurvenreiches Bächlein Wälder und Fluren – es gab keinen plätschernden Hofbrunnen vor Tür und Fenster – keinen Wasserhahn in Küche und Stall. Das ,Element Wasser‘ musste mühevoll für Mensch und Tier in Haus und Stall geschleppt werden. Statt eines bequemen Hofbrunnens gab es bei uns einen ,Schöpfbrunnen‘ (Zisterne), aus dem man nur das Ess- und Trinkwasser für die Menschen entnehmen durfte. In den trockenen Jahreszeiten mussten die Brunnen ausgeräumt und gesäubert werden. Das war immer mit einem großen Risiko für die Frauen verbunden. Wenn das Wasser schon zur Neige ging, musste eine Leiter in den Brunnen gelassen werden. Die Frauen, zu deren Arbeit das Wasserholen gehörte, mussten über eine Leiter in den Brunnen gelassen werden, um den Rest des Wassers herausschöpfen zu können. Bei dieser Arbeit kam meine Großmutter von Kuglhof bei Hohenfels ums Leben. Sie musste ebenfalls in den Brunnen hinabsteigen, dabei brach ein Tritt der Leiter. Meine Großmutter stürzte in den Brunnen, brach sich dabei die Wirbelsäule und war nach drei Tagen tot. Ähnliche Fälle und Beinbrüche gab es bei dieser Arbeit viele.“

Maria Gatzhammer weiter: „Für die Tiere wurde das Wasser in den Haushüllen gesammelt. Jedes Haus hatte seine eigene Hüll. Dies waren teichähnliche Wasserbehälter, in denen das Wasser von den Hausdächern, welche für die Trinkwasserbrunnen nicht zugänglich waren, und das Regenwasser von den Fahrwegen aufgefangen wurden. Hier war es besonders für Mütter mit Kindern schwer. Die Kinder gehen doch so gern auf das Wasser zu. Oftmals sind sie im unbewachten Augenblick in die Hüllen gestürzt, ab und zu auch ertrunken. Auch diese Hüllen mussten, sobald sie entleert wurden, vom Unrat geräumt werden.“

Gefrorenes Wasser im Haus

Maria Gatzhammer schildert auch das „Wasserfahren“: „Schwer war es immer für Mensch und Tier, wenn es zum Wasserfahren kam. Es musste extra ein Wasserwagen mit Fass hergerichtet werden. Die Fässer waren aus Blech und extra dafür gebaut. Sie hatten die ganze Wagenlänge. Darüber hinaus nahm man Holzfässer. Das waren zum großen Teil abgelegte Braufässer. Wenn man in Schmidmühlen zu tun hatte, dann mussten die Tiere – in Enslwang auch die Kühe – selbst im Winter das Wasser fünf Kilometer weit ziehen. Im Winter musste dann bei Ankunft des Wasserwagens das Fass sofort geleert werden, damit das Wasser nicht anfrieren konnte. Man brauchte dazu viel Wassergeschirr. Wenn dann das kalte Wasser ins Haus kam, so war es aus mit der Hauswärme. Das eisigkalte Wasser kühlte die Häuser so stark ab, dass am nächsten Tag das Wasser wieder eine Eisschicht hatte. Für die Rinder war das Wasserfahren besonders mühsam, sie gehen ja nicht so schnell …“

Noch drastischer schildert der Lehrer Heinrich Haas in Großbissendorf im Jahr 1935 die Wasserverhältnisse in seinem Versetzungsgesuch: „Hier herrschen Wasserversorgungsverhältnisse, wie man sie in einem Staat wie Deutschland nicht für möglich hält. Aus der Schulhauszisterne, gespeist vom Dachwasser, muss das Wasser mit Kübeln an einer Stange aus sieben Meter Tiefe geschöpft werden. Als meine Frau im vorigen Sommer von einem Knaben entbunden wurde, musste die ganze Wäsche nach Regensburg geschickt werden, da einfach kein Wasser da war und sich die Bauern während der Ernte nicht Zeit nehmen konnten, neben ihrem eigenen Wasserbedarf auch noch für das Schulhaus Wasser zu fahren. Voriges Jahr und heuer muss der Garten vollkommen vertrocknen. Bei Regen wird viel Staub und Ruß vom Dach in die Zisterne gespült. Die Zisterne ist dann ein Tümpel. Im Herbst kommen die Mäuse von den anliegenden Feldern, und es kann eidlich bestätigt werden, dass jeden Morgen zwei bis drei tote Mäuse im Trinkwasser liegen. Als im heurigen Mai und Juni eine wahre Käferplage herrschte, was das Wasser täglich von einer Unmenge toter Maikäfer bedeckt. Infolge der Verunreinigung entwickeln sich im Wasser eine Unmenge Larven und dergleichen, so dass sich das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes ‚rührt‘.“

Die Schulbehörden erhörten die gewichtigen Argumente des jungen Familienvaters und versetzten ihn im nächsten Schuljahr an einen Ort, der für den Nachwuchs bessere hygienische Verhältnisse gewährleistete. Schließlich war die Säuglingssterblichkeit gerade im Bereich des Bezirksamts beziehungsweise Landkreises Parsberg besonders hoch ... (Alfred Wolfsteiner)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe Januar/Februar 2024 des BSZ-Online-Magazins UNSER BAYERN. Sie können die komplette, 40-seitige Ausgabe downloaden unterwww.bayerische-staatszeitung.de Für BSZ-Abonnenten ist dieser Service kostenlos, sonst 3 Euro pro Ausgabe

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