Beim Ausbau einer flächendeckenden digitalen Infrastruktur sehen die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und das bayerische Finanz- und Heimatministerium den Freistaat auf einem sehr guten Weg. „Sowohl bei den Breitbandanschlüssen als auch für die mobile Datenübertragung ist der Ausbau der digitalen Netze im Vergleich zum vergangenen Jahr erfreulicherweise weiter dynamisch gestiegen. Gleichzeitig treiben datenintensive Technologien wie künstliche Intelligenz, Virtual und Extended Reality oder Cloud-Anwendungen den Bedarf weiter in die Höhe. Der Freistaat steht vor enormen Herausforderungen: Einerseits streben wir zu Recht eine Vorreiterreiterrolle in der digitalen Transformation an, andererseits erfordert ein flächendeckender Ausbau der digitalen Netze mit hohen Bandbreiten besondere Anstrengungen“, betonte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Dies sind die Kernergebnisse zweier aktueller Studien der vbw, erstellt von der IW Consult GmbH und der GMS Dr. Jung GmbH.
Buchungszahlen sind eher ernüchternd
Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) bedankte sich bei der vbw, dass diese immer wieder diese Studien in Auftrag gebe, um den Ausbaufortschritt und den künftigen Bedarf zu ermitteln. Gleichzeitig zeigte er sich angesichts des enormen Engagements des Freistaats und des damit verbundenen Steuermitteleinsatzes enttäuscht über die Nutzer. „Uns wird immer wieder vorgehalten, was alles benötigt wird. Aber die Buchungszahlen sind eher ernüchternd“, versuchte Füracker seine spürbare Echauffierung zu umschreiben. Denn nur 25 Prozent der Nutzer würden auch Glasfaser buchen.
Den Minister wurmt es auch, dass dem Freistaat in Sachen Breitbandausbau immer wieder vorgeworfen werde, er würde sich nicht genügend einsetzen. „Das ist per Gesetz Bundesangelegenheit“, betonte er. Der Freistaat sei nur in die Lücke gesprungen und habe Fördermittel zur Verfügung gestellt, weil der Ausbau des schnellen Internets sonst nicht schnell vorangekommen wäre. „Noch heute definiert die EU schnelles Internet als 30 Mbit“, verdeutlichte Füracker. Deshalb musste sich der Freistaat eine Genehmigung von der EU einholen, auch dort den Breitbandausbau fördern zu dürfen, wo ein Netzbetreiber 30 Mbit anbietet.
Mit der Kofinanzierung unterstützt der Freistaat laut Füracker die Kommunen auch beim Breitbandausbau im Förderprogramm des Bundes und schließt die Lücke zwischen dem niedrigen Fördersatz des Bundes (meist 50 Prozent) und dem Fördersatz im bayerischen Förderprogramm (in der Regel 90 Prozent). Für viele Kommunen werde die Bundesförderung dadurch überhaupt erst nutzbar. Bislang seien über 2000 Gemeinden in die unbürokratischen Förderverfahren eingestiegen. „Die Kommunen entscheiden im Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit über die Inanspruchnahme eines Förderverfahrens und über den Umfang der Fördergebiete“, erklärte der Minister.
Im Bayerischen Breitbandzentrum in Amberg arbeiten Fachleute unterschiedlichster Fachrichtungen und koordinieren den weiteren Gigabitausbau. Sie behalten die Versorgungslage aller 6,4 Millionen Haushalte in Bayern im Blick, erkennen Förderbedarfe, beraten die Kommunen zu den Fördermöglichkeiten und stehen im Förderverfahren unterstützend zur Seite. Das Breitbandzentrum stellt Musterdokumente für alle Verfahrensschritte bereit und begleitet jeden einzelnen Verfahrensschritt mit einer automatisierten Qualitätssicherung. Mit den Breitbandmanagern an den 51 Ämtern für Digitalisierung, Breitband und Vermessung gibt es flächendeckend in jedem Landkreis einen Ansprechpartner vor Ort mit direktem Draht nach Amberg.
Füracker verwies in diesem Zusammenhang auch auf die landläufig irrige Meinung, dass Breitbandversorgung zur Daseinsvorsorge gehöre. „Das ist keine Pflichtaufgabe der Kommunen wie etwa die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung. Für diese beiden Dinge gibt es einen Anschluss- und Benutzungszwang. Den gibt es beim Breitband nicht“, unterstrich der Minister.
Unzureichende digitale Netze
Trotz all der Ärgernisse gibt es aber auch eine positive Nachricht. „Die bayerische Breitbandförderung wirkt: 93,1 Prozent der ländlichen Räume haben eine Rate von über 50 Mbit/s. Das ist eine Steigerung um mehr als den Faktor neun in den letzten zwölf Jahren“, so vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt. Trotzdem gebe es ein regionales Gefälle, das sich insbesondere bei den Gigabit- und Glasfaseranschlüssen zeige. „Nur die städtischen Regionen liegen mit 89,5 Prozent an Gigabitanschlüssen über dem Bundesdurchschnitt. Einen Glasfaseranschluss können derzeit nur 37,7 Prozent der Unternehmen in der Stadt nutzen, auf dem Land sind es lediglich 21,7 Prozent. Glasfaseranschlüsse in Gewerbegebieten haben 54,8 Prozent der Unternehmen und damit ebenfalls weniger als der Bundesdurchschnitt von 57,4 Prozent“, verdeutlichte Brossardt.
„Über 2,6 Milliarden Euro haben wir aus Landesmitteln seit 2014 in den Gigabitausbau investiert, damit werden über 105.000 Kilometer Glasfaserleitungen verlegt. Und wir werden nicht nachlassen, wir machen weiter“, unterstrich der Minister. Damit gab er eine kleine Retourkutsche an den vbw-Hauptgeschäftsführer zurück, der meinte, dass „man den Freistaat immer antreiben“ müsse.
Bei der 5G-Mobilversorgung sieht die vbw noch Luft nach oben. „An bis zu zwei Dritteln der Messpunkte aller LTE-Provider an Autobahnen und Landstraßen ist kein 5G-Empfang möglich. Fakt ist: Viele Unternehmen sind mit Beeinträchtigungen durch unzureichende digitale Netze konfrontiert“, erklärt Brossardt. Die vbw fordert einen noch schnelleren Ausbau der digitalen Infrastruktur. „Notwendig ist eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaseranschlüssen sowie bei der 5G-Mobilfunkversorgung. Hier ist noch viel zu tun. Es braucht im Gigabitförderprogramm des Bundes verlässliche Förderzusagen sowie die stärkere Berücksichtigung regionaler Bedarfe bei der Mittelvergabe. Das Telekommunikations-Netzausbau-Beschleunigungsgesetz muss zügig verabschiedet werden. Dabei muss das überragende öffentliche Interesse beim Ausbau der digitalen Infrastruktur im Gesetz verankert werden, um Ausbauvorhaben beschleunigen zu können“, fordert Brossardt.
(Ralph Schweinfurth)
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