„11-Punkte-Plan für schnelleres Planen und Bauen“: Als fünf namhafte CDU-Mitglieder, darunter Generalsekretär Paul Ziemiak, dieser Tage ihre Vorschläge zur Beschleunigung nationaler Infrastrukturprojekte vorlegten, gab es vor allem einen Aufschrei zum „Punkt 6: Verbandsklagerecht einschränken“. Mit dem wolle die Regierungspartei offensichtlich gerade die beharrliche Deutsche Umwelthilfe DUH in die Schranken verweisen, kam die Kritik daraufhin von vielen Seiten.
Dabei birgt den eigentlichen Sprengstoff nicht diese, sondern gleich die erste Forderung des 11-Punkte-Plans (liegt der Redaktion vor): „Reform der Aarhus-Konvention“ steht da ganz unscheinbar. Doch genau diese vier Worte sind ein offensichtlich von der CDU „geplanter Angriff auf die Grundfesten von Umwelt-Völkerrecht und Umwelt-EU-Recht“, das erklärt Wolfgang Baumann aus Würzburg, einer der profiliertesten deutschen Umweltrechtler.
Wer sich jetzt fragt, „Aarhus-Konvention – was ist denn das?“, dem sei bestätigt: Das geht den meisten Menschen so. Dabei ist dieses 1998 im dänischen Aarhus unterzeichnete „Übereinkommen der erste völkerrechtliche Vertrag, der jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt“, schreiben die Vereinten Nationen (www.unece.org/env/pp/ratification.html).
Nicht mit der Aarhaus-Konvention vereinbar
Und die frühzeitigen Klagerechte und Öffentlichkeitsbeteiligung in allen Umweltangelegenheiten stehen ganz vorne in diesem Vertrag. „Aarhus“ habe neben der Europäischen Union 47 Länder ratifiziert. Darunter sind alle Mitgliedstaaten der EU, also auch die Bundesrepublik Deutschland (www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/documents/cep43g.pdf).
Deshalb sind bis heute Klagen vor nationalen und internationalen Gerichten gegen die BRD anhängig, beispielsweise wegen des deutschen Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG). Das kennt zwar auch fast niemand. Dabei ist genau dieses UmwRG die Grundlage für viele andere Gesetze, die hierzulande zu umweltrelevanten Investitionen beschlossen wurden und werden. Beispiele? Das Netzausbau-Beschleunigungsgesetz, Bundesbedarfsplangesetz für Stromtrassen und so weiter.
Möglichkeit nehmen, gegen neue Gesetze und Projekte zu klagen
Nach Meinung von Klägern sind einige Vorschriften im UmwRG nicht mit der Aarhus-Konvention vereinbar. Denn laut Aarhus müssen Bürger und Verbände die Möglichkeit haben, „die Durchsetzung von Rechtsvorschriften vor Gericht einzuklagen, damit die nicht nur auf dem Papier stehen“, erläutert Anwalt Baumann. Und das scheint nicht nur, aber gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Stromnetzplanung sehr wichtig (dejure.org/gesetze/UmwRG).
Nun also „muss die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft 2020 für eine Initiative zur Reform der Aarhus-Konvention nutzen, um damit eine Verfahrensbeschleunigung und Modernisierung der Beteiligungsverfahren zu erreichen“, fordert das CDU-Papier. Sprich: Die Politiker wollen Bürgern und Organisationen die Möglichkeit nehmen, frühzeitig gegen neue Gesetze und Projekte zu klagen.
Dabei suggeriert der Satz vorher, quasi die Anmoderation der Aarhus-Reform-Forderung, das genaue Gegenteil: Die Regierung solle Maßnahmen in die Wege leiten, welche die „frühzeitige Einbindung von Bürgerinteressen gewährleisten“, steht da Schwarz auf Weiß. Denn kommt man zu „Punkt 9 – Neue Beteiligungskultur etablieren“, dann geben die CDU-Abgeordneten um Paul Ziemiak ja sogar zu: „Das Vertrauen der Bürger in den Staat ist bei großen Bauprojekten spürbar gesunken. Widerstand gibt es dann, wenn persönliche Belange oder Umweltbelange betroffen sind oder der Sinn und die Kosten eines Projekts nicht verständlich vermittelt werden.“
Aber ob den Menschen und Verbänden eine „professionelle Verfahrenskommunikation“ – andere nennen das Werbung – reicht, anstelle der Möglichkeit, gegen ein Projekt gerichtlich vorzugehen? Und ob es gerade älteren Betroffenen genügt, ihr Missfallen „digital, zum Beispiel in verpflichtenden Online-Foren“ kundtun zu dürfen, sei ebenfalls dahingestellt. Das sind nämlich wesentliche der im CDU-Papier vorgeschlagenen Beteiligungsmöglichkeiten.
Der 11-Punkte-Plan ist aktuelle CDU-Politik
Zusammengefasst sind alle elf Forderungen übrigens in diesem Satz: „Grundsätzlich sollten zukünftig bei der Verabschiedung von Umwelt- und Naturschutzregelungen auf europäischer Ebene stärker die möglichen Auswirkungen auf Belange von Mobilität und Logistik berücksichtigt werden.“ Soll wohl heißen: Alles für die Wirtschaft.
Aus dem Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale in Berlin, heißt es auf jeden Fall auf Nachfrage: Generalsekretär Ziemiak spricht für die CDU. Was nichts anderes bedeutet als: Der 11-Punkte-Plan ist aktuelle CDU-Politik. Die Partei will also offensichtlich einen gültigen Völkerrechts-Vertrag kippen.
(Heinz Wraneschitz)
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