Wirtschaft

Geht bei der Insolvenz von Air Berlin alles mit rechten Dingen zu? Konkurrent Ryanair sieht Mauschelei zwischen der Bundesregierung und deutschen Airlines. (Foto: dpa)

16.08.2017

Air-Berlin-Insolvenz: Ryanair reicht Kartellbeschwerde ein

Was Verbraucher in Bayern jetzt wissen müssen

Der irische Billigflieger Ryanair wittert bei der Insolvenz von Air Berlin ein "Komplott" zwischen der Bundesregierung und deutschen Fluggesellschaften. Nach eigenen Angaben reichten die Iren deshalb beim Bundeskartellamt und bei der EU-Wettbewerbskommission Beschwerden gegen eine mögliche Übernahme Air Berlins durch die Lufthansa ein.

"Diese künstlich erzeugte Insolvenz ist offensichtlich aufgesetzt worden, damit Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen kann und dies widerspricht sämtlichen Wettbewerbsregeln von Deutschland und der EU", erklärte der Billigflieger auf seiner Internetseite. Es gebe ein "offensichtliches Komplott" zwischen der deutschen Regierung, Lufthansa und Air Berlin.

Air Berlin hatte am Dienstag Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt, der Flugbetrieb ist durch einen Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro noch für etwa drei Monate gesichert. Jetzt gehen die Sanierungsbemühungen für die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft weiter. Vorstandschef Thomas Winkelmann verhandelt mit Lufthansa und weiteren Interessenten über einen Verkauf von Teilen der Airline.

Hintergrund der Insolvenz: Großaktionär Etihad will kein weiteres Geld in die defizitäre Fluggesellschaft stecken

Dabei würden die Air-Berlin-Anteile "unter Ausschluss der größten Wettbewerber" zerstückelt und sowohl die Wettbewerbsregeln der EU als auch Bestimmungen zu staatlichen Beihilfen ignoriert, kritisierte Ryanair. Neben der Lufthansa soll Ryanair-Konkurrent Easyjet Branchengerüchten zufolge an Teilen von Air Berlin interessiert sein. Weder Easyjet noch Air Berlin wollten das bislang kommentieren.

Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig verteidigte das Vorgehen der Bundesregierung und wies die Komplott-Vorwürfe zurück. "Das ist eine abwegige These", sagte er am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Es werde am Ende nicht eine Airline Air Berlin komplett übernehmen. Damit werde der Wettbewerb gesichert. Den Überbrückungskredit der Bundesregierung halte er für zulässig. Zehntausende Air-Berlin-Kunden seien in der Hauptreisezeit unterwegs, die auch wieder nach Hause gebracht werden müssten.

Air-Berlin-Chef Winkelmann arbeitet bei seinen Verhandlungen mit Lufthansa und weiteren Interessenten nach Unternehmensangaben mit einem Generalbevollmächtigten zusammen, dem Düsseldorfer Juristen Frank Kebekus. Als Sachwalter überwacht der Rechtsanwalt Lucas Flöther aus Halle für die Gläubiger das Verfahren.

Alle Tickets für Air-Berlin-Flüge behalten zunächst ihre Gültigkeit (siehe Infokasten). Die Stiftung Warentest warnte allerdings: "Sollte Air Berlin den Flugbetrieb doch irgendwann einstellen und der Flug auch nicht von einer anderen Airline übernommen werden, erhalten Kunden wahrscheinlich nur wenig oder nichts vom Ticketpreis zurück."

Auch die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit schloss negative Effekte im Flugbetrieb trotz des Bundes-Kredits nicht aus. Ihr Vorstand Markus Wahl sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwoch) zugleich: "Ganz grundsätzlich kann ich nur dafür werben, dass die Kunden der Fluggesellschaft ihr Vertrauen schenken." Mit der Bundesregierung stehe ein potenter Kreditgeber im Hintergrund. (dpa)


INFO: Was Verbraucher jetzt wissen müssen
Tatjana Halm, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Bayern, erklärt:

- Die Verbraucherzentralen raten davon ab, bei Air Berlin oder ihrer Tochter Niki gebuchte Flüge jetzt überstürzt zu stornieren.

- Wenn Flüge tatsächlich ausfallen sollten, haben Pauschalreisende die besseren Karten: Der Reiseveranstalter muss dann für eine Ersatzbeförderung sorgen. Andere Fluggäste hingegen können nur auf – wenig realistische – Entschädigung im Insolvenzverfahren hoffen.

- Wer angesichts der Meldungen zur Insolvenz von Air Berlin nun kalte Füße bekommt und seinen Flug stornieren will, sollte die Folgen gut überlegen: Kunden haben wie bei jeder Stornierung nur Anspruch auf Rückerstattung von Steuern und Gebühren und allenfalls eines Teils des Ticketpreises. Zudem: Gezahlte Flugpreise gehören zur Insolvenzmasse, sodass hier Rückzahlungen – wenn überhaupt – erst im langwierigen Insolvenzverfahren zu erwarten sind.

- Angesichts der Ankündigung, den Flugbetrieb fortführen zu wollen, ist es aus Sicht der Verbraucherzentralen nicht ratsam, gebuchte Flüge zu stornieren. Außerdem kann es durchaus auch möglich sein, dass andere Fluggesellschaften einspringen werden.

- Die Air-Berlin-Tochter Niki Air ist eine eigenständige GmbH und rein rechtlich nicht von der Insolvenz betroffen.

Weitere Information der Verbraucherzentrale stehen auf http://www.verbraucherzentrale-bayern.de/air-berlin-insolvent und werden laufend aktualisiert. (BSZ)

Kommentare (1)

  1. voa zua am 17.08.2017
    Auch wenn Ryan-Air nun möglicherweise etwas überzeichnet, ein komisches Gschmackerl hat es schon, dass die Insolvenzerklärung so plötzlich in der Hauptreisezeit erfolgt. Die Entscheidung von Etihad, Air Berlin nicht weiter zu stützen, hätte auch schon vor einigen Wochen, Monaten oder Jahren fallen können. Schließlich führt das Management schon seit Jahren ein defizitäre Misswirtschaft. Jetzt kann man sich auf der Stütze des Bundes elegant auflehnen und hat doch noch alle Optionen selbst in der Hand (inklusive Bonizahlungen an die ach so genialen Vorstandsbosse für die gute Abwicklung des Konkurses - ich würde fast wetten). Richtig ist so eine Einmischung in den Markt eigentlich nicht - auch wenn ich das vermutlich als Fluggast auch begrüßen würde.
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