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Das Bild einer reich mit Gerätschaften ausgestatteten Küche ziert das Frontispiz (heir ein Ausschnitt) zu Odilo Schregers 1766 erschienenem "Speiß-Meister". (Foto: Archiv)

30.10.2024

Unterhaltsamer Ratgeber

Wie ein Benediktinermönch seinen Lesern im 18. Jahrhundert „ehrbare“ Unterhaltung und praxisbezogene Lebenslehre bot

Ganz Deutschland muß wissen, daß ein gewisser lustiger Pater in Ensdorf sehr geschaftig und arbeitsam sey ... Wir kennen ihn aus seinen gedruckten Schriften im Reiche der Wissenschaften nicht anders als einen Aventurier oder Lustigmacher … Je nun! ... Itzt ist er Koch und Speisemeis­ter.“ Nicht zu überhören ist der ironisch-kritische Unterton in einer Rezension der Allgemeinen deutschen Bibliothek über den Gesundheits- und Ernährungsratgeber, den der literarisch umtriebige P. Odilo Schreger (1697 bis 1774) aus dem oberpfälzischen Benediktinerkloster Ensdorf veröffentlicht hatte. Fast zwangsläufig stellt sich das Bild einer Persönlichkeit ein, die nach Art eines Hans Dampf in allen Gassen in die verschiedensten Rollen schlüpft und deren literarische Hervorbringungen von einer gewissen Beliebigkeit und Oberflächlichkeit getragen sind. Immerhin aber musste der anonyme Rezensent anerkennen, dass der Autor „angenehm [zu] unterhalten, und nebenhin auch [zu] unterrichten“ wusste.

Diesen lehrhaften und unterhaltsamen Anspruch verfolgte auch Schregers Speiß-Meister (originale Schreibweise) das Werk  war 1766 im renommierten Verlag des Münchner Buchhändlers Johann Urban Gastl erschienen. Das Titelblatt versprach „Nutzlichen Unterricht von Essen und Trincken“. Das Buch enthalte, wie der Untertitel in barocker Weitschweifigkeit erklärte: „Was, und wie man nemlich zu Erhaltung und zu Verlängerung seiner Gesundheit Essen und Trincken solle. Nebst vielen untermengten Hauß-Mitteln zu unterschiedlichen Zuständen, und nebst andern lustigen Sachen zur Aufmunterung eines melancholischen Gemüths.“

Dass die Schrift des „lustigen Paters“ überhaupt in der Allgemeinen deutschen Bibliothek, dem wichtigsten Rezensionsorgan der deutschen Aufklärung, vorgestellt wurde, zeugt von dem hohen Bekanntheitsgrad des oberpfälzischen Benediktiners. Ganz sicher zählte Odilo Schreger zu den meistgelesenen Autoren des 18. Jahrhunderts, und es ist wohl nicht übertrieben, wenn man ihn als einen Bestsellerautor seiner Zeit bezeichnet. Noch viele Jahre nach seinem Tod, bis ins 19. Jahrhundert, erschienen Neuauflagen seiner Werke. In einem Fall wusste ein geschäftstüchtiger Verleger sogar seinen populären Namen zu nutzen, um eine volkstümliche Blütenlese von Schwänken zu vermarkten: „Das Osterey einer gelehrten Henne, in 36 Dottern, Das ist: deutsche kurtzweilige Ostermährlein, gezogen aus dem berühmten Odilo Schreger.“ Seine Leserschaft fand Schreger vornehmlich in der sozialen Mittelschicht in den Städten und auf dem Land, keinesfalls nur – wie der voreingenommene Rezensent meinte – bei „Leute[n] von der niedrigsten Gattung des Pöbels“.

Als Sohn einer alteingesessenen Metzgerfamilie kam Franz Jacob Schreger, so der Name des späteren Mönches Odilo, 1697 in Schwandorf zur Welt. Er besuchte das Amberger Jesuitengymnasium, legte 1720 die Profess in Ensdorf ab, studierte in der Reichsabtei St. Emmeram, erhielt 1723 die Priesterweihe und war dann als Seelsorger und Prediger in verschiedenen Klosterpfarreien, als Hausprofessor für Theologie und Prior tätig; als junger Mönch versah er zeitweilig auch die Ämter eines Kastners, also des Verwalters der klösterlichen Landwirtschaft, und eines „Culinarius“, eines – wie er einmal schreibt – „Kuchelmeister[s]“. Jedenfalls erwarb er in diesen Jahren einen reichen Erfahrungs- und Wissensschatz. 1774 starb er als Senior seines Klosters.

