Wirtschaft

Gülle ist ein wichtiger Dünger in der Landwirtschaft. Und stinkt. Dabei wird technisch inzwischen viel gegen die Ammoniakemission getan. Bayern erlaubt weiterhin eine eher traditionelle Technik. (Foto: Bilderbox)

17.10.2024

15 Paragrafen und die Landluft

Güllefahren ist kompliziert geworden

Der Städter rümpft die Nase - weil das Landleben eben unweigerlich nach Gülle riecht, also nach dem, was Tiere so hinterlassen und was als Dünger auf Feld und Wiese gefahren wird. Soweit das Klischee. Die Realität ist, dass die Ausbringung von Gülle ein hochkomplexer Vorgang in der Landwirtschaft geworden ist. Es geht um Fristen, Technik, um Verdünnungsfaktor und Trockensubstanz-Gehalt.

Wie und wann Gülle ausgebracht wird, ist inzwischen streng geregelt. Es gibt Sperrfristen und technische Vorgaben; die Düngeverordnung hat 15 Paragrafen und 9 Anlagen.

Bayerische Ausnahme

Das grau-silberfarbene Fass, das über den Acker gezogen wird und in hohem Bogen Gülle ausbringt, gehört eigentlich der Vergangenheit an. Jüngst sorgte jedoch Bayern für Aufsehen, weil es unter bestimmten Bedingungen diese Fässer mit sogenannten Breitverteilern weiter erlaubt - und zwar für Rindergülle, in der Regel verdünnt, um einen Trockensubstanz-Gehalt von 4,6 nicht zu überschreiten. Das sei als emissionsminderndes Verfahren anerkannt, teilte der Bauernverband mit.

Ob die Flächen die Voraussetzungen erfüllen, kann der Landwirt mit einer speziellen App prüfen lassen. Der Freistaat verspreche damit nicht nur Vereinfachungen für die Familienbetriebe, sondern setze diese auch um, sagte Fachministerin Michaela Kaniber (CSU) kürzlich bei der Vorstellung der App. Und der Bauernverband jubelte: "Ausbringung durch Breitverteiler bleibt möglich!"

Schleppschlauch, Schleppschuh, Schlitztechnik

Dabei ist die Technik längst weiter. Die neue Technik bringe Gülle bodennah und in Streifen aus, sagt Norbert Bleisteiner, Leiter des Fachzentrums für Energie und Landtechnik der Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf in Mittelfranken. Man unterscheide drei Technologien: Die erste bezeichne man als Schleppschlauch: Das heißt, die Schläuche werden knapp über dem Boden geführt und die Gülle fällt dann aus diesen Schläuchen in den Boden. "Das ist die einfachste Variante, die gesetzlich als Mindestvorschrift gilt."

In der zweiten Variante seien die Schläuche zusätzlich mit sogenannten Schleppschuhen verbunden. Der Schuh bringe die Gülle direkt auf den Boden. "Und dann gibt es die Premiumvariante, die sogenannte Schlitztechnik. Das Gerät besteht aus einer Scheibe, die im Boden einen kleinen Schlitz macht und die Gülle kommt direkt dort hinein", sagt Bleisteiner. In genau dieser Reihenfolge erhöhe sich auch der Grad zur Minimierung von Ammoniakemissionen.

Warum der Ammoniakausstoß gebremst werden soll? Dazu sagt Bleisteiner: "Ammoniak geht in die Luft und wird dann an einer anderen Stelle wieder über den Regen in den Boden eingetragen." Das könne zu einer Nährstoffanreicherung in sensiblen Gebieten führen, was negative Effekte auf Flora und Fauna haben könne.

Auflagen in sensiblen Gebieten

Neben dem Thema Ammoniak gehe es auch um die Nitrat-Richtlinie. "Auch im natürlichen Prozess kommt Nitrat ins Wasser, das ist ein normaler Vorgang, der in der Natur stattfindet." Würden Pflanzen die Nährstoffe aus dem Dünger - egal ob mineralisch oder organisch - nicht komplett aufnehmen, komme es zu einer Nitratanreicherung. In manchen Regionen sei dies der Fall. Werde ein Gebiet als besonders sensibel eingestuft, hätten die Landwirte noch zusätzliche Auflagen.

Grundsätzlich gelten Sperrfristen für Zeitpunkte, an denen Gülle ausgebracht werden darf. In Phasen, in denen die Vegetation auf Hochtouren laufe, würden die Nährstoffe in der Regel auch in größeren Mengen sauber aufgenommen, sagt Bleisteiner.
Die Sperrfrist bringe aber auch einen Zielkonflikt mit sich: "Auf der einen Seite vermeiden wir damit die Nitratemission, auf der anderen Seite erhöhen wir aber den Druck, in einem ganz engen Zeitfenster die Gülle auszubringen."

Betriebe haben sich auf neue Technik eingestellt

Sehr viele Betriebe in Bayern hätten sich mit der bodennahe Gülletechnik arrangiert, zumal es auch Investitionsförderung des Staats gegeben habe. Entweder hätten die Landwirte die Technik selbst oder einen Lohnunternehmer engagiert, erläutert Bleisteiner.
Ein in Bayern gängiges Güllefass mit Schleppschuh ist nach Händlerangaben für etwa 150.000 Euro zu haben. Spezialgeräte mit Selbstfahrtechnik können auch mehr als 950.000 Euro kosten.

Es sei zu bezweifeln, ob der Vorstoß, jetzt in Ausnahmefällen noch auf Breitverteilung zu setzen, eine große Relevanz habe, sagt Bleisteiner. "Die meisten Betriebe haben sich auf diese neue Technik eingestellt und sind in der Summe meistens sehr zufrieden." Natürlich gebe es Ausnahmen, etwa in Hanglagen. Es werde einzelne Nischenbetriebe geben, die einen Nutzen von der Ausnahmeregelung haben, aber die große Masse garantiert nicht. Im Großen und Ganzen laufe es mit der aktuellen Technik sehr gut in Bayern. Schließlich gehe es auch um Nährstoffeffizienz und Verteilungsgenauigkeit. "Die neue Technik kann beides besser."

Gülle ist ein gefragter Dünger - gerade in Phasen, wenn chemisch erzeugter Dünger viel kostet. Die Zeiten explodierender Düngerpreise wie kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind zwar vorbei. Trotzdem versuchten die Betriebe natürlich, ihren eigenen organischen Dünger - also die Gülle - so effizient wie möglich einzusetzen, sagt Experte Bleisteiner: "Dieser Trend hat sich noch einmal verstärkt."

Weitere technische Innovationen in der Gülleausbringung erwartet Bleisteiner in der nächsten Zeit nicht, die Technikentwicklung sei abgeschlossen. "Das, was wir jetzt diskutieren an Technik, haben die Niederländer schon vor 20, 25 Jahren eingeführt."
(Kathrin Zeilmann, dpa)

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