Neben seinen klösterlichen Aufgaben entfaltete Schreger, seit 1752 Mitglied der „Societas literaria Germano-Benedictina“, eine rege literarische Produktivität. Bis zu seinem Tod brachte er mehr als ein Dutzend zumeist vielfach aufgelegte Schriften mit erbaulichen, praktisch-lehrhaften und kurzweiligen Inhalten zum Druck, überwiegend in der Volkssprache verfasst. Wie vielen Zeitgenossen ging es ihm dabei um Wissensvermittlung und sittliche Unterhaltung gleichermaßen; Titelblätter und Vorreden werben entsprechend mit Prädikaten wie „lustig“, „lehr- und ehrbar“ oder „nutzlich“.

Mit dem Hinweis auf den Nutzen beziehungsweise die Nützlichkeit der von ihm vorgelegten Schriften wird – in durchaus verkaufsfördernder Absicht – zugleich ein Zentralbegriff der Aufklärung aufgerufen. Damit erklärte der Autor an prominenter Stelle, den Ansprüchen praktischer Verwend- und Verwertbarkeit zu genügen. Den Prinzipien der neuen Zeit entsprechend stellte er sich so demonstrativ der Aufgabe, die Wohlfahrt der Menschen in dieser Welt zu befördern.

In seinem Haus-Büchlein (1736) verknüpfte er, in der Tradition der Hausväterliteratur, christliche Ökonomik und praktische Hauswirtschaftslehre. Sein Reis-Büchlein (1753) brachte kurz gefasste Beschreibungen von mehr als 100 Reisewegen durch Deutschland und vielerlei Wissenswertes für den Reisenden, etwa detaillierte Entfernungs­angaben, Umtauschkurse oder Verhaltensmaßregeln für unterwegs. Der teils lateinisch, teils deutsch abgefasste Studiosus Jovialis (1749) vermittelte historisches, geografisches und naturkundliches, teils kurioses Wissen, ferner Sprichwörter, Rätsel und Scherzfragen mit kalauerhaft geprägten Antworten sowie eine Sammlung „Teutscher lächerlicher Begebenheiten“, Schwänke, Lügen- und Sensationsgeschichten, Witze und Anekdoten. Ein ähnliches Konzept verfolgten die beiden Kompendien Lustig- und Nutzlicher Zeit-Vertreiber (1753) und Auszug der Merckwürdigsten Sachen (1755). Versammelt ist darin Bildungsgut vielfältigster Art, das aber auf kurzweilige Weise dargeboten werden soll, wie es in der Vorrede heißt, denn „einem Menschen nur nutzlich seyn wollen, ist eben soviel, als ihme eine ungeschmacke und Gewürtz-lose Speise vorlegen; aber einen belustigen, und ihme zugleich nutzen, das ist ein vollkommenes und auserlesenes Gastmahl“.

Ein besonderes Anliegen war Schreger die Vermittlung medizinisch-praktischen Wissens. Wohlvertraut mit den Problemen der ungenügenden Krankenversorgung breiter Volksschichten griff er immer wieder zur Feder, um vor allem die ländliche Bevölkerung mit Heilvorschlägen zu versorgen. Bereits das Haus-Büchlein umfasste eine „Hausapotheck für Menschen und Vieh“, der Lustig- und Nutzliche Zeit-Vertreiber stellte „Gemeine Artzney-Mittel“ vor, „wie man sich in Kranckheiten selbst helffen kann“. In eigenständiger Form gelangten seine heilkundlichen Kenntnisse dann im Speiß-Meister (1766) und in der Kleinen Haus-Apothecke (1774) auf den Buchmarkt. Darin bot Schreger ein breites Spektrum des klös­terlichen Arznei- und Therapieschatzes, der Heilmittel aus dem Pflanzen-, Tier- und Mineralreich umfasste.

Die praxisbezogenen Anleitungen entsprangen dabei nicht nur einem volksaufklärerischen Impuls, das Wissen akademischer Heilkundiger an die unteren Stände weiterzugeben, sondern auch dem eigenen monastischen Selbstverständnis. Schreger war Angehöriger eines Ordens, der sich in seiner 1200-jährigen Geschichte um die Pflege der Medizin und Pharmazie immer besonders verdient gemacht hatte. In der Regel des heiligen Benedikt liegt das geistliche Fundament der Klostermedizin, deren letzter Grund die Heilige Schrift ist. Ganz im Sinne des Evangeliums, wonach Christus besonders im leidenden und kranken Menschen begegnet (Mt 25,36), gilt dem Vater des abendländischen Mönchtums die tätige Hilfe für die Kranken, Schwachen und Bedürftigen als wichtigste Pflicht. Aus der Sorge um die physisch, psychisch und sozial Hinfälligen erwuchs das klösterliche Spitalwesen, ein umfassendes Versorgungssystem, das – im Sinne Benedikts – den ganzen Menschen zu berücksichtigen, also körperliche und seelische Pflege zu umfassen hatte. Im Zusammenhang mit den Infirmarien, den klösterlichen „Krankenhäusern“, wurden oft Apotheken eingerichtet, die sich im Lauf der Jahrhunderte zu eigenständigen Einrichtungen entwickelten. Gerade im 17. und 18. Jahrhundert leisteten die Klosterapotheken einen wesentlichen Beitrag zur medizinischen Versorgung der Landbevölkerung.

Letztlich sind auch die großen Gesundheits- und Ernährungslehren Schregers in diese Tradition einzuordnen. Ganz offensichtlich fand insbesondere der Speiß-Meister zahlreiche Leser, denn bis 1801 wurden in München und Augsburg weitere, ab 1778 um ein „Kleines Kochbuch“ erweiterte Auflagen gedruckt; ob dieser Abschnitt noch auf Initiative des Autors angefügt oder vielleicht vom Verleger ergänzt wurde, ließ sich bislang nicht klären.

Ernährungsphysiologisches Grundwissen

Mit dem Speiß-Meister veröffentlichte der Ensdorfer Benediktinermönch eine Diätetik im ursprünglichen Sinne, also eine umfassende Darlegung aller Maßnahmen, die zur Gesunderhaltung oder Heilung beitragen, sowohl körperlich als auch seelisch. In volksnaher Form versuchte er zunächst ein ernährungsphysiologisches Grundwissen zu vermitteln, das dem Leser ermöglichte, die Gesundheit zu bewahren oder wiederzuerlangen. Dem „Unterricht von Essen und Trinken“ konnte er entnehmen, „was für Speis und Tranck [seinem] Leib gesund, oder schädlich seyen“, wie Schreger in der Vorrede schreibt, und bei Beachtung der entsprechenden Empfehlungen „ein lang-gesundes Leben“ führen. Immerhin hatte der Mensch den göttlichen Auftrag, „diejenige Mittel zu ergreiffen, wodurch er sein Gesundheit erhalten, und sein Leben verlängern kan“. Viele aber wüssten nicht, welche Speisen und Getränke für sie „gesund, oder schädlich“ seien. In diesem Sinn bot Schreger gleichsam eine Lebensmittelkunde und erläuterte die nährwert- und gesundheitsbezogenen Eigenschaften einzelner Lebensmittel sowie deren geeignete beziehungsweise ungeeignete Zubereitungsarten. So führte er etwa in einem Kapitel über Fleischspeisen aus: „Das gekochte frische Ochsen-Fleisch ist das beste und gesundeste Fleisch und gibt dem Menschen die beste Nahrung; dahero ist es allen andern vorzuziehen. Weil es aber etwas hart zu verkochen [verdauen], so soll man es wohl saltzen und Merrettig oder Senff darzu essen, als wodurch die Verdauung desto besser befördert wird. Das eingesaltzene Fleisch gibt lang nicht so viel und gute Nahrung, als das frische Rind-Fleisch. Indeme es die natürliche Feuchtigkeiten allzuviel austrocknet, und schärffet. Das mit Eßig eingepeitzte Rindfleisch taugt zwar mehr als das eingesaltzene, weil solches durch den Essig etwas zart gemacht worden; doch gehöret es nur für gesunde und dauerhaffte Leute. Das geräucherte Fleisch taugt am wenigsten; weil es den Magen gewaltig beschwäret, und allerhand Verstopffungen verursachet; dahero solches mehr zur Lust als Gesundheit dienet.“

Mit dem Begriff der „natürlichen Feuchtigkeiten“ klingt ein zu dieser Zeit (noch) geläufiges medizinisches Denkmodell an: die Lehre von den Körpersäften, die sogenannte Humoralpathologie, die in ihrem Kern antiken Ursprungs ist. Eine maßgebliche Interpretation ... (Manfred Knedlik)

